In 1 Samuel 24 bis 26 begegnet David drei Situationen, in denen er immer wieder aufs Neue vergeben muss.
Das erste Mal begegnet er seinem Verfolger Saul in einer Höhle bei En-Gedi. Saul zieht sich hier zurück und alle sehen hier die Gunst der Stunde. Wir lesen: “Da sagten die Männer Davids zu ihm: Siehe, das ist der Tag, von dem der HERR zu dir gesagt hat: Siehe, ich werde deinen Feind in deine Hand geben, damit du mit ihm tun kannst, wie es gut ist in deinen Augen. Und David stand auf und schnitt heimlich einen Zipfel von dem Oberkleid Sauls ab.” (1. Samuel 24,5).
David bekommt eine einmalige Gelegenheit “gerechte Rache” zu üben und keiner seiner Begleiter kommt auf die Idee darin etwas unpassendes zu sehen. Dennoch schmerzt David sogar das Herz dabei, bloß den Zipfel des Kleides abzuschneiden.
In Kapitel 25 muss David eine neue Lektion im Vergeben lernen. Was mir auffiel ist, dass es David so viel schwerer fehlt die Vergehen Nabals zu vergeben, als die Sauls.
Dabei hat sich Saul viel krasser an David versündigt als Nabal. Nabal hat nicht wie Saul mehrfach versucht David umzubringen. Nabal hat für David eigentlich bloß gleichgültige Geringschätzugn übrig. Dennoch ist David auf Nabals Fehlverhalten hin fürchterlich zornig. Die Geschichte selbst schreit nach dieser Parallele. Saul sagt, nachdem er über seine Verschonung durch David erfährt folgendes: “ Denn du hast mir Gutes erwiesen, ich aber habe dir Böses erwiesen.” (24,18). Auf Böses mit Gutem zu vergelten ist so ein markantes Erkennungszeichen Davids, doch als er erfährt, dass man auf sein Gutes mit Bösem erwidert, sagt er: “David aber hatte gedacht: Fürwahr, umsonst habe ich alles behütet, was diesem in der Wüste gehört, sodass nicht das Geringste vermisst wurde von allem, was er hatte. Und er hat mir Gutes mit Bösem vergolten.” (25,21) . Nur ein spektakuläres Eingreifen Abigails verhindert ein Massaker. David bekennt Abigail, dass es seine Absicht war, alles Männliche im großen Haushalt Nabals auszulöschen (25,34). Während keiner bei einer Racheaktion an Saul etwas verkehrtes gesehen hätte, erkannte Abigail sehr wohl, dass diese Rache verkehrt gewesen wäre (V. 31 “ohne Ursache Blut vergießen”)
Ich glaube da hat David mit Abigails Hilfe eine kostbare Lektion im Fach “Vergebung” gelernt, nämlich die, dass man Vergebung immer wieder aufs Neu lernen muss. Ein Mann, der gerade seinem Erzfeind mit einer Leichtigkeit vergab, benötigt Unterstützung beim Umgang mit einem Narren!
Ich habe das oft erlebt, dass man grobe und große Vergehen mit einer Handbewegung abtun konnte, während kleine Sticheleien und Verleumdungen oft Jahrelang schmerzten. Ich habe mich sehr häufig gefragt, warum das so ist. Und ein Grund ist, dass Vergebung eben kein Automatismus ist. Hier spielt auch der Beziehungsaspekt eine Rolle. Nabal war vom gleichen Stamm wie David und verweigert David die Stammesloyalität. Das David gegen Saul keine Hand erhebt, begründet er mit Sauls Salbung zum König.
Überhaupt ist David ein Lehrmeister der Vergebung. Wir sehen in seinem Leben, das Vergebung sehr häufig bedeutet “auf Rache zu verzichten”, während sich diese furchtbar gerecht und richtig anfühlt! In Sauls Fall war das für alle Außenstehenden einleuchtend, dass die “Sache in die Hand zu nehmen” , das Gebot der Stunde sei. In Nabals Fall dachte das mindestens David selbst. Das macht Rache so attraktiv für uns, dass sie so furchtbar stark nach “Gerechtigkeit” schmeckt. Doch sie ist es eben nicht. In Kapitel 24 erkennt es David selbst, in Kapitel 25 – im vermeintlich einfacheren Szenario – benötigt David hier die Hilfe von Abigail.
Damit war Davids Lehrzeit nicht fertig. In Kapitel 26 ergibt sich wieder eine Möglichkeit, Saul zu beseitigen. David steht vor einer erneuten “Vergebungsprobe”. Nun bietet sich auch ein Helfer an, sein Befehlshaber Abischai: “Und Abischai sagte zu David: Heute hat Gott deinen Feind in deine Hand ausgeliefert. Nun lass mich ihn doch mit dem Speer an den Boden spießen, einmal nur! Ein zweites Mal werde ich es ihm nicht antun müssen.” (26,8) Ob David hier wohl an sich selbst hätte halten können, wenn er davor Nabal schonungslos ausgelöscht gehabt hätte? Auf jeden Fall war David Klar, dass man im Umgang mit Feinden häufig immer wieder aufs Neue vergeben muss! Und mit Nabals, oder besser Abigiails Hilfe, hat er das nun gelernt gehabt.