Bibellesen

Du bist (höchstwahrscheinlich) kein Opfer!

Vor einiger Zeit habe ich ein Seelsorge-Seminar besucht – dabei habe ich festgestellt, dass welche Begabung ich auch immer haben sollte, die eines Seelsorgers nicht habe. Zu wenig Mitgefühl, Takt, Geduld usw… Die folgenden Zeilen könnten also durchaus gefährlich werden:

Obwohl ich mich also Null als Seelsorger verstehe, habe ich doch eine ganze Menge Situationen erlebt, in denen ich versucht habe meinem Gegenüber Trost zu schenken, aufzumuntern, wo ich von Herausforderungen gehört habe, die Menschen seit Jahren quälen. Oder wo man ein Problem schon auf hunderte Wege angegangen ist, und eigentlich nur Schritte rückwärts gemacht hat. Mir ist aufgefallen, dass eine wirklich funktionierende Lösung oft in einem Bereich liegt, der aufgrund der vielen Herausforderungen einer Lebens-Problematik übersehen wird.

So oft habe ich Gespräche geführt, wo mir klar wurde, wenn man jetzt einen Schritt gehen würde, eine Erkenntnis erfahren würde, wäre das Leid, der Kummer, der Schmerz, wenn auch weiterhin vorhanden, viel erträglicher würde. Dieser Schritt beinhaltet, sich selbst nicht als „Opfer“ zu sehen!

Also um ehrlich gesagt, niemand bezeichnet sich „selbst als Opfer“, diese Begrifflichkeit verwendet wohl kaum jemand. Als Teenager habe ich ja den Begriff „armselig“ geliebt. Ein anderer wird sich als Ungerecht vom Schicksal behandelt sehen, Überhaupt dieser Aspekt der Ungerechtigkeit, die einem Wiederfährt ist ein wichtiges Element. Obwohl ich nicht leugnen möchte, dass es tatsächlich echte Opfer gibt, Menschen denen wirklich furchtbares widerfahren ist, müssen sie furchtbar selten sein. Mir selbst sind noch keine Menschen begegnet, die wirklich „Opfer“ sind. Eigentlich kenne ich nur Menschen, denen „es viel besser geht, als sie es verdient haben“. Gerade hier im Westen, sind ein Großteil unserer Probleme reine Wohlstandsprobleme, doch ich möchte Leid nicht bagatellisieren, und auch nicht die Tatsache, dass wir das immer persönlich äußerst individuell empfinden.

Doch gerade wir Christen haben diese Option einfach nicht, angesichts der reichen Beschenkung, die uns von Gott widerfährt. Wir sind als Kinder Gottes adoptiert, Erben eines ewigen unvergänglichen Reiches, Berufung zur königlichen Sohnschaft, zu einer direkten Verwandtschaft mit niemand geringerem als Jesus Christus! Angesichts dieses Reichtums ist der eine Misserfolg hier, oder die paar Beleidigungen dort, oder die unzähligen Pannen des Alltags einfach letztlich nicht der Rede wert.

Ich weiß nicht, warum es uns Menschen so häufig naheliegt sich als benachteiligt zu sehen, und es ist ja dann für einen Christen nicht das Schicksal, die Mitmenschen oder sonst was, was uns benachteiligt, sondern immer mindestens indirekt auch Gott, während er uns ja gleichzeitig nur bevorzugt und herzt! Ich gestehe, dass ich mich auch furchtbar gerne als Opfer „meines Schicksals“ sehe. Und hier gilt es sich einfach zu erinnern, welchen Reichtum wir in Christus haben: Gerechtfertigt, Gerufen, Gereinigt, Gerettet, Gutes Gewissen! (Manch einer würde hier von 5 G sprechen :-)). Mit diesem Artikel möchte ich sowohl mich selbst wie auch dich mein lieber leidender Leser daran erinnern: Du bist kein Opfer! In Christus bist du unerwartet reich beschenkt. Nicht mit Gold erkauft, sondern mit dem kostbaren Blut Christi. Jede meiner Mails signiere ich schon seit vielen Jahren mit einem eindrucksvollen Zitat von John Trapp: „He who rides to be crowned, will not mind a rainy day“. Ich finde das so treffend formuliert: Wenn es darum geht, die Krone zu empfangen, wer wird da einem verregneten Tag Beachtung schenken?

Sich selbst als Opfer oder als „armselig“ zu bezeichnen ist aber auch eine Sünde, und keine Kleine: Denn wir machen einerseits Gott zum Lügner. Während er uns sagt: „Ich habe dich je und je geliebt“ sagen wir: „Nein, wir Glauben dir nicht, wir denken du meinst es Böse mit uns!“ Wer nun keinen klaren Blick auf Gott hat, der wird auch sich selbst nicht mehr erkennen können: Und plötzlich ist die Lösung all unserer Probleme eigentlich in der Beseitigung der Fehler unserer Mitmenschen zu finden! Würde mein Pastor besser predigen, wäre ich zufriedener, würde mein Chef freundlicher sein, wäre ich dankbarer, wäre meine Frau tüchtiger, wäre ich treuer usw… Plötzlich erklären wir uns selbst nicht mehr zu „Tätern“ (oder Untätern) des Wortes, sondern „zu Opfern“ des Wortes.

Dich und mich möchte ich also erinnern: Du bist kein Opfer! Ich bin kein Opfer! Wir haben unzählige Geschenke von Gott empfangen, und wenn wir ehrlich sind, wurden wir auch neben den ewigen Reichtümern auch ansonsten von Gott verwöhnt, wir haben einen Verstand, tüchtige Arme, erleben die Vielfalt der Natur, genießen unzählige Speisen, Können wundervolle Musik hören, können kreativ sein und hilfsbereit, können singen und pfeifen, reden und tanzen, spielen und laufen…

Jemand der so reich beschenkt ist, muss sich nicht mehr für ein Opfer halten. Und plötzlich können wir manch einer Herausforderung unseres Lebens mit neuem Mut begegnen!

Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass man sich selbst „zum Nicht-Opfer“ erklären kann. Häufig sind wir irgendwie geradezu geneigt, uns selbst so verkehrt zu sehen – Somit bleibt selbst die Erkenntnis des Beschenkt Werdens ein Geschenk von Gott.

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