Ein Artikel von Carl R. Trueman
Berichte über finanzielle Schwierigkeiten und den Mitgliederschwund großer amerikanischer Konfessionen sind inzwischen so alltäglich geworden, dass sie oft nur noch mit Achselzucken wahrgenommen werden. Doch hin und wieder erscheint ein Bericht, der Aufmerksamkeit erregt. Ein kürzlich veröffentlichter Artikel des Religion News Service gibt hilfreiche Einblicke, warum „protestantische Konfessionen Mitglieder verlieren, insbesondere die Episkopalen, Presbyterianer, Methodisten und andere historische Mainline-Denominationen“, was auch die Southern Baptist Convention (SBC) einschließt. Konservative Christen sollten aufmerksam sein: Die Erwähnung der SBC ist deshalb bemerkenswert, weil sie im Gegensatz zu den anderen genannten Kirchen theologisch konservativ ist – während letztere „durch Spaltungen geschwächt wurden, als sie sich in fortschrittliche Richtungen entwickelten“.
Der verlinkte Artikel zeigt ironischerweise ein Foto von zwei queeren Geistlichen. Wenn es je ein Mittel gäbe, die Botschaft der Kirche bedeutungslos zu machen und ihre Existenz überflüssig erscheinen zu lassen, dann wäre das wohl die bewusste Annahme von Queerness. Die Queer-Theorie ist ein perfektes Werkzeug, um jede „unterdrückende“ Dogmatik oder den Anspruch auf transzendente Wahrheit zu zerschlagen. Doch wenn die Kirche keine Wahrheit mehr zu verkünden hat – wozu existiert sie dann noch? Oder konkreter: Warum sollte sich überhaupt noch jemand mit ihr beschäftigen?
H. Richard Niebuhr brachte die Irrelevanz des liberalen Protestantismus treffend auf den Punkt: „Ein Gott ohne Zorn brachte Menschen ohne Sünde in ein Reich ohne Gericht durch die Dienste eines Christus ohne Kreuz.“
Und doch wirkt selbst das noch äußerst robust im Vergleich der Vorstellung eines queeren Jesus und eines Evangeliums, das offenbar keinen anderen Zweck hat, als die traditionelle Christenheit zu kritisieren und die fluiden Identitäten autonomer Individuen zu bejahen. Einer der Gründe für das Sterben vieler Kirchen ist, dass Gottes Wahrheit in ihnen schon vor vielen Jahren gestorben ist. Wir leben lediglich in einer Zeit, in der die Zinsen für diese Entwicklung fällig werden.
Kürzungen in den Verwaltungsstrukturen dieser Kirchen scheinen schnell und tiefgreifend zu erfolgen. Das verweist jedoch auf ein weiteres Problem des amerikanischen Christentums: eine über Jahrzehnte gewachsene Tendenz, kirchlichen Agenturen mehr Bedeutung zu geben als der Arbeit in den Ortsgemeinden. Ein Blick auf den Geldfluss zeigt meist recht klar, was einer Organisation am wichtigsten ist. Überbezahlte Verwaltungsstellen sind ein gutes Beispiel dafür.
Das betrifft übrigens nicht nur liberale Kirchen. Auch in konservativen presbyterianischen Kreisen gibt es Denominationen, in denen Leiter kirchlicher Agenturen mehr als 300.000 Dollar im Jahr verdienen – und damit deutlich mehr als die Gemeindemitglieder oder selbst die bestbezahlten Pastoren. Dabei sind es die Pastoren, die Woche für Woche predigen und die eigentliche Gemeindearbeit leisten.
Ralph McInerny sagte einmal: Wenn ein Sporttrainer mehr verdient als die besten Professoren einer Universität, läuft etwas grundsätzlich falsch. Dieses Prinzip gilt auch für Kirchen. Auch andere, noch nicht in der gleichen Krise steckende konservative und orthodoxe Konfessionen sollten daraus lernen. Die Schwierigkeiten der SBC zeigen, dass das Problem des Kirchenschwunds nicht nur die betrifft, die die Auferstehung leugnen oder Gottes Pronomen selbst wählen. Vielleicht liegt es genauso sehr an falschen Prioritäten wie an einem Mangel an Rechtgläubigkeit.
Diese Botschaft scheint bei bei einigen kirchlichen Verantwortlichen anzukommen, die nun stärker auf Basis- und Gemeindearbeit setzen wollen. Und sie erkennen dabei zurecht eine zunehmend anti-institutionelle Haltung in der heutigen amerikanischen Kultur. Scott Thumma, Co-Direktor des Hartford Institute for Religion Research, bemerkt, dass „organisierte Religion“ viele Menschen heute nicht mehr anspricht – dass es aber dennoch „viele gibt, die sich für Spiritualität interessieren, für eine Art gemeinsames Erleben von etwas Höherem –, nur nicht in diesen traditionellen Formen.“
Darin liegt das tiefste Problem, mit dem die Kirchen heute konfrontiert sind: die Trennung von „Spiritualität“ und christlichem Glauben und Praxis – etwas, das nur im kirchlichen Kontext sinnvoll gelebt werden kann. In den letzten Jahren gab es immer wieder Rufe nach einer „Wiederverzauberung“ der Welt – also der Vorstellung, dass viele unserer heutigen Krisen (ob moralischer, identitätsbezogener oder existenzieller Natur) aus einer rationalistischen Weltanschauung stammen. Bis zu einem gewissen Punkt kann man dem zustimmen: Die Welt ist mehr als Materie, das Leben mehr als ein biologischer Prozess – so wie die Decke der Sixtinischen Kapelle mehr ist als bloß Farbe auf Putz.
Und doch: Metaphysische Tiefe zu sehen ist nicht dasselbe wie Wahrheit zu sehen. Die Propheten Baals lebten in einer „verzauberten“ Welt – doch hat sie sie nicht gerettet. Wahrsager und Astrologen leben auch in einer „verzauberten“ Welt – bieten aber nur Unsinn. Wenn Verzauberung lediglich bedeutet, die Welt als geheimnisvoller zu betrachten, ist sie als Idee nutzlos. Deutlicher gesagt: Das Christentum steht über allen Verzauberungen – außer seiner eigenen. Und das Mittel, durch das diese Wirklichkeit greifbar wird, ist die institutionelle Kirche. Die Kirche zu verlassen zugunsten diffuser Spiritualität ist kein hoffnungsvolles Zeichen. Wahrscheinlicher ist es ein weiterer Ausdruck der therapeutischen Gesellschaft und ihrer trügerischen Antworten auf die menschliche Sehnsucht nach Sinn.
Der Artikel des Religion News Service ist zwar ernüchternd, aber lehrreich – angefangen bei der symbolträchtigen Abbildung queerer Geistlicher über die offenbarten finanziellen Prioritäten der Kirchen bis hin zur Analyse des zunehmenden Misstrauens gegenüber kirchlichen Institutionen. Für alle Christen steckt darin eine wichtige Botschaft.
Ein Artikel von Carl R. Trueman, zuerst erschienen am 20.03.2025 bei FirstThings.com unter dem Titel „Lessons from the Decline of Protestant Churches“. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von FirstThings.
[…] hat Carl Trueman erst vor einigen Wochen die gleiche Beobachtung (dass auch konservative protestantische Gemeinden nicht wachsen) in einem Artikel des FirstThings-Magazins dargestellt. Aber ich muss nicht einmal nach Amerika […]