Über Balken, Splitter und Vorurteile

Mt. 7, 3:  “Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? 4 Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen! – und siehe, ein Balken ist in deinem Auge? 5 Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.”

Die Bergpredigt ist wirklich eine shocking message! Jesus durchschaut uns bis in die geheimsten Ecken des Herzens. Wenn ich über Mt. 7,3-5 nachdenke, dann fallen mir einige Punkte auf:

a) Wir können kleine Fehler an anderen bemerken und doch gleichzeitig unsere eigenen großen Fehler übersehen.  Das heißt nichts anderes, als das wir selbst große Fehler in unserem Leben so klein reden, dass sie uns kleiner vorkommen, als Kleine Fehler anderer: “Der Splitter da, der ist furchtbar! und der nennt sich noch Christ? Aber der Balken hier, naja der fällt ja kaum auf!”

Ich finde es spannend, dass gerade die Aussage Jesu, die uns deutlich macht, wie vorsichtig wir dabei sein sollten, andere zu korrigieren, gleichzeitig deutlich macht, wie nötig wir Korrektur haben. Während ich also einiges falsch machen könnte beim Versuch, meinem Bruder zu helfen, toleriere ich einen viel größeren Fehler in meinem Leben.

b) es kann ein Fehler gleicher Art sein, denn ich übersehe. Man vergebe mir die etwas windige Auslegung an dieser Stelle, aber beide Probleme sind “aus Holz”. Ich glaube, dass wir oftmals ausgerechnet die Fehler wahrnehmen, die bei uns wuchern. Vielleicht auch deswegen, weil ähnliche Sünden oft so unterschiedlich aussehen können. Ich denke hier an Geiz und Gier. Beide Male ist der Mammon der Götze. Doch der Gierige, der sein Konto ständig überzieht und nicht genug besitzen kann, rechtfertigt seine Gier durch den Blick auf den Geizigen, der jeden Taler zwei Mal umdreht, während der Geizige, der Angst hat, etwas zu verlieren (also auch nicht genug besitzen kann), auf den Gierigen und sein Prassen herunterblickt. Und keiner geht sein Problem an! (Quelle: Nicht die windige Auslegung, aber diesen Konflikt von Geiz und Gier habe ich in einer Predigt von Tim Keller über Geld entdeckt; engl. hier zum anhören.).

Und ich glaube jeder kennt diesen einen prüden Bruder, dem kein Rock zu weit und zu lang sein kann und der so seine  eigene Lüsternheit “jede Frau zu scannen”, als Bemühung für Keuschheit kaschiert, und das meist mit beachtlichem Erfolg.

Aber womöglich gehen diese Beispiele nicht weit genug. Um noch viel mehr ins tägliche Leben zu dringen, mal dieses Beispiel: Wie viele von uns kennen nur allzu schmerzlich  gut die Fehler und Macken unserer Eltern. Oft widern uns diese an und wir erzählen uns und anderen, dass wir es auf jeden Fall anders machen wollen. Warum verhalten sich so viele aber dann doch nahezu exakt wie ihre Eltern?

c) Erst wenn wir unsere Probleme ernst nehmen, können wir anderen helfen.  Wie sieht das eigentlich aus, wenn man mit einem Balken im Auge herumläuft und auf seinen Nächsten blickt? Ich habe versucht das zu illustrieren. Ich blicke jemanden an und sehe viele kahle Äste! Höchste Zeit hier mit der Astschere durchzugehen!! Da kann ja nicht nur von einem Splitter die Rede sein, es sind dutzende! Kein Wunder ist nur Fruchtlosigkeit zu beobachten:

Doch wenn ich mit aller Wucht eingreife, dann stehe ich in der Gefahr mehr zu zerstören als möglich und greife auch das an, an dem Frucht hängt, was super klar wäre, hätte ich bloß den Balken nicht:

Um die obigen Beispiele weiterzuführen:  Als Gieriger werde ich auch christliche Sparsamkeit als Geiz abstempeln.  Und ein Lustmolch wird auch eine Frau, angekleidet im Kartoffelsack, begehren.

Sehen wir das Problem hier? Von unserem sündigen Herzen auf das Herz des Anderen zu schließen ist nichts anderes als Heuchelei! Wir tarnen unsere Fruchtlosigkeit und übersehen die Früchte des Nächsten. Wir übersehen unsere Balken und sehen die Splitter des Nächsten.

d) Was ist ein Ausweg? Ich denke es geht nicht darum, nie mit dem Nächsten über seine Fehler zu sprechen! Das wäre die Tarnung eines Balkens mit einem weiteren Balken. Den dem nächsten mit Gleichgültigkeit zu begegnen, ist nichts weiteres als die Überlagerung unserer Balken mit einem weiteren. Aber ein konsequentes Abtöten der Sünde ist angesagt. Fangen wir doch mit Gier und Lüsternheit an! Raus damit bis zur Wurzel! Das ist furchtbar schwer! Das ist Selbstverleugnung und Kreuz tragen und Aufblicken zu Christus und Wachen und Beten und an sich selbst Verzweifeln…

 

2 Kommentare

  1. Mir zeigt das Gleichnis, dass wir Demut brauchen. Ich erkenne zuerst meine Fehler/Probleme/Schwierigkeiten, dann schaue ich erst, was der Andere falsch macht.
    Interessant finde ich auch, dass er die Augen erwähnt. Wenn wir Demut gegenüber Gott und allen Menschen zeigen, sehen wir die Welt mit anderen Augen. Ich habe das für mich schon feststellen können. Wenn man zuerst auf sich selbst schaut, dann sieht man seine Mitmenschen mit dem Auge, wie Gott uns sieht.

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