Es gibt unter meinen Brüdern einige, die eine Rasierpflicht befürworten. Ich habe mit solchen Brüdern schon einige, wenn auch nicht viele Male reden können. Doch mir ist mit der Zeit klar geworden, dass ich in den Gesprächen die falschen Fragen gestellt habe.
Das zeigt mir einmal mehr, wie wichtig regelmäßige und beständige Gespräche sind – auch um die eigenen Argumente zu schärfen.
Die eigentliche Frage
In diesem Artikel möchte ich die eine Frage formulieren, die ich heute für die sinnvollste halte. Vielleicht ist sie nicht die wichtigste theologische, aber sie kann das Gespräch öffnen. Ich denke, ich habe die Frage nach dem Rasiergebot in den Gesprächen immer zu theologisch abstrakt begonnen, anstatt einfach situativ zu fragen, wie mein Gegenüber zu dieser Überzeugung gekommen ist..
Meine Frage lautet:
Hast du, der du ein Rasiergebot für biblisch hältst, schon einmal erwogen, dass du in diesem Punkt irren könntest? Prüfst du deinen Standpunkt anhand der Schrift?
Warum ich frage
Ich selbst verwerfe ein Rasiergebot, aber jedes Mal, wenn ich davon gehört oder es in Gesprächen zur Sprache kam, habe ich es neu geprüft – nicht wegen meines Bartes (ich würde mich auch ohne Rasiergebot rasieren), sondern weil ich es meinen Brüdern schuldig bin, ihre Argumente ernst zu nehmen.
Für mich ist das eine Sache der Ehre und auch eine geistliche Pflicht. Denn „prüft alles, das Gute behaltet“ ist ein Ratschlag, den es zu beherzigen gilt.
Mein ernsthaftes Ringen
Nach einer erneuten Konfrontation mit dem Rasiergebot an diesem Sonntag, habe ich wieder viele Stunden im Gebet und im Wort Gottes verbracht. Ich habe mich selbst auf falsche Motive geprüft und sogar gehofft, dass Gott mir zeigt, dass an diesem Gebot etwas Gutes sei – einfach weil es mir schwerfällt zu glauben, dass so viele eifrige und ehrenwerte Brüder irren sollten.
Doch nach aufrichtigem Ringen kam ich wieder zum selben Ergebnis: Ich empfinde das Rasiergebot als schlecht – nicht neutral, sondern gefährlich, weil es Recht und Unrecht verdrehen kann. Ich kann die Mahnungen der Schrift dazu nicht übergehen.
Natürlich kann ein Bart ein Götze sein. Aber auch das glattrasierte Gesicht kann zum Götzen werden. Eitelkeit ist keine Frage der Haarlänge.
Die Frage an dich, lieber Bruder
Ich möchte dich, mein Bruder, ganz direkt fragen:
Hast du wenigstens einmal erwogen, Kritik am Rasiergebot zuzulassen? Dieses Festhalten an dieser Regel zu überdenken?
Ich sehe nur vier mögliche Antworten auf diese Frage. Hier sind sie:
a) Die Frage ist zu kompliziert
Es ist wohl möglich, dass man meine Frage nicht versteht, dass sie zu kompliziert ist. Ich muss mich für meine schwerfällige Ausdrucksweise entschuldigen. Ich klinge häufig wie ein akademischer Bauer, oder ein bäuerlicher Akademiker. Weder besonders umgangssprachlich, noch sonderlich elegant. Das tut mir leid. Ich habe versucht meine Frage deutlich zu formulieren, wenn du weitere Erläuterungen benötigst, werde ich versuchen die Frage detaillierter zu beantworten.
b) Eine Prüfung ist nicht nötig
Man kann diese Frage auch verneinen – sie sei keine Prüfung wert. Aber dann frage ich dich:
Was müsste passieren, damit du eine Überzeugung prüfst?
Wie erfüllst du das Gebot, „alles zu prüfen“?
Ich verstehe schwer, warum ich und andere Christen das Rasiergebot prüfen sollten, aber du nicht deinen eigenen Standpunkt. War meine eigene Selbstprüfung, die ich oben geschildert habe, somit auch falsch? Habe ich falsch gehandelt, dass ich überhaupt anfing, deine Argumente zu prüfen? Sind Selbstprüfungen grundsätzlich unnötig? Was muss geschehen, damit Selbstprüfungen anfangen können?
c) Die Frage wurde geprüft
Wenn du die Frage geprüft hast und dennoch das Rasiergebot so wichtig findest, dass du dafür sogar eine Exkommunikation) damit rechtfertigst, dann muss ich dich fragen:
Was sind deine Argumente?
Hilf mir, deine Überzeugung zu verstehen. Ich bin bereit zuzuhören.
d) Die Frage ist unwichtig
Vielleicht hältst du das Thema für nicht besonders wichtig. Aber dann frage ich:
Warum reagieren so viele so empfindlich, wenn ich das Thema anspreche?
Wenn es unwichtig ist, sollte ein Gespräch darüber keine Unruhe stiften. Doch genau das geschieht oft. Warum?
Einladung zum Gespräch
Meine Brüder und Schwestern:
Jeden, der auf diese Frage antwortet, ob persönlich oder per Mail an pauli. sergej@ gmail.com
, lade ich herzlich ein – zu einem gemeinsamen Kaffee und Gebet.
Ich bin gespannt auf eure Antworten und wünsche euch die Nähe Christi, die alle Vernunft übersteigt!
Hallo Bruder Sergej,
Jetzt hattest du mich mit der Überschrift neugierig gemacht.
Nach all meinen Gesprächen mit unterschiedlichen Brüder, hatte keiner das Rasiergebot als biblisches Gebot dargestellt, jedoch aufgrund unterschiedlichster Gründe als „angebracht“ erklärt. Vielleicht wird es von manchen als besonders geistlich angesehen sich den Bart zu rasieren. Dem kann ich jedoch nicht folgen.
Als wesentlicher Grund wurde, wie du selbst schon sagst, die Eitelkeit angebracht. Eine schwierige Aussage, wenn man bedenkt in wievielen Sachen wir Eitelkeit beweisen können (und vielleicht tun). Sei es von den Haaren (Frisuren), der Kleidung (Fliege oder Krawatte), Hosenschnitt oder andere Kleidung. Warum der Bart hier eine besondere Stellung hat, weiß ich nicht.
Sachlich festzustellen ist, dass im Alten Testament das Bart-Tragen durchaus thematisiert wurde und als Gebot festgehalten ist (3. Mose 19,27, 3. Mose 21,5).
Im Neuen Testament findet sich keine Anweisung oder Hinweis auf den Bart. Doch was bedeutet das?
Mancher wird argumentieren (so gehört), dass das Gebot aus dem Alten Testament für die Juden galt und wir Heiden und Europäer sind und damit uns nicht betrifft. Was aber bedeutet es, wenn das Neue Testament davon nicht spricht? Bedeutet es, dass wir keinen Bart tragen sollen? Was ist, wenn etwas im NT nicht thematisiert wird? Diese Frage gilt für ganz viele Sachen. Aus dem Nicht-Vorhanden-Sein ein Verbot abzuleiten wäre gefährlich. Das zu den Argumenten.
Persönlich bin ich der Überzeugung, dass es kein biblische Lehre ist sich den Bart zu rasieren. Es ist legitim als Gemeinde sich Regeln zu definieren, die nicht in der Bibel begründet sind. Alles hat natürlich irgendwo Grenzen, aber grundsätzlich halte ich das für legitim für eine Gemeinde.
Kulturell ist der Bart schon jeher unterschiedlich gewesen und hat sich sicherlich immer wieder gewandelt. Das Europäer keine Bärte tragen halte ich für ein Irrtum. Man bedenke nur die Iren, bei denen wahrscheinlich bei allen von uns ein baskentragender Mann mit Vollbart vor den Augen erscheint.
Ich bin weder für das Bart tragen noch dagegen – es ist eine persönliche Entscheidung. Anmerken möchte ich, dass in heutiger Zeit in der Verwischung der Geschlechter der Bart durchaus eine Symbolkraft hat. Von daher, wäre es vielleicht besser einen zu tragen – ohne es als biblische Lehre zu benennen.
Gruß,
Hallo David, danke für diesen umfangreichen und sachlichen Kommentar und die darin ausgedrückte Unterstützung meines Anliegens!
Grüße
Wenn eine Regel nicht biblisch begründet ist, darf sie nicht zum Maßstab für geistliche Reife oder zur Bedingung für Gemeindeleben gemacht werden. Gemeindeordnungen dürfen nicht mit der Heiligen Schrift gleichgestellt werden. Eine Gemeinschaft kann Ordnungen für Struktur und Ablauf festlegen – aber äußerliche Vorschriften wie ein Bartverbot greifen ins persönliche Gewissen ein und dürfen nicht gesetzlich eingefordert werden. Sonst entsteht die Gefahr, dass menschliche Tradition über Gottes Wort gestellt wird (vgl. Markus 7,8–9).
ja klar, was ihr schildert ist natürlich in gewisser Weise „basic“, Grundlogik, nicht wirklich komplizierte Theologie. Trotz meines Artikels, trotz meiner Ausführungen und auch trotz meines sonstigen Bemühens bei meinem Thema, gehe ich aber nicht davon aus, dass wir irgendetwas erreichen werden. Das glaube ich wirklich nicht (auch wenn natürlich alle Dinge möglich sind bei Gott), dass hier ein Umdenken bei den Verantwortlichen eintreten wird. Nicht die Hoffnung auf Veränderung hat mich zum Schreiben bewegt, sondern die Verpflichtung zur Wahrheit. ansonsten würde mir mein Gewissen keine ruhige Minute mehr lassen.
Hallo Bruder Sergej,
Im Neuen Testament gibt es kein ausdrückliches Verbot oder Gebot in Bezug auf das Tragen eines Bartes. Diese Frage gehört eher zur kulturellen und traditionellen Praxis als zur theologischen Lehre.
Was sagt das Neue Testament?
Das Neue Testament enthält keine einzige Stelle, die sich direkt auf einen Bart bezieht.
Die einzige Erwähnung des äußeren Erscheinungsbildes finden wir bei Paulus in 1. Korinther 11,14–15, wo es um die Haarlänge bei Männern und Frauen geht – aber kein Wort über Bärte.
Es wird angenommen, dass Jesus Christus und die Apostel Bärte trugen, was der jüdischen Kultur jener Zeit entsprach.
Warum verbieten manche Gemeinden Bärte?
In einigen baptistischen Gemeinden (vor allem in konservativen oder fundamentalistischen) wird ein Bart manchmal mit Rebellion, Nachlässigkeit oder einem „weltlichen“ Stil assoziiert – besonders, wenn es sich um modische oder provokante Erscheinungen handelt.
Dies ist kein biblisches Gebot, sondern vielmehr eine interne Regel der Gemeinschaft, die auf dem Wunsch basiert, ein „frommes“ äußeres Erscheinungsbild zu fördern.
️ Grundsatz des Neuen Testaments
Der Fokus liegt auf dem inneren Zustand des Menschen, nicht auf seinem äußeren Erscheinungsbild.
Der Apostel Paulus betont, dass Glaube, Liebe und Reinheit des Herzens wichtiger sind als äußere Rituale und Traditionen.
Wenn also in einer Gemeinde Bärte verboten werden, ist dies nicht auf das Neue Testament zurückzuführen, sondern eher auf traditionelle oder kulturelle Vorstellungen dieser Gemeinschaft.
❓ Ist ein Bartverbot eine Sünde?
Aus der Sicht des Neuen Testaments ist Sünde ein Verstoß gegen den Willen Gottes, nicht gegen menschliche Traditionen. Da die Schrift kein Verbot oder Gebot bezüglich eines Bartes enthält, kann ein solches Verbot nicht im biblischen Sinne als Sünde bezeichnet werden.
Aber:
Wenn eine Gemeinde eine Person vom Gemeindeleben oder von der Mitgliedschaft ausschließt, nur weil sie einen Bart trägt, kann das dem Geist des Evangeliums widersprechen, dessen Mittelpunkt Glaube, Buße und Nachfolge Christi ist – und nicht das äußere Erscheinungsbild.
️ Trägt die Gemeinde Verantwortung?
Wenn eine Gemeinschaft Regeln aufstellt, die nicht auf der Schrift beruhen, und dadurch den Zugang zum Leib Christi auf äußere Merkmale beschränkt, kann sie geistliche Verantwortung tragen, weil sie menschliche Traditionen über Gottes Gnade stellt.
Im Evangelium hat Jesus die Pharisäer oft getadelt, weil sie „Menschengebote lehren als göttliche Lehre“ (Matthäus 15,9).
Wenn eine Gemeinde jemanden wegen eines Bartes ausschließt oder herabsetzt, kann das ein Zeichen religiösen Formalismus sein – nicht aber von Liebe und Wahrheit.
️ Was tun in so einer Situation?
Wenn du oder jemand anderes mit solch einem Verbot konfrontiert wird, ist es gut, um Weisheit und Unterscheidung zu beten und die Gemeinschaft mit Gläubigen zu suchen, in der das Innere und nicht das Äußere zählt.
LG Oleksii
Hallo Sergej
Wenn es sich jemand im Herzen als gute Tugend vornimmt, so finde ich das eine feine Sache.
Wenn es aber jemanden anderen Vorgeschrieben wird, so vertrete ich die Meinung wie in Kolosser 2,20-23 beschrieben wird.
Weil in punkto Bart das Gebot leicht zu erfüllen und leicht zu kontrollieren ist.
Moin Simon. Ja an Kol 2,20-23 denke ich auch. Ich nehme an, die Vertreter eines Bartgebotes würden in so einem Fall damit argumentierne, dass in Kol. 2,20 andere „noch gesetzlichere Dinge“ gemeint sind nicht „Ordnungen einer Gemeinde“ in etwa so. Nicht dass ich der Argumentation folge, aber man muss sich natürlich Mühe geben, auch die Gegenseite zu verstehen.
Hallo in die Runde,
tatsächlich war im Alten Testament das Tragen eines Bartes für Männer üblich und mit Ehre, Männlichkeit und religiöser Identität verbunden. So heißt es in 3. Mose 19,27: „Ihr sollt den Rand eures Haupthaares nicht rundherum abschneiden und euren Bart nicht zerstören.“
Auch die messianische Prophetie in Jesaja 50,6 zeigt, dass JESUS einen Bart hatte: „Meinen Rücken bot ich dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mir den Bart ausrissen.“
Damit ist klar, dass das Barttragen zur biblischen Kultur gehörte und JESUS selbst diesen sichtbaren Ausdruck männlicher Identität trug. Im Neuen Testament finden wir kein Verbot oder eine negative Bewertung des Bartes. Ein Verbot des Bartes lässt sich weder aus dem Alten noch aus dem Neuen Testament ableiten.
Wichtig ist, dass wir als bibeltreue Christen die Bibel als Maßstab nehmen. Wie es in in 2. Timotheus 3,16–17, dass alle Schrift von Gott eingegeben ist und uns zur vollkommenen Rüstung dient.
Darüber hinaus warnt Jesus selbst in Markus 7,8–9 davor, menschliche Traditionen über Gottes Gebote zu stellen: „Ihr verlasst das Gebot Gottes und haltet an der Überlieferung der Menschen fest.“ Wenn Gemeinden Regeln aufstellen, die nicht biblisch begründet sind, und daraus geistliche Maßstäbe machen, laufen sie Gefahr, das Evangelium zu verstellen.
Deshalb sollten wir in der Brüderlichkeit offen und demütig bleiben, auch wenn es um Fragen wie das Barttragen geht. Wer starr an menschlichen Ordnungen festhält, setzt eher Tradition als Gottes Wort an erste Stelle
Danke für den Hinweis auf Jes. 50,6 bisher dachte ich, dass man auf Jesu Bart nur indirekt schlussfolgern konnte. Diese Stelle hatte ich nicht auf dem Schirm!
Die anderen Argumente, da gebe ich dir natürlich recht, und habe vieles davon auch schon auf diesem Blog geschildert. Es war nicht Absicht meines Artikels das Rasiergebot zu wiederlegen, oder Argumente dagegen aufzuführen, von denen sich sehr viele finden würden. Es wäre sowieso, wenn schon, dann leichter ein Rasiergebot als ein Rasierverbot aus der Schrift herzuleiten.
Grüße
Sergej