Das Gleichnis vom leichtsinnigen Vater und den verlorenen Söhnen

Ich glaube unter den Aussprüchen Jesu zählen die Gleichnisse zu den Texten, an die wir uns so sehr gewöhnt haben dass wir  die schockierende Botschaft überlesen.  Ich erinnere mich an eine der wenigen Religionsstunden der Mittelstufe, in der wirklich ein Bibeltext gelesen wurde und es wurde mal das Gleichnis vom verlorenen Sohn gewählt. Nach der Lesung folgte von den Schülern ein beinahe einstimmiges Urteil: Wie ungerecht und hart der Vater gegenüber dem älteren Sohn handelt und wie leichtsinnig er mit dem jüngeren umgeht.

Das veranlasst mich zu einigen skizzenhaften Überlegungen:

  1. Warum lässt der Vater den Sohn ziehen?

Es war ein Skandal erster Güte, was sich der jüngere Sohn erlaubt: Noch zu Lebzeiten verlangt er sein Erbteil. Anders gesagt, ruft er seinem Vater zu: Ich wünschte, du wärst endlich tot! Der Vater wäre also natürlich im Recht gewesen, wenn ihr im die Güter versagt hätte! Er wusste ja , was mit dem Erbe geschehen wird, es wird verschleudert! Hätte er nicht ein bisschen vernünftiger, ein Stück weit strenger handeln müssen? Aber was würde dann aus der Gnade! Einiges wäre erreicht worden, durch ein gerechtes, frommes, einem dem israelischen Gesetz würdigen Verhalten des Vaters: Das Geld bliebe erhalten, die Zucht gewahrt, die Rebellion hätte gar nie öffentlich werden müssen. Mit entsprechenden Drohungen ließe sich der Sohn an der Leine halten, schließich musste er in diesen Fragen den Kürzeren ziehen. Der Vater schließlich, müsste sich nicht die beschämenden Blicke seiner Nachbarn gefallen lassen, die alle eines in aller Deutlichkeit sagen: “Du hast versagt!”

Doch eine Sache wäre nicht erreicht worden: Das Herz des Sohnes! Das bliebe unverändert in seinem Hass-Wunsch gefangen, dass der Vater doch lieber tot sein sollte! Lieber heute als Morgen, dann hätte er endlich sein Erbe.

Der Vater weiß, wie Gnade funktioniert, weil er seinen Nächsten auch in die Verantwortung lässt. Wie oft geht es uns so, dass wir wenig geben und helfen, weil wir dem anderen keinerlei Verantwortung zulassen mögen.

2. Die Selbstsühnung des Sohnes

Immer wieder fällt mir der Kontrast zwischen den Versen 18-19 und dem Vers 21 auf. In der ersten Stelle denkt sich der Sohn das aus, was er sagen möchte, in Vers 21 finden wir das, was der Vater aussprechen lässt. Zum zweiten Teil: “Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße, mache mich einem deiner Tagelöhner gleich!” kommt der Sohn gar nicht. Das hieße ja auch schließlich, dass doch keine Versöhnung stattfinde, das Vergebung nicht gewährt wäre. Der Sohn denkt daran, die Beziehung mit dem Vater selbst zu sühnen! Aber der Vater lässt ihn gar nicht reden und stellt die Sohnschaft schnell wieder weg(Durch Ring, Kleider, Fest…)

Wie oft geht es uns so, dass wir uns die Annahme durch den himmlischen Vater, durch unsere Intensität der Buße, durch Selbstanklage, Selbsthass, ja auch Selbstbestrafung verdienen wollen. Doch dann wäre Gnade nicht mehr Gnade. Mich freut es, dass der zweite Teil nie ausgesprochen wurde, und wir stattdessen hören: “Und sie fingen an, fröhlich zu sein.” – “denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.”

3. Die Ähnlichkeit der autonomen  Brüder

Natürlich fällt auch beim oberflächlichen Lesen auf, dass die Brüder wahrlich Brüder sind. Sie sind sich so furchtbar ähnlich: Beide sind auf dem Feld (V. 15; 25), beide bekommen “nichts” (v. 16; 29). Beide sind furchtbar autonom, einer in Sünde, der andere in Selbstgerechtigkeit (V. 18; 29). Einer möchte ein “Diener sein”, der andere behauptet einer zu sein (V. 19,29). Einer geht und der andere nicht (V. 20,28). Zu beiden geht er Vater hinaus (V. 20,V. 28). Beide entscheiden sich, ohne den Vater zu feiern (V. 13,29).

Vor allem die Anklage des älteren Bruders in V. 29-30 macht deutlich: Auch der ältere Bruder wünscht sich nichts sehnlicher, als das der Vater doch endlich tot sei! Dann könnte er “mit seinen Freunden fröhlich sein”. Auch er möchte den Vater nicht dabei haben. Für ihn kommt es nicht in Frage, “mit dem Vater zu feiern”

Ich denke dieser Aspekt ist für uns wichtig, um uns nicht in einem Art “Übersohn” zu sehen, der für uns Adamssöhne unerreichbar und unrealistisch ist: Also sich für einen zu halten, der so bußfertig und demütig ist wie der jüngere Sohn, ohne aber seine Sünden zu begehen und der gleichzeitig so gerecht und gehorsam wie der ältere Sohn ist, ohne seinen Stolz zu haben. Nur einmal begegnete ich einem, der genau das ernstlich zu vertreten meinte: Eine übernatürliche Gerechtigkeit, die er aus eigener Kraft für sich beanspruchte. Ich kann euch sagen: Es war furchtbar. Es ist vielmehr eine Selbstgerechtigkeit, von der selbst der ältere Sohn noch etwas lernen könnte: “Denn wenn durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.” (Gal. 2,21)

4. Wo ist hier eigentlich Jesus und wer ist eigentlich der verlorene Sünder?

Den Vater des Gleichnisses mit dem Vater der Dreieinigkeit gleichzustellen, ist zu leicht gedacht. Ich denke B.B. Warfield hat recht, wenn er schreibt: “Dieses Gleichnis wurde nicht geschrieben, um Gottes, sondern um Jesu Annahme der Sünder zu betonen. Die dahinterliegende Annahme, dass Jesu Handlungen und Gottes Handlungen identisch sind, ist unmissverständlich: Kein Leser wird es verpassen Jesus selbst im guten Hirten, in der suchenden Frau und im verlassenen Vater zu sehen” (aus: The Saviour of the World von B.B. Warfield – eigene Übersetzung).

Dennoch denke ich, dass ein weiterer Punkt entscheidender ist: Wer ist dieser verlorene und heimkehrende Sünder? Bin ich das bei meiner Bekehrung  oder “Erneuerung” vor X Jahren ? Ist es der sich “bekehrende Heide”? Ich fürchte, und ich muss hier nicht weiter als über mein eigenes Herz blicken, dass wir unser Selbstbild als begnadigte verlorene Sünder, all zu oft vergessen. Warfield korrigiert zurecht (Im wesentlichen auch das, was Luther so prägnant mit “gleichzeitig Sünder und gerecht” ausdrückte):

“Für verlorene Sünder, wie du und ich, können sicherlich weniger Botschaften überwältigender sein. Unsere Herzen zerbersten vor Freude, wenn wir zum verstehen gebracht werden, dass unser Vater im Himmel unsere irrenden Seelen mit der Freude wieder empfängt, wie der Vater des Gleichnisses seinen irrenden Sohn empfing” (ibid. eigene Übersetung).

Fazit: “Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.” (1 der 95 Thesen von Martin Luther)

2 Kommentare

  1. Die Ursünde des Menschen ( Adam und Eva), die fehlende Dankbarkeit für das was der Mensch an guten Gaben von Gott geschenkt bekommt, spiegelt sich wieder im älteren Sohn.
    Die wahre Sünde des Menschen: Neid, Egoismus, Auflehnung, Habgier, die Herabsetzung des Bruders, sich selbst als gerecht fühlen und die damit erwartete Belohnung, dies ist aber eine zutiefst undankbare Haltung, weil alles was der Mensch von Gott geschenkt bekommt für selbstverständlich angesehen wird, und ignoriert wird. So war es auch im Garten Eden, Adam und Eva ließen sich verführen weil sie sich mehr erhofften als sie schon hatten.
    Der verlorene Sohn erkennt zuerst: ,,Ich habe gesündigt gegen den Himmel” ….. Buße und Umkehr (Umdenken) so wie es Jesus lehrt, und dann die Vergebung bei den Menschen suchen.
    ,,er war verloren und ist gefunden worden” der Vater gibt damit den Hinweis auf Gott, der diese Umkehr bewirkt hat, er bestätigt: ,,Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden”
    ,,ER IST GEFUNDEN WORDEN” nicht vom Vater, auch nicht durch sich selbst, sondern von Gott!

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