Mein geehrter und innig geliebter Bruder…

Ein Freund hat mich auf diese Kommunikation zwischen Wesley und Whitefield aufmerksam gemacht:

“Und Ihr müßt zugeben, daß er das bereits einmal getan hatte, als er Euch ein eben solches Los gab, als Ihr nämlich in Deal wart. Am Morgen meiner Abfahrt von Deal nach Gibraltar legtet Ihr, von Georgia kommend, an. Anstatt daß Ihr mir eine Gelegenheit gabt, mit Euch zu konversieren, wiewohl das Schiff nicht weit vom Ufer vor Anker lag, zogt Ihr ein Los und fuhrt alsbald weiter nach London. Ihr ließt einen Brief zurück, worin Worte folgenden Inhalts waren: »Als ich sah, daß Gott mit dem gleichen Wind, der mich heimgetragen, Euch hinaustragen würde, fragte ich Gott um Seinen Rat. Seine Antwort findet Ihr hier beiliegend.« Es war ein Stück Papier, auf dem die Worte standen: »Er kehre nach London zurück.« Als ich das empfing, war ich einigermaßen überrascht. Da kommt ein guter Mann und sagt mir, er habe das Los geworfen; Gott wolle, daß ich nach London zurückkehre.Ich wußte andererseits, daß mein Ruf mich nach Georgia führte, und daß ich mich von London verabschiedet hatte und daß ich es nicht hätte rechtfertigen können, die Soldaten zu verlassen, die mir anvertraut waren. Ich wandte mich zusammen mit einem Freund im Gebet an Gott.” (G. Whitefield in seinem Brief an J. Wesley)

J. Wesley warf ein Los, um zu erkennen ob er eine Predigt über die Freie Gnade predigen und drucken sollte. Das Los viel positiv aus und so handelte er auch. Auf diese Predigt nahm Whitefield in einem offenen und historisch gewordenen Brief Stellung. Wesley baute seine Predigt in 30 Punkten auf, während Whitefields Schreiben ebenfalls gut organisiert ist. Das Ermöglicht einige der diskutierten Thesen gegen überzustellen. Den vollständigen Textlaut beider Dokumente findet man im Anhang hier.  Ich empfehle beides vollständig zu lesen, da neben detailierten Thesen eine allgemeine Betrachtung über die Erwählung diskutiert wird. (z.B. wählte Wesley interessanterweise Römer 8 als Text für seine Predigt). Ich finde Whitefields Argumentation vor allem in diesen drei Bereichen stark:

  • Das Wissen um die Souveränität Gottes stärkt den “menschlichen Willen”
  • Es ist nicht die Angst vor der Hölle, sondern die Liebe zum Erlöser, die den Christen in die Heiligung treibt
  • Keiner wird ohne Schuld in der Hölle sein. Errettung ist nur aus Gottes Gnaden möglich.
  • Sehr schön auch die Argumentation, dass das Wissen um die Vorherbestimmung uns nicht beunruhigen sondern festigen sollte!

Insgesamt ein hochwertiges Stück Apologetik!

Wesleys Predigt Whitefields Antwortschreiben
Wenn das aber wahr ist (d. h., wenn es eine Erwählung gibt), dann ist alles Predigen eitel. Es ist unnötig für die Erwählten; denn sie werden, mit oder ohne Predigt, unfehlbar errettet werden. Daher ist das Ziel des Predigens, Seelen zu retten, im Blick auf diese nichtig. Und es ist sinnlos für jene, die nicht erwählt sind, denn sie können unmöglich errettet werden. Sie werden, mit oder ohne Predigt, unfehlbar verdammt werden. Daher ist auch im Blick auf diese das Ziel des Predigens nichtig. In beiden Fällen ist also unsere Predigt eitel, und Euer Hören ist ebenso eitel…  Hat nicht der Gott, der die Errettung für eine bestimmte Anzahl verordnet
hat, auch verordnet, daß die Predigt des Wortes das Mittel sei, um diese zur Errettung zu bringen? Hat irgend jemand je in einer anderen Weise an Erwählung geglaubt? Wenn das aber der Fall ist, wie kann dann die Predigt unnötig sein für die, die erwählt sind, wenn das Evangelium von Gott Selbst dazu bestimmt ist, die Kraft Gottes zu ihrem ewigen Heil zu sein? Und da wir nicht wissen, wer die Erwählten und wer die Verworfenen sind, müssen wir unterschiedslos allen das Evangelium predigen; denn das Wort Gottes kann auch für die nicht Erwählten von Nutzen sein, indem es sie von vieler Gottlosigkeit und Sünde abhalten kann. Das Wissen, daß Gott durch dieses Mittel einige, nämlich so viele, als der Herr zum ewigen Leben verordnet hat, zum Leben erwecken und sie zum Glauben befähigen wird, genügt indes, um zum allergrößten Fleiß im Predigen und im Hören anzuspornen…
Ein zweiter Beweis ist der, daß sie die Neigung hat, jene Heiligkeit zu zerstören,welche das Ziel aller göttlichen Anordnungen ist. Ich sage nicht, daß niemand, der an sie glaubt, heilig sei (denn Gott ist voll innigen Mitgefühls gegen solche, die unvermeidlich in irgendwelche Irrtümer verstrickt sind); aber daß die Lehre selbst – daß nämlich jeder Mensch von Ewigkeit her entweder erwählt oder nicht erwählt sei, und daß Ersterer unvermeidlich errettet und Letzterer unvermeidlich verdammt werden müsse – eine offenkundige Neigung hat, die Heiligkeit im Allgemeinen zu zerstören. Denn sie nimmt jene ersten Beweggründe dazu vollständig weg, welche die Bibel so häufig vor Augen stellt, nämlich die Hoffnung auf den Himmel und die Angst vor der Hölle Ich dachte, daß jemand, der die Vollkommenheit zu einer solchen Höhe hinaufschraubt wie mein geliebter Mr. Wesley, es wissen müßte, daß der Jünger, der den Herrn Jesus Christus wahrhaft liebt, der Heiligkeit um der
Heiligkeit selbst willen nachjagt, und daß er sich aus Liebe und aus Dankbarkeit
in der Sache Christi bemüht, ohne dabei ein Auge auf die Belohnung des Himmels und die Bestrafungen der Hölle zu haben. Ihr erinnert Euch, Sir, an das Wort Scougals219: »Liebe ist der stärkste Antrieb, der sie antreibt.« Aber lassen wir das und räumen wir ein, daß Lohn und Strafe Beweggründe seien (wie sie ja gewiß sind), die einen Christen in aufrichtiger Weise dazu anspornen können, für Gott zu wirken. Wie aber zerstört die Lehre von der Erwählung solchen Antrieb? Wissen denn die Erwählten nicht, daß ihr Lohn größer sein wird, wenn ihrer guten Werke mehr sind? Und ist das nicht Ermunterung genug, sie zum Wirken für Jesus Christus anzutreiben und in solchem Wirken auszuharren?
Auf ebenso direktem Wege hat diese Lehre die Neigung, mehrere
besondere Zweige der Heiligkeit zu zerstören. So zum Beispiel Sanftmut
und Liebe; ich denke an die Liebe zu unseren Feinden, zu den Bösen und
Undankbaren. Ich sage nicht, daß niemand, der an diese Lehre glaubt, Sanftmut und Liebe besitze (denn so groß die Macht Gottes ist, so groß ist auch
sein Erbarmen), aber daß sie naturgemäß dazu neigt, eine Schärfe und
Unduldsamkeit des Gemüts zu erzeugen und zu mehren, welche zur Gelindigkeit
Christi im Widerspruch steht. Das wird dann besonders offenbar, wenn ihnen in diesem Stück widersprochen wird. Und ebenso naturgemäß flößt sie Verachtung oder Kälte ein gegenüber allen, die wir als Gottes Verworfene ansehen
Aber, geehrter Sir, wir sollten im allgemeinen wie auch in diesem besonderen Fall die Wahrheit einer Lehre nicht gänzlich am Beispiel
des Benehmens einiger Anhänger einer bestimmten Lehre beurteilen. Täten wir es, könnten wir, dessen bin ich gewiß, manches über Eure eigene Lehre urteilen. Denn ich appelliere an Euer eigenes Herz, ob Ihr nicht in Euch selbst oder in anderen eine Engherzigkeit gegenüber solchen beobachtet habt, welche an besondere Erlösung glauben. Dann wäre aber nach Eurer eigenen Regel die Lehre von der universalen Erlösung falsch, da sie ja verschiedene Zweige der Heiligkeit zerstört, wie zum Beispiel Sanftmut und Liebe, usw
Diese Lehre hat die Neigung, den Trost der Religion, die Glückseligkeit (happiness) des Christentums zunichte zu machen. Das ist offenkundig betreffs derer, die von sich glauben, sie seien verworfen, oder die nur befürchten, sie seien es. Alle großen und kostbaren Verheißungen sind ihnen verloren, sie gewähren ihnen keinen Strahl der Hoffnung; denn sie sind nicht die Erwählten Gottes. Daher haben sie weder Teil noch Anrecht an ihnen. Wie will Mr. Wesley das wissen, der nie an die Erwählung geglaubt hat? Ich glaube, daß alle, die es erfahren haben, unserem 17. Artikel zustimmen, daß »die gottselige Erwägung der Vorherbestimmung und der Erwählung
in Christus für gottselige Personen voll süßen, lieblichen, unaussprechlichen
Trostes ist, das heißt für solche, die in sich das Wirken des Geistes Christi verspüren, indem sie die Werke des Fleisches und ihre Glieder, die auf der Erde sind, tötet und ihr Sinnen zu den hohen und himmlischen Dingen zieht, und auch, weil sie ihren Glauben an die in Christus zu genießende ewige Errettung festigt und stärkt, und weil sie ihre Liebe zu Gott immer stärker entfacht, usw.«
Das ist offenkundig betreffs derer, die von sich glauben, sie seien verworfen, oder die nur befürchten, sie seien es. Alle großen und kostbaren Verheißungen sind ihnen verloren, sie gewähren ihnen keinen Strahl der Hoffnung; denn sie sind nicht die Erwählten Gottes. Daher haben sie weder Teil noch Anrecht an ihnen. Kein Mensch unter den Lebenden, besonders niemand, der nach Heil verlangt, kann wissen, daß er nicht zur Zahl der Erwählten Gottes gehört. Niemand als die Unbekehrten können berechtigten Grund haben, es nur zu befürchten. Und würde Mr. Wesley es wagen, die kostbaren Verheißungen des Evangeliums, welches Brot für die Kinder ist, auf Menschen in ihrem natürlichen Stand anzuwenden, während sie noch in ihm verharren? Gott sei davor! Und was, wenn die Lehre der Erwählung und Verwerfung einige zum Zweifeln bringt? Das tut die Lehre von der Wiedergeburt auch. Ist aber nicht gerade dieses Zweifeln ein gutes Mittel, um sie zum Suchen und Ringen zu bewegen, und dieses Ringen ein gutes Mittel, ihre Berufung und Erwählung festzumachen? Dies ist ein Grund unter vielen, warum ich die Lehre der Erwählung bewundere und warum ich überzeugt bin, daß sie in der Verkündigung des Evangeliums ihren Platz haben und man mit Treue und Sorgfalt auf ihr bestehen sollte
Dieses Zeugnis des Geistes wird aber, wie die Erfahrung zeigt, durch diese Lehre ernsthaft behindert, und das nicht allein bei denen, die sich
selbst als Verworfene ansehen und durch diesen Glauben das Zeugnis weit
von sich werfen, sondern auch bei denen, die von dieser guten Gabe gekostet,
sie aber bald danach wiederum verloren haben und in Zweifel, Ängste
und Finsternis zurückgefallen sind, in Finsternis so dicht, daß man sie greifen
könnte! Und ich appelliere jetzt an einen jeglichen unter euch, der diese Lehre vertritt, zwischen Gott und euren eigenen Herzen zu bekennen, ob ihr es nicht oft erlebt, wie Zweifel und Ängste bezüglich eurer Erwählung und eurem Beharren in der Seligkeit wiederkehren. Wenn ihr die Gegenfrage stellt, wer das denn nicht erlebe, dann antworte ich: sehr wenige, die diese Lehre vertreten, aber viele, sehr viele unter denen, die diese Lehre nicht vertreten. In allen Weltgegenden sind solche, die heute wissen und fühlen, daß sie in Christus sind und »nicht besorgt sind auf den morgenden Tag«, die im Glauben Stunde für Stunde »in Ihm bleiben«, oder besser noch: Augenblick für Augenblick. Viele von ihnen haben sich des ununterbrochenen Zeugnisses des Geistes erfreut, des beständigen Lichts Seines Angesichts, und das vom ersten Augenblick ihres Glaubens an während vieler Monate oder Jahre, bis auf den heutigen Tag
Denn Ihr sagt im gleichen Paragraphen: »Auch bei denen, die von dieser guten Gabe gekostet, sie aber bald danach wiederum verloren haben (ich nehme an, Ihr wolltet sagen, das Empfinden derselben wieder verloren haben) und in Zweifel, Ängste und Finsternis zurückgefallen sind, in Finsternis so dicht, daß man sie greifen könnte! etc.« Was die Finsternis des Verlassenseins betrifft, war das nicht bei Jesus selbst so, auch nachdem er die unvergleichliche Salbung durch den Heiligen Geist empfangen hatte? War nicht seine Seele im Garten sehr betrübt, bis zum Tode? War er nicht von einer furchtbaren Finsternis umhüllt, einer Finsternis, »so dicht, daß man sie greifen könnte«, als er am Kreuz rief: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und daß allen seinen Nachfolgern entsprechendes beschert sein kann, ist das aus der Bibel nicht klar ersichtlich? Denn sagt nicht der Apostel, daß der Herr in allem versucht wurde, gleich den Brüdern, weshalb er denen zu helfen vermag, die versucht werden? Und sollten wir nicht erwarten, Gemeinschaft zu haben mit seinen Leiden, da wir Glieder an seinem Leibe sind? Warum sollten dann Personen, die nach dem Empfang des Zeugnisses des Geistes in Finsternis versinken, ein Beweis gegen die Lehre der Erwählung sein?
Und ferner: Welch trostloser Gedanke ist das, daß Tausende und
Millionen von Menschen unweigerlich zum ewigen Feuer verurteilt wurden, ohne daß sie zuvor je gesündigt oder gefehlt hätten! Wie trostlos muß dieser Gedanke besonders für die sein, die Christus angezogen haben! Für die, welche vom Erbarmen und herzlichen Mitleid erfüllt sind und wünschten, »durch einen Fluch von Christo entfernt zu sein für (ihre) Brüder«.
Wer hat denn je behauptet, daß Tausende und Millionen ohne vorherige Schuld oder Sünde ihrerseits unveränderlich zum ewigen Feuer verurteilt seien? Glauben denn nicht die, die daran glauben, daß Gott die Menschen zum ewigen Feuer verurteilt, auch daran, daß Gott sie als Menschen
ansieht, die in Adam gefallen sind? Und daß der Beschluß, welcher die
Strafe verordnete, zuerst die Übertretung berücksichtigte, welche die Strafe
verdiente? Wie sollten sie dann aber ohne vorher begangene Schuld verdammt
werden? Mr. Wesley wird doch gewiß Gottes Gerechtigkeit anerkennen, welche Adams Sünde seiner ganzen Nachkommenschaft anrechnete? Auch daß Gott nach Adams Fall ihm und seiner Nachkommenschaft vollkommen gerecht gewesen wäre, hätte er alle sich selbst überlassen, und hätte er nie seinen Sohn gesandt, um irgend jemanden zu retten. Wenn Ihr diesen beiden Punkten nicht von Herzen zustimmt, glaubt Ihr nicht in der richtigen Weise an die Erbsünde. Wenn Ihr aber diese beiden Punkte anerkennt, dann müßt Ihr anerkennen, daß die Lehre der Erwählung und Verwerfung im höchsten Grade gerecht und vernünftig ist; denn wenn Gott gerechterweise die Sünde Adams allen anrechnen konnte und danach in vollkommen gerechter Weise alle sich selbst hätte überlassen können, dann darf und kann er gerechterweise auch einige sich selbst überlassen. Wendet Euch zur Linken oder zur Rechten, Ihr findet Euch in einer Klemme, aus der Ihr nicht herauskommt. Wenn Ihr folgerichtig sein wollt, dann müßt Ihr entweder die Lehre von der Anrechnung der Sünde Adams aufgeben, oder ihr müßt die liebliche Lehre der Erwählung annehmen und mit ihr eine heilige und gerechte Verwerfung als deren Folge. Denn ob Ihr es glauben könnt oder nicht, das Wort Gottes bleibt treu. Die Auswahl hat es erlangt, die übrigen aber sind verstockt worden

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