Echte Gemeinden haben Gemeinschaft mit verstorbenen Heiligen

 Justin Dillehay:

In meiner Gemeinde ist vor kurzem eine Schwester namens Ann Carman an COVID-19 verstorben und wir trauern immer noch über ihren Verlust. Wir sehen sie nicht mehr, sprechen nicht mehr mit ihr und kommen mit ihr nicht mehr zum Tisch des Herrn.

Obwohl ihr Gesicht in unserer Versammlung fehlt, ist sie immer noch unsere Schwester in Christus. Es gibt Verbindungen, die selbst der Tod nicht trennen kann (Röm 8,38). Ann ist nun Teil der triumphierenden Kirche. Dennoch gibt es auf „mystisch-süße“ Weise eine Gemeinschaft zwischen der Gemeinde auf Erden und der Gemeinde im Himmel.

Ich meine damit nicht, dass wir den Tod leugnen, oder versuchen sollen, mit den Toten zu kommunizieren. Was ich aber sehr wohl meine ist das, was wir in Hebr 12,22-24 finden.

Wohin sind wir gekommen?

In Hebr 12,18-19 beschreibt der Autor, dass das, was die Gemeinde im neuen Bund erlebt, viel besser ist als alles, was im alten Bund möglich war. Mittels einer Anspielung auf Israel am Berg Sinai erklärt er:

Denn ihr seid nicht gekommen zu etwas, das betastet werden konnte, und zu einem angezündeten Feuer und dem Dunkel und der Finsternis und dem Sturm und zu dem Schall der Posaune und der Stimme der Worte, deren Hörer baten, dass das Wort nicht mehr an sie gerichtet werde. (Hervorhebung durch den Autor)

Aber wenn wir nicht zum Berg Sinai gekommen sind, wohin sind wir dann gekommen? Die Antwort findet sich in den Versen 22-24, wo acht Realitäten aufgelistet werden. Drei davon sind für unseren Zweck von besonderem Interesse:

Sondern ihr seid gekommen zu

  1. dem himmlischen Jerusalem (V. 22)
  2. zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind (V. 23)
  3. zu den Geistern der vollendeten Gerechten (V. 23)

Beachten Sie, dass die Heiligen im Himmel immer noch „die Gemeinde“ (ekklesia) sind. Weil sie körperlos sind, werden sie auch „Geister“ genannt. Diese Geister sind die in Kapitel 11 beschriebenen Menschen – jene, die „die Verheißung nicht erlangt (haben), da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollendet werden“ (Hebr 11,39-40).

Und doch sind sie gemäß Hebr 12,23 schon vollendet. Warum? Weil dieses „etwas Bessere“, worauf sie gewartet haben, endlich da ist. Jesus, der Vermittler eines neuen Bundes, ist endlich gekommen und hat „mit einem Opfer die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht“ (Hebr 10,14). Endlich ist das Blut, worauf sie unter Schatten und Bildern vertraut haben, für die Sünden der ganzen Gemeinde vergossen worden, vergangen oder gegenwärtig, lebendig oder tot, im Himmel oder auf Erden (Röm 3,25-26).

Sind wir schon angekommen?

In gewisser Weise ist die Bedeutung dieser drei Aussagen recht einfach. Völlig überraschend ist jedoch die Zeitform des Verbs: nicht „ihr werdet kommen“, sondern „ihr seid gekommen“. Wenn wir uns umschauen, dann scheint das nicht der Fall zu sein. Wie kann die Schrift dann also sagen, dass wir jetzt schon zu diesen Realitäten gekommen sind?

Sicherlich leugnet der Autor nicht, dass noch mehr auf uns zukommt. So vollkommen wie sie sind (in gewisser Weise), warten die Geister der Gerechten immer noch auf ihre Auferstehung (Hebr 6,2) und die Pilger auf Erden „suchen die zukünftige Stadt“ (Hebr 13,14). Trotzdem sind diese Realitäten bereits in aller Deutlichkeit gegenwärtig.

Das ist ein Beispiel der bekannten „Schon jetzt und noch nicht“-Spannung, die sich im ganzen Neuen Testament findet. Trotz der Entfernung zwischen Himmel und Erde, zwischen den Toten und den Lebendigen, zwischen dem Jetzt und der Ewigkeit, sind wir schon jetzt Bürger des himmlischen Jerusalem, schon jetzt in derselben Versammlung eingeschrieben. Ann lebt nun im Schauen, während wir immer noch im Glauben leben – aber wir schauen alle auf denselben Jesus, sind alle mit demselben Mittler verbunden, sind mit demselben Blut besprengt.

Drei Punkte, die Mut machen

1.     Unsere Gemeinschaft mit der Gemeinde im Himmel sollte uns ermutigen, mit Ausdauer zu laufen (Hebr 12,1)

Auf dem Weg, auf den Gott uns ruft, scheint es vielleicht nur wenige Wanderer zu geben (Mt 7,14). Aber wir dürfen uns nicht auf das beschränken, was wir sehen können. Wenn die Toten mit eingeschlossen sind, dann zeigt es sich, dass wir von einer großen Wolke von Zeugen umgeben sind, die dieses Rennen vor uns gelaufen sind und uns auf der Ziellinie begrüßen werden (Hebr 12,1).

Die Gemeinde mag hier auf der Erde wie eine kleine Herde aussehen, aber im Himmel wird sie eine Schar sein, die niemand zählen kann (Offb 7,9).

2.    Unsere Gemeinschaft mit der Gemeinde im Himmel sollte uns ermutigen, wenn wir uns versammeln (Hebr 10,25)

Wir kennen nicht alle Einzelheiten dessen, was dort vor sich geht, aber die Schrift gibt uns eine allgemeine Vorstellung von Anbetung (Jes 6; Offb 5-6). Wenn wir uns also zur Anbetung versammeln, dann können wir uns auf ganz besondere Weise dessen bewusst sein, dass die Wolke von Zeugen im Himmel dasselbe tut. Die Gemeinde auf der Erde und die Gemeinde im Himmel – alle beten denselben Gott an, alle loben denselben Herrn, alle sind mit demselben Geist gefüllt. Sie sitzen um den Thron und im Glauben sitzen wir mit ihnen dort (Eph 2,6).

Was wir an jedem Tag des Herrn tun, ist nur eine Vorschau jenes großen Tages, an dem der Herr zurückkommen und uns versammeln wird, und Erde und Himmel vereint sein werden (Eph 1,10; 1Thes 4,13-18; Offb 21,1-2).

3.   Unsere Gemeinschaft mit der Gemeinde im Himmel sollte uns daran erinnern, dass wir jene, die in Christus sterben, nicht verloren haben

Wenn ein Heiliger in Christus stirbt, dann ist es nicht so, dass die Gemeinde Christi schrumpft, sie wird einfach nur neu sortiert. Ann Carman ist vielleicht nicht mehr Mitglied der Grace Baptist Church, aber sie ist immer noch Mitglied der heiligen katholischen Kirche. Und ich kann mir sicher sein, sie wiederzusehen, weil es ein Band zwischen uns gibt, das stärker ist als der Tod – und dieses Band ist Jesus Christus. Die Heiligen im Himmel sind immer noch genau wie wir Mitglieder seines Leibes. S. J. Stone drückt es im Lied „The Church’s One Foundation” (auf deutsch etwa: „Das eine Fundament der Kirche“) so aus (übersetzt aus dem englischen Original):

Doch ist sie eins auf Erden
Mit dem dreieinen Gott
Und hat mystisch-süße Gemeinschaft
Mit jenen, deren Ruhe bereits errungen ist.

Wenn du also an deine Brüder und Schwestern denkst, die gestorben sind, wenn du dich mit deiner kleinen Herde (mit Abstand) versammelst, und wenn der Himmel immer noch ewig weit weg scheint, dann denk an Hebräer 12,22-24. Erhebe im Glauben deine Augen und sehe, wohin du gekommen bist.

 

Ein Artikel von Justin Dillehay, Real Churches Commune with Dead Saints, v. 23.02.2021. (Download als .pdf).

Übersetzt von Viktor Zander mit freundlicher Gehehmigung von The Gospel Coalition.

 

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