Get Rich or Die Tryin’ ?

Für Philipp K.: Besser viel zu spät, als nie!

“Als aber Jeschurun fett ward, wurde er übermütig. Er ist fett und dick und feist geworden und hat den Gott verworfen, der ihn gemacht hat. Er hat den Fels seines Heils gering geachtet” (5. Mo. 32,15)

Kaum ein Thema brennt mir länger und dringender unter den Fingernägeln als dieses: “Die Gefahr der Geldliebe”. Ich bin tief bekümmert, wahrzunehmen, wie wir Christen hier im Westen materiell immer reicher werden, doch das geistliche Leben dabei auf der Strecke bleibt. Mir scheint, dass diese Entwicklung russlanddeutsche Christen mehr und schmerzhafter trifft, als andere Christen, da unsere Väter, vor 20-40 Jahren mit kaum Vermögen anfingen, in schlecht bezahlten Berufen ihr Unterhalt verdienten. In wenigen Jahren änderte sich hier einiges: Die Väter verzichteten auf Urlaub, für uns müssen es mehrere im Jahr sein, und Europa als Urlaubsziel genügt meist kaum noch. Die Väter genügten sich an den einfachen No-Name-Produkten aus dem Aldi, für uns zählen “Marke und Qualität”. Nun sind solche wirtschaftlichen Veränderungen oft ganz natürlicher Art und man kann nicht sagen, dass ein Armer generell freier von Gier und Neid und Geldliebe sei. Meine Alarmglocken klingen aus anderen Gründen:

Bagatellisierung der Geldliebe

“Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.” (Mt. 6,33)

Am allermeisten beunruhigt mich, wenn die Gefahr der Geldgier von unseren Kanzeln heruntergespielt wird. Wenn ich an einen beliebten Predigttext aus der Bergpredigt denke: Mt. 6,24-33. Da erinnert uns der Text daran, dass wir nicht zwei Herren dienen können, und entweder Gott oder dem Mammon dienen werden. Entweder einen lieben und den anderen verachten werden oder umgekehrt. Dass unser Sammeln in die irdischen Scheunen töricht ist, denn Gott sorgt! Deswegen dürfen wir unbesorgt zuerst Gott dienen und zuerst nach Gottes Reicht und seiner Gerechtigkeit trachten! (Mt. 6,33). Dieser Text drängt den Prediger entschieden dazu, darüber zu sprechen, wie töricht Geldliebe ist. Doch was ertönt? Zu häufig bleibt der Prediger vor allem dabei stehen,  dass es auch gute Gläubige gab, die reich waren, man kenne schließlich Abraham, Isaak und David…Das klingt doch ganz so als sei es bereits einige tausend Jahre her, als die letzten Gläubigen lebten, die sich nicht von ihrem Reichtum beherrschen ließen? Doch Mt. 6,24-33 spricht nicht darüber, dass Abrahams Reichtum seinem geistlichen Leben nicht geschadet hätte, sondern darüber, dass wir Gott verachten werden, wenn unser Herz dem Mammon anhängen wird.

Ich bin gewiss, dass ich hier nicht kein kleines Problem unnötig aufblase, denn die furchtbarste Entartung von Mt. 6,33, die ich jemals gehört habe, ließ man den Prediger schadlos gelingen: Da sprach einer, wie sehr wir uns doch nach Sicherheit, guten Renten, Speis und Trank und Kleidung sehnen, und nun wisse er eine Weg für eine sichere Altersversorgung: Stelle Gottes Reich auf den ersten Platz, und dann wirst du all das bekommen! Und keiner lachte oder weinte! Als würde man gerade mit diesem Prinzip ja eben nicht mehr das Reich Gottes, sondern seine Sicherheit und Versorgung auf den ersten Platz stellen! Der Gierige schafft es, selbst die Zusagen von Gottes Sicherheit in die Verkündigung eines Wohlstandsevangeliums umzuwandeln. Der Prediger verwarf Christus und die Gemeinde sagte Amen dazu!

Als wäre Gier nicht todgefährlich! Als hätten wir nicht ein Problem mit der Geldliebe, die uns lustlos, träge, oberflächlich, oder mit den Worten von 5. Mo. 32,15 zu jemanden macht, der Gott verwirft, weil wir den Fels unseren Heils gerichtet haben. Ich fühle mich durch solche Texte unendlich durchschaut! Die Gefahr durch Wohlstand Gott zu verwerfen ist so schleichend, dass ich sie oft nicht merke. Mt. 6,24,33 klagt mich furchtbar an, genauso wie 5. Mo. 32,15: Ich bin ebenso fett und gleichgültig geworden, einzig und allein durch irdische Versorgung.

Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen

“Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen!” (Mk. 10,23-24)

Das sollte uns zutiefst bekümmern, dass wir ohne zu erschrecken und schockiert zu sein von Jesu Gespräch mit dem reichen Jüngling reden können. Warum sollte ein Reicher zutiefst zu bedauern sein? Ist Reichtum nicht ein Geschenk aus den endlosen Kammern Gottes? Wenn Gott die Sperlinge versorgt, sollte er nicht auch einige seiner Lieblingskinder mit besonders ausgiebigen Reichtümern versorgen?

Ist uns schon einmal aufgefallen, dass Jesus nur bei der Gruppe der Reichen unterstreicht, dass es ihnen unmöglich ist, in das Reich Gottes zu kommen? Jesus sagt nicht, dass es z.B. den Sündern schwer fallen wird, ins Reich Gottes zu kommen oder gar den Pharisiäern. Gerade bei seiner Begegnung mit einem wohlhabenden jungen Mann macht er diese Aussage, die seine Jünger entsetzt hat!

Das zeigt uns, dass von allen Gefahren, die uns daran hindern könnten, ins Reich Gottes zu gelangen, es vor allem der Reichtum ist, der uns am ehesten daran hindern kann. Jesu bekümmertes Seufzen über den Reichtum des Jünglings war aufrichtig! Und schlägt voll in unsere Kerbe, “doch mal ausgesorgt zu haben”. Wer kennt nicht diese, meist halb ironisch geführten Stammtischgespräche darüber, was man alles anstellen würde, wenn man im Lotto gewinnen würde. Wie schnell baut man sich Luftschlösser: Endlich ausgesorgt. Endlich keine Arbeit. Endlich keine Sorgen.

Aber unsere Sorgen, unsere Arbeit, unsere tägliche Müh ist eine viel geringere Gefahr für unser Seelenheil als der Reichtum: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Gott gebe uns Gnade, dass uns dieses Wort quält, wenn wir vor dem nächsten unerwarteten Geldsegen stehen oder vor der nächsten Erwerb eines Luxusartikels.

Armut und Reichtum gib mir nicht?

Armut und Reichtum gib mir nicht; lass mich aber mein Teil Speise dahin nehmen, das du mir beschieden hast. Ich könnte sonst, wenn ich zu satt würde, verleugnen und sagen: Wer ist der HERR? Oder wenn ich zu arm würde, könnte ich stehlen und mich an dem Namen meines Gottes vergreifen (Spr. 30,8-9)

Die Sichere soziale Versorgung im Westen macht uns blind für eine ausgewogene Einschätzung dessen, was Reichtum und was Armut bedeutet. Wir sprechen gerne davon, dass wir zum Mittelstand gehören, vielleicht sogar nur zum unteren Mittelstand der Arbeiterschicht. In unsere Dorf jedenfalls besitzen mehr Familien drei Fahrzeuge als bloß eines. Die Regel besteht aus zwei Fahrzeugen. Ich frage mich, wie wir uns ein zweites Fahrzeug unterhalten sollten? Also sind wir wohl eher “die Unterschicht”. Dafür würde sprechen, dass nur ein geringfügig niedriges Einkommen uns berechtigen würde, Wohngeld und Kindergeldzuschlag zu empfangen. Was ist es, dass unsere “Armut” ausmacht? Ist es die Zahl der Kinder? Denn gemessen an meinem Gehalt liege ich über dem durchschnittlichen Einkommen in diesem Land. Bezeichne ich mich als “eher” arm, obwohl ich “eher” reich bin? Legt die Staatsbürokratie durch das Festlegen von sozialen” Stützgrenzen” fest, wann man arm wird?  Einerseits haben wir ein Eigenheim, oder gehört es doch der Bank? Denn werde ich arbeitsunfähig, haben wir das Heim sehr schnell wieder los, und wehe, wenn die Zinsen zum Zeitpunkt der Umfinanzierung weiter steigen? Was bin ich also: reich oder arm?

Ich bin derart blind durch meine Geldgier, dass ich nicht einmal definieren kann, was “arm sein” bedeutet, und was “reich sein” bedeutet.  Eins ist klar: Sprüche 30,8-9 klingt bizarr aus dem Munde dessen, der gerade seinen nächsten All-Inclusive-Ägypten-Urlaub plant. Unwissenheit wird hier aber ebenfalls nicht vor Schaden schützen: Denn  sich als “arm zu bezeichnen” ist nur ein äußerst bescheidener Schutz für die Wurzel allen Übels, die Geldgier. Oder mit den Worten Salomos: “Mancher stellt sich reich und hat nichts, und mancher stellt sich arm und hat großes Gut.” (Sprüche 13,7)

Am Zeichen des Hummers

“Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.” (Lukas 12,15)

Als Familie verfügten wir eine Zeitlang über ein unerwartetes Einkommen. Man, gab das Sicherheit! Und plötzlich Möglichkeiten, nicht jeden Erwerb “abzuwegen und durchzurechnen”. Plötzlich kaufte man das, auf was man Lust hatte. Mich veränderte das gerade beim Einkauf von Lebensmitteln: Jetzt musste ich nicht mehr auf die Angebote schauen, sondern nach Lust und Laune das probieren, was man “schon immer mal” essen wollte. So musste gar mal ein Hummer in den Warenkorb!

Bei der Zubereitung eines aufwendigen Gerichts, durchzog es mich dann: Mehr als eine Mahlzeit geht einfach nicht in den Magen rein. Nach “satt” kommt nur noch “verfressen”. Und obwohl die Möglichkeit bestand, nach Gericht A, auch noch B und C zu “finanzieren”, war das schlicht unmöglich. “Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat”, habe ich damals angefangen zu verstehen.

Der Hummer macht mich nicht glücklicher als ein einfaches Wurstbrot. Tatsächlich hat er mir gar nicht geschmeckt, und ich würde auch weiterhin ein einfaches Nudelgericht bevorzugen. Jesu Wort klagt mich an: Wenn ich während einer Mahlzeit daran denke, was ich hätte sonst essen können, jagt mich die Habgier. Wenn ich nun, nachdem das zusätzliche Einkommen versiegt ist, wieder den Einkauf auf “notwendige Lebensmittel” reduziere und dabei das Gefühl habe, dass mir etwas entgeht, regiert mich die Habgier!

Minimalversorgung

 “Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns damit begnügen. Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis. (1. Tim. 8-9)”

Dieser Artikel ist jemanden gewidmet, der ein überzeugter Minimalist ist. Ich bin es nicht; ich gestehe ein, dass ich nicht ganz überzeugt von diesem Lebensmodell ist. In meinen Augen ist es mir immer noch zu viel Beschäftigung mit “irdischen Dingen”, nur “aus der anderen Seite”. Für mich ist es immer noch zu sehr ein hin und her abwägen dessen, was “noch nötig ist” und was nicht. Es ist für mich nicht ganz das, was Paulus bekennt, wenn er sagt: “Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie’s mir auch geht. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden” (Phil 4. 11,12) .

Auch kenne ich nicht so ganz überzeugende Varianten des Minimalismus: Da wird zwar einerseits die Wohnung kaum geheizt, aber andererseits sollen die Kinder ordentlich Karriere machen.

Dennoch glaube ich, dass der Minimalismus etwas wahrnimmt und bekämpft, dass wir auf der anderen Seite kaum noch angehen: Die Wurzel der Habsucht. Dieser gefährlichste aller Götzen (nach Kol. 3,5). Das gibt einen dringenden Ausblick:

  • Warum willst du etwas Haben? Im Wort Habsucht klingt das mit, dass man seine Identität im Besitz sieht.
  • Ein eifersüchtiger Gott der unsere Liebe haben will, wird unsere Götzen zerstören. Für die Auserwählten ist das Schrumpfen des Wohlstands also ein Segen
  • Aktives Töten der Fleischesglieder, zu denen die Habsucht gehört. Jedes mal wenn uns “etwas entgeht” ist es eine Möglichkeit von der Habsucht zu Gott umzukehren
  • Gott sagt uns nur eine Minimalversorgung zu. 1. Tim. 8-9 sagt etwas, dass häufig in der Bibel wiederholt wird, z.B.: “Seid nicht geldgierig, und lasst euch genügen an dem, was da ist.” (Heb. 13,5) Gott sagt uns nicht Reichtümer, sondern “nur” Nahrung und Kleidung zu.  Echte Reichtümer erwarten uns in der Gemeinschaft mit Gott.  Wir brauchen das Entsetzen der Jünger:

“Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden?  Jesus sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.” (Mk. 10,26-27)

2 Kommentare

  1. Für mich war es die größte Freude, als mein Enkel an seiner Hochzeit erzählte: “Wir hatten ja nie viel Geld, was die Eltern nicht so raushängen ließen, aber was man ab und zu mitbekam, wenn sie Halleluja rufend durchs Haus rannten, weil irgendein anonymer Spender eine Rechnung bezahlt hatte.” Und dann dankte er ihnen mit den Worten: “Ich danke euch, dass ihr uns gezeigt habt, dass man von Gott abhängig leben kann.” Und ich dachte: Wow, das ist der größte Schatz, den sie ihm mitgeben konnten. Wer das begriffen hat, ist wirklich gesegnet.
    Ich mag den biblischen Begriff “Genügsamkeit” mehr als “Minimalismus”. Genügsamkeit bedeutet für mich, mein Weniges mit Dankbarkeit zu genießen – nicht unbedingt zu versuchen, so wenig wie möglich zu besitzen, aber alles, was ich habe, in seinen Dienst zu stellen und im Auftrag Gottes zu verwalten.

    1. Vielen Dank für diesen Kommentar.
      Ich gebe dir recht. Wobei ich in meinem eigenen Leben, der ich regelmäßig mal pleite bin, dennoch gerade in diesem “nicht viel besitzen” meine Habgier sehe (davor zu viel ausgegeben zu haben).

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