Wenn sich ein Mann von seiner Frau scheidet und sie geht von ihm und gehört einem andern, darf er sie auch wieder annehmen? Ist’s nicht so, dass das Land unrein würde? Du aber hast mit vielen gehurt und solltest wieder zu mir kommen?, spricht der Herr.
Jer.3.1
Kaum ein Bibeltext wird wohl mehr diskutiert als Heb. 6,4-6. Ich denke man könnte eine ganze Bibliothek mit Werken alleine über diesen Text fühlen. In den eher populär verbreiteten Betrachtungen dieser Verse vermisse ich jedoch ein Element besonders. Der Abschnitt fängt nicht umsonst mit “Denn es ist unmöglich….” an. Was Hebräer 6,4-6 beschreibt ist sicher die Endgültigkeit und Unumkehrbarkeit eines Abfalls von Christus . Es ist unmöglich, bestimmte Gruppen wieder zur Buße zu erneuern. Heb. 6,4-6 wird häufig als Argument verwendet, dass auch die erwählten Christen wieder abfallen können. Dabei wird häufig die Endgültigkeit des Abfalls außen vor gelassen!
Meines Erachtens eine sehr reife und prägnante Betrachtung von Heb. 6,4-6 findet sich in Calvins Institutio III,3,21-25. Hier diskutiert Calvin, dass die Wiedergeburt durch den Glauben im Prozess der Buße mündet und sieht gerade in solchen Warnstellen, dass die Buße “ein einzigartiges Geschenk Gottes” (III,3,21) ist:
Gewiss stellt Gott fest, dass er die Bekehrung aller Menschen will, und er lässt seine Ermahnungen unterschiedslos an alle ergehen; dass sie aber zur Wirkung kommen, das hängt von dem Geiste der Wiedergeburt ab. Es wäre uns ja auch leichter einen Menschen zu erschaffen, als aus eigenen Kräften eine bessere Natur anzunehmen.
Calvin, Institutio III,3,21
Entsprechend kann eine Gabe auch verwehrt werden, wie Calvin etwas später ausführt:
Und auch der Apostel, der die Abtrünnigen von der Hoffnung auf das Heil ausschließen will, fügt als Grund noch hinzu: “Es ist unmöglich”, sie “wiederum zu erneuern zur Buße” (Heb. 6,4-6). Wenn nämlich Gott die Menschen erneuert, die er nicht verlorengehen lassen will, so gibt er damit ein Zeichen seiner väterlichen Gunst und zieht sie gewissermaßen mit den Strahlen seines hellen und freundlichen Angesichts zu sich; auf der anderen Seite aber trifft er die Verworfenen, deren gottloses Wesen unvergebbar ist, mit dem Wetterstrahl der Verstockung”
ebenda
Zu einem anderen Nachlass wollen wir die Ausführungen Calvins zur Dimension und Bedeutung der Buße nachgehen, heute aber darüber nachdenken, warum diese Erneuerung unmöglich ist. Ich glaube, dass das ein Thema ist, das eine biblische Kontinuität besitzt: Ein Bund kann nur einmal geschloßen werden. Denken wir an den Bund der Beschneidung. Es ist schlichtweg unmöglich, sich ein zweites Mal zu beschneiden. Jede versuchte Wiederholung führt zur “Verschneidung”. Ein zweites Mal mit dem Messer am Glied des Mannes und er ist kastriert! Wünscht nicht genau das Paulus den Feinden des Evangeliums in Gal. 5,12 (“Sollen sie sich doch gleich verschneiden lassen, die euch aufhetzen!”)?
Der Neue Bund besitzt als Bundeszeichen die Taufe, und die Taufe ist wie die Beschneidung ein einmaliger Prozess: Weil Christus nur einmal gestorben und nur einmal auferstanden ist, können wir auch nur einmal in seinen Tod getauft werden (Röm. 6,3). Etwas das an der Parallelstelle zu Heb. 6,4-6 in Heb. 10,26f betont wird: “Es bleibt kein Opfer mehr (…) für den, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Bundes für unrein hält”. Interessanterweise erwähnt der Autor des Hebräerbriefes vor der Warnung vor dem endgültigen Abfall, dass er nicht “abermals Grund (…) mit der Lehre vom Taufen” legen will. Was meine These bestätigen würde, dass der Autor einen unwiederholbaren Bundesschluss sieht: Wie sollte sich einer, der abfällt neu taufen können?
Nun könnte jemand, einwenden, das gerade wir Baptisten bei der Unwiederholbarkeit der Taufe eine Ausnahme machen, aber das stimmt so nicht: Auch für einen Baptisten gibt, es nur die eine wahre Taufe (Siehe auch die Ausführungen von Albert Mohler dazu). Luther, Calvin und Co. würden wohl auch mich als Wiedertäufer bezeichnen, aber die “lutherische Taufe”, die bei mir als Kind ohne jegliche Gemeindepräsenz von einem Pfarrer durchgeführt wurde, dessen christliches Wissen mehr Ähnlichkeit mit Altweiberfabeln besaß und der sich die Liturgie mit einer Flasche Schnaps entgelten lassen hat, besaß definitiv mehr Ähnlichkeit mit einem heidnischen Brauch als mit einem christlichen Bundeszeichen. Eine rein magische Wirkung einer Taufhandlung lehne ich ab. Um zurück zum AT zu kommen: Wohl kann man eine Beschneidung nur einmalig durchführen aber nicht jede Berührung einer männlichen Vorhaut ist bereits eine Beschneidung. Nicht jedes Beträufeln mit Wasser ist somit eine Taufe und somit kein Angriff auf die Lehre, dass es nur eine christliche Taufe gibt.
Was bedeutet das für uns?
Zunächst einmal: Ein Bund kann nur einmal geschlossen. Das zu wahren sind wir auch der Treue Gottes schuldig: “Nun aber, am Ende der Zeiten, ist er ein für alle Mal erschienen, um durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. (Heb. 9,26)” Was nicht viel über die Treue auf unserer Seite aussagt und auch nicht viel darüber, wie sehr wir die Treue Gottes beherzigen. Entsprechend kann man einen Bund zwar nicht aufs Neue schließen, aber wohl erneuern. Wir als Christen feiern diese Bundeserneuerung mit dem Abendmahl.
Ich sehe aber auch viel praktischere Anwendungen. Bereits Jeremia erkennt die Bedeutung des Verbotes der Wiederheirat mit einer, von der man sich geschieden hat ( Jeremia greift in Jer. 3,1 auf 5. Mo. 24,1-4 zurück): Neulich hörte ich von jemanden, der seine zwei Eheringe damit begründete, dass er mit seiner Frau das Eheversprechen wiederholt hat. Aber das scheint mir in etwa genauso möglich zu sein wie eine zweite Taufe. Ich glaube, dieser einmalige Bund zeigt uns den Ernst unserer Entscheidungen: Gott nimmt unser Wort “in guten wie in schlechten Zeiten treu zu sein” ernst, ob es nun um unsere Taufe oder um unseren Eheschluss geht. Da ein Eheversprechen ein Schwur ist, kann der Ernst des Schwures nicht durch eine Wiederholung verstärkt werden, sondern wird eher untergraben. Das kennen wir doch aus anderen Bereichen: Wenn ich meinen Kindern etwas zum zwanzigsten Mal sagen muss, dann kann ich mir sicher sein, dass sie meine Worte nicht ernst nehmen.
Das gilt durchaus für die Dinge dieser Welt: Ich kann nur einmal zum Arzt berufen werden und es reicht ein Examen, um “Ingenieur” heißen zu dürfen. Wohl kann mir diese Berufung irgendwann abgesprochen werden, aber der Weg zurück “zum Stand” geht nicht über eine Wiederholung des Studiums (Ich sehe darin keine vollständige Parallele zu meinen Ausführungen).
Ich sehe auch die andere Seite dieser Medaille: In ähnlicher Weise hüte ich mich vor “allzu sehr unwiederholbaren Ereignissen”. Viele fallen mir hier nicht ein, aber ein typisches wäre z.B. die kirchliche Kindersegnung. Zumindest in meiner Gemeinde ist das ein einmaliges Ereignis: Ein Kind kann nur einmal offiziell gesegnet werden. Deswegen habe ich damit ein größeres Problem, als wenn es z.B. einmal monatlich “Segnungsgottesdienste” gebe, wo für alle Kinder der Gemeinde der Segen von Gott erfleht würde. Einmalig ist auch bindend, unwiederholbar, heilig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mütter, die ihre Kinder zu Jesus brachten, diese sakramentale Bindung im Sinn hatten.
Die wichtigste Lektion jedoch ist die, dass Sünde nie Kleinigkeit ist. Bei jeder Sünde schwingt vielmehr ein Stück weit Rebellion gegen einen unbrechbaren Bund. mitDeswegen ist es blanker Euphemismus von einem “Seitensprung” zu sprechen und deswegen ist das Begehren einer anderen Frau bereits Ehebruch. Überhaupt kann sich Gottes Gesetz nicht vorstellen, wie jemand überhaupt noch weiterleben kann, wenn er den Bund der Ehe gebrochen hat.
Das schreibe ich nicht, um den Sensiblen unter uns (zu denen ich mich auch zu zählen wage) Angst zu machen. Denn das der Bund mit Gott “unbrechbar” bleibt, liegt nicht an unserer Performance, sondern an Gottes doppeltem Schwur. Unbrechbar heißt ja durchaus auch unzerstörbar! Gerade der mit Warnungen so volle Hebräerbrief gibt uns hier die besten Zusagen. Z.B. in Heb.10.10: “Nach diesem Willen sind wir geheiligt ein für alle Mal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi.” Doch der Brief spricht auch von zwei Zusagen, die uns garantieren, dass uns die Puste reichen soll, um bis zum Schluss auszuharren: “So sollten wir durch zwei Zusagen, die nicht wanken – denn es ist unmöglich, dass Gott mit ihnen lügt –, einen starken Trost haben, die wir unsre Zuflucht dazu genommen haben, festzuhalten an der angebotenen Hoffnung.” (Hebräer 6,18)
Der Glaube ist der Gemeinde ein für alle Mal anvertraut (Judas 3), was uns ermutigt, für den Glauben zu kämpfen. Besiegelt ist der Bund mit dem Tod Christi, was wir in der Taufe erleben und bestätigen: Unwiederholbar aber auch unzerstörbar! Der Heidelberger Katechismus kannte das hier geschrieben schon längst, als er erkennt, dass die “heiligen Taufe uns erinnert und gewisst macht, dass das einmalige Opfer Christi uns zugut kommt.”
Das ist eine interessante Argumentationskette! Macht Sinn!
Zum evangelikalen Brauch der Kindersegnung: Mein Verdacht ist, dass es sich einfach um eine “Ersatzhandlung” für die Kindertaufe handelt, damit wir nicht “ganz ohne was” sind: Alle machen sich schick, oft gibt es eine Familienfeier … So wie wir es praktizieren als eine Art Amtshandlung, hat es keine biblische Grundlage, auch wenn es natürlich nichts Schlechtes ist. Ähnliche Ersatzhandlungen haben manche Gemeinden für die Konfirmation.
Ja, in meinem ersten Entwurf führte ich noch das Beispiel der Konfirmation aus. Im lutherischen Konzept ist es ja ein ähnliches Alibi für eine einmalige Bekehrung, da sich die komplette Theologie sonst nur um die Taufe dreht…
Danke Sergej!