Christliche Ethik

Wann willst du anfangen, dich zu verändern?

Mir scheint, dass es kaum einen Lebensbereich gibt, der die Selbstüberschätzung des Menschen wiedergibt, als die Überzeugung, dass “er könnte”, wenn “er bloß wollte”. Ist es nicht interessant, dass wir bei negativen Charaktereigenschaften unserer Mitmenschen häufig mit der Überzeugung reagieren: “Der ändert sich nie!”. Die gleiche Phrase auf sich selbst bezogen, hört man eher seltener: “Ich ändere mich nie!” – wer hat das jemals von sich selbst gedacht? Eigentlich glauben wir, dass persönliche Veränderung (zum Besseren) eigentlich sehr nah und greifbar ist.

“Ab morgen, da werde ich mehr lesen, geistlicher sein, Gott treuer dienen, mehr auf meinen Körper achten, nicht mehr so viel ausflippen, ordentlicher sein, langsamer reden, mutiger evangelisieren…”  Man nimmt sich vor, dankbarer, freundlicher, geduldiger, fröhlicher, langmütiger durchs Leben zu gehen! Die Überzeugung ist schon echt beharrlich, dass “wir könnten”, wenn “wir bloß wollten”. Bleibt die Frage: Warum ist dann so wenig Veränderung zu sehen?

Früher habe ich in Schwäbisch Hall gelebt, eine Gegend, die ich nun nur noch selten besuche. Immer wenn ich vor Ort bin, freue ich mich auf ehemals vertrauten Wegen zu fahren und meiner Familie zu erzählen, welche Erlebnisse ich an den unterschiedlichen Orten erlebt habe. Einmal fuhren wir so durch eine kleine Örtlichkeit: “Hier lebte eine Oma und Opa”, erzählte ich meinen Kindern. “Deren Namen ich vergessen habe, aber ich habe sie in Erinnerung, dass sie immer unzufrieden waren und mit langer Miene herumliefen”, rutschte mir der Rest des Satzes heraus. Diese Aussage überraschte mich selbst. Ich versuchte mich an eine positive Veränderung dieses Ehepaars zu erinnern, aber mir ist keine eingefallen. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter: Was ist, wenn man sich an mich irgendwann auch so erinnert: “Dieser Alte, der konnte nur meckern, oder explodieren, oder nörgeln oder kritisieren”. Mir wurde bewusst: Irgendwann ist unser Leben derart programmiert, dass man sich schlicht weg nicht mehr ändern kann. Mir fällt ein anderes Ehepaar in unserer Gemeinde ein. Beide sind schon so alt, dass sie kaum noch laufen können. Aber beide strahlen auch eine Freude an Gott aus, die für jung und alt ansteckend ist.

Es bleibt uns nicht so viel Lebenszeit, als dass wir Veränderung auf die lange Bank zu schieben. Einfach bloß die Notwendigkeit und Dringlichkeit von Veränderung zu spüren ist bei weitem nicht genug.

Als Evangelische Christen müssen wir immer eine positiv hoffnungsvolle Haltung zur Veränderung haben, da Christus auferstanden ist, und in seinen Gliedern lebt! Mir fällt da ein Satz von John Newton ein, der einst in einem Liede schrieb:

“Why should any soul despair,
When he saved a wretch like me?”


“Warum sollte irgendeine Seele verzweifeln,
Wenn er ein Wrack wie mich gerettet hat”

An einer anderen Stelle singt Newton:

Of sinners the chief, And viler than all,
The jailer or thief, Manasseh or Saul:
Since they were forgiven, Why should I despair,
While Christ is in heaven, And still answers prayer?


Unter den Sündern das Haupt, und schlimmer als alle,
Der Kerkermeister oder Dieb, Manasse oder Saul:
Da ihnen vergeben wurde, warum sollte ich verzweifeln,
wenn Christus im Himmel ist und Gebete erhört?

Newton sagt uns, warum Veränderung möglich ist. Wir denken häufig, dass Veränderung aus uns selbst heraus möglich ist. Was bedeuten würde, dass wir irgendwie besser sind als all die anderen, die sich “halt nie ändern werden”. Irgendetwas wäre dann in uns, in unserem Willen und Vermögen was besser, stärker, reiner nach Veränderung trachtet. Doch wie sollte das möglich sein? Aber genau auf diesem Missverständnis bauen zahlreiche Veränderungsaufforderungen auf. Ich möchte nur aus der Buchbeschreibung zum Buch “Veränderung beginnt bei dir” zitieren. Dort heißt es: “in unserem e-book (…)entdecken Sie die transformative Kraft des Selbstwertgefühls und wie es Sie dazu befähigt, mutige Veränderungen in Ihrem Leben anzustreben.” Ich kann dem Autor nicht verübeln, dass er die Notwendigkeit der Veränderung erkannt hat und nun einen gottlosen Ausweg sucht (und findet). Aber es ist schlicht weg unevangelisch zu sagen, dass “Gott denen hilft, die sich selbst helfen” (Übrigens: Laut einer Umfrage stehen 87% der amerikanischen Evangelikalen hinter dieser Aussage).

Dennoch verstehe ich, dass es nicht so einfach ist, sowohl die Notwendigkeit der Veränderung im Blick zu haben, wie auch unsere Hilflosigkeit sich zu ändern. Diese Hilflosigkeit sehen wir häufig vor allem (oder nur?) bei unserem Mitmenschen. Das führt auch in meinem Leben dazu, dass ich auf manch eine Mahnung der Bibel mit der Haltung reagiere: “Das könnte ich ändern, wenn ich bloß wollte” Und das wiederum zeigt mir, dass selbst der wahre Wunsch nach echter Veränderung ein Geschenk von Gott ist: “Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.” (Phil. 2,13)

 

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