Biblische Texte

Das Rechte Hand – Linke Hand Gebot

“Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut,” (Mt. 6,3)

„Tue Gutes – und rede darüber.“ Die Möglichkeiten, seine guten Werke zur Schau zu stellen, waren noch nie so verlockend. Unser Smartphone ist einfach zu nah, um nicht unser Gutes zu zeigen!

„Schau, obwohl ich so viele Kids habe, sind sie alle ordentlich angezogen!“ – „Und siehst du nicht hier, welches feine Mahl ich in dem ganzen Trubel zubereitet habe?“ – „Ach ja, und hast du vernommen,wie glücklich meine Frau ist, mit mir die Zeit zu verbringen!“ – „Und beim letzten Zoobesuch war natürlich alles eitel Sonnenschein, die Tränen und die Diskussionen haben wir natürlich nicht aufgenommen, ist doch klar!“ – „Und die Idee, die ich in der Predigt hatte, die hatte kein anderer“ – „In meiner Rolle als Diener Christi konnte ich natürlich nicht anders handeln“ – „In aller Demut freue ich mich über diese Ehre“.

Während der Whatsapp-Status und Instagram beliebte Orte für diese Art von Vergehen sind, finden sich viele weitere Tatorte. Unzählige Möglichkeiten bieten sich an, unsere Frömmigkeit zur Schau zu stellen. Das Verlangen kann so stark werden, dass es jedes Gespräch, jede Tat, jede Falte unserer Kleidung durchzuziehen anfängt.

Ich denke da z.B. an die Schule unserer Kinder. Jedes Jahr zum Ende des Schuljahres gibt es eine Art „Gute-Taten-Woche“. Die Kinder werden aufgerufen durch Nachbarschafts- und Familienhilfe Spenden für den guten Zweck einzusammeln. Äußerst geschickt wird ein System aufgebaut, das die Kinder antreibt, ja nicht der zu sein, der die wenigsten Spenden einbringt! Wer auch immer sich dieses System an Kinderarbeit ausgedacht hat, war extrem clever! Und ich fürchte auch, extrem bösartig zu sein. Denn plötzlich bekommt das „Mama in der Küche helfen“ einen ganz besonderen Sinn. In dieser Woche sind die Taten plötzlich wirklich gut – Werden sie doch wahrgenommen!

Ist es denn so schädlich, Gute Werke für sich selbst zu tun? Nicht auch etwas dafür zu haben. Schließlich gibt es doch ein gutes Gefühl, dem Nächsten zu helfen! Und ja, das ist wahr: Christ, Mensch, du bist da, um deinem Nächsten zu dienen! Wirklich deiner Berufung wirst du nur entsprechen, wenn du deinen Nächsten liebst wie dich selbst! Aber wir ersetzen diese göttliche Berufung mit einem Imitat: Bei diesem brauchen wir den Nächsten, damit wir den (vermeintlichen? Ich will nicht zu streng sein) Dienst an ihm für unser eigenes Selbstwertgefühl nutzen können.

Nun, – so reden wir uns ein – bin ich wirklich etwas wert! Nun habe ich meine Erfüllung, meinen Zweck, weil ich dem anderen „gedient“ habe. Und so steht nicht mehr unser Nächster im Mittelpunkt, sondern unser Wohlbefinden, unser Zweck, unsere Erfüllung. Wir benötigen die Annahme unserer Hilfeleistung manchmal mehr als der Hilfsbedürftige! Jesus analysiert so ein Verhalten knallhart: „Wahrlich ich sage euch: Sie haben Ihren Lohn schon gehabt!“ (Mt. 6,5)

Gute jüdische Frömmigkeit, die Jesus aber auch weiterhin bestätigt, bestand aus drei Elementen: Gebet, Fasten und Almosen. Doch genau diese drei Elemente können wir zu unserer eigenen Ehre nutzen, und so völlig entwerten. Zumindest ein himmlischer Lohn bleibt uns dann aus. Ich denke, jeder hat schon den Druck im öffentlichen Gemeindegebet erlebt, nun jetzt besonders fromm, besonders klar, besonders durchblickend zu beten – und wir merken nicht, dass unsere Gebete dann nur bis zur Decke gehen. Aber klar, einen Lohn haben wir kassiert: Manch einer in der Reihe schwärmt von der Qualität unserer Gebete. Übrigens soll das kein Trivial-Beispiel sein. In unserer Gemeinde wird sehr viel auf öffentliches Gebet gelegt. Aber bete mal zwei Gebetsstunden nacheinander laut, schon kassiert du irgendwoher ein Lob dafür! Ich bete schon länger nicht mehr laut im Gottesdienst, weil ich mich wirklich fürchte, nur um der Menschen willen zu beten. Ich könnte nicht sagen, dass es gar keine Rolle spielt, was andere über meine Gebete oder meine Frömmigkeit denken!

Übrigens bin ich am Zweifeln, ob ich nicht selbst das obige Beispiel nur notiere, um meine „geistliche Empfindsamkeit zur Show zu tragen“ – Doch womöglich ist es hier angebracht den Lohn bereits hier auf Erden zu kassieren, wenn wir allesamt nur etwas mehr das beherzigen, was ich hier das „Rechte Hand – Linke Hand“ Gebot nenne. Dieses lehrt uns: Tue Gutes und vermeide jeglichen Lärm darum. Habe deine Frömmigkeit verborgen, damit Gott sie sieht! Eine Regel, die extrem wichtig war für Jesus, und die er geflissentlich gefolgt ist. Keine Fromme Show! Gerade Matthäus, aber auch Markus zeigen an vielen Stellen, dass Jesus seinen Dienst im Stillen Verborgenen geschah (Vor allem Mt 12,15-21 vgl. auch Mk. 3,7-12).

Ich möchte dich aufrufen in dieser Woche etwas zu tun, was du einfach so für Gott tust und worüber du mit niemandem sprichst. Es kann bereits der Verzicht auf irgendein Statusbild sein. Oder eben kein Telefonanruf an die Freundin, der du klagst, wie viel du durch diesen oder jene zu ertragen hast. Irgendeine Maßnahme, die deine Frömmigkeit etwas weniger verkünstelt und dafür etwas mehr echt macht.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieses Gebot umzusetzen gar nicht so leicht ist. Wenn der Stolze sich erniedrigt, sieht man immer noch seinen Zylinder! Die Möglichkeiten der Zur-Schau-Stellung der eigenen Frömmigkeit sind oft so vielfältig und schleichen sich häufig unbemerkt ein. Neulich erlebte ich es, dass ich auf eine – zugegeben absurde – Ermahnung mit einer Auflistung vom Gegenteil reagierte. Nach dem Motto: Du behauptest dies Böse von mir, aber schau, wie gut ich eigentlich wirklich bin. Erst nach dem ich geantwortet habe, ging mir auf, wie ich „meinen Lohn schon einkassiert habe“.

Ein letzter Gedanke: Der Ausweg besteht nicht darin, sich von nun an möglichst schlecht zu geben. Das ist eine Vorgehensweise, zu der ich tendiere. Um ja zu vermeiden, die eigene Frömmigkeit in den Vordergrund zu erzählen, zwinge ich mich geradezu, Misserfolge zu berichten. Ich neige dann dazu diese möglichst negativ, geradezu übertrieben darzustellen – Um ja nicht in den Verdacht zu kommen „ich gebe mich fromm“ – Viel zu spät ist mir klar geworden, dass ich auch damit gegen Christi Gebot verstoße. Denn nun fing ich an gerade für meine Selbstverachtung eine Anerkennung meiner Mitmenschen zu erwarten.

Die Lösung liegt in echter Demut. Diese ist weder Selbsthass noch Selbstverherrlichung. Demut heißt erst gar nicht damit anzufangen, allzu viel über sich selbst nachzudenken.

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