Biblische Texte

Wollust oder Entfremdete Sexualität

Die Entdeckung eines vergessenen Begriffes

Wenn bereits die Bezeichnung „Keuschheit“ als ein veralteter und kaum genutzter Begriff gilt, so gilt das für die Todsünde, die dieser Tugend entgegensteht, noch viel mehr: Wollust. Ich kann mich nicht erinnern, diesen Begriff z.B. in einer Predigt gehört zu haben. Wir greifen oft zu Begriffen wie sexueller Lust, Begierde, Unzucht. Allen diesen Begriffen fehlt das Umfassende des Begriffes Wollust. Man blicke nur auf die Definition gemäß Wikipedia: Wollust ist eine sinnliche, sexuelle Begierde und Lust, die bei sexueller Aktivität, der Befriedigung oder bei sexuellen Phantasien erlebt wird. Wollust schließt das aktive Handeln zur Steigerung der sexuellen Befriedigung ein.“.

Das ist eigentlich genau das Wort, das wir für unsere Zeit brauchen. Denn wann wurde Wollust mehr zelebriert als in unserer Zeit.

Dieser Artikel ist ein Plädoyer, diesen Begriff wieder häufiger und aktiver im alltäglichen Sprachgebrauch zu führen.

Einige Überlegungen für ein vornehmlich männliches Publikum

Eine von sieben Todsünden

Im Mittelalter und in der katholischen Kirche bis heute hat man sieben Sünden in besonderer Weise als äußerst schädlich hervorgehoben. Diese sind als die sieben Todsünden bekannt. Die infamosen sieben sind Hochmut, Geiz (bzw. Habgier), Wollust, Zorn, Völlerei, Neid, Faulheit. Ich denke, es ist auch kein Zufall, dass die Liste mit Hochmut beginnt. Schon Chesterton meinte, dass die gefährlichste aller Sünden der Stolz ist. Wollust findet sich in dieser Aufzählung an Platz drei, überboten noch durch die Gier und den Hochmut.

Dem entgegen steht die Erfahrung von so gut wie jedem Menschen, der mit Sünden der Wollust zu kämpfen hat. Schon mal mit jemandem gesprochen, der mit Selbstbefriedigung oder Pornographie zu kämpfen hat? Beinahe automatisch kommt irgendwann der Gedanke zur Sprache, dass man das Leben eigentlich im Griff hätte, wenn man denn noch diese Sünde im Griff hätte. Wie oft habe ich mir selbst genau diesen Gedanken zugesprochen? Zeigt sich da nicht eine ungewöhnlich verwirrende Selbstüberschätzung, zu denken, man habe sechs Tugenden gemeistert und es fehlt einem noch die Vollendung.

Irgendwie schleicht sich der Gedanke so schnell ein: Wenn ich doch das noch im Griff hätte. Im Umkehrschluss bedeutet das: Keiner, der mit Pornographie zu kämpfen hat, wird davon frei, wenn er nur mit der Pornographie kämpft.

Keime der Wollust

Mir fällt es alles andere als leicht, diese Zeilen zu schreiben. Eine grausige Erfahrung liegt mir noch auf dem Magen. Ein Freund, den ich für einen Großmeister der Keuschheit hielt, habe mich geradezu gewundert, ob er ganz „geschlechtslos“ sei, beging eine wirklich grobe Sünde der Wollust. Davor berichtete er mehrfach glaubhaft, dass selbst auf einem Teller angebotene Pornographie ihn nicht reizt. Die Zeit des Entsetzens nach seinen Gräueltaten war lang, doch mit der Zeit erfuhr man, dass er viele Jahre zuvor eine ähnliche Tat beging.

Ich konfrontierte diesen Mann mit den vergangenen Taten und er erwiderte, dass er ja gerade die „Zeit der Keuschheit“ so rigoros praktizierte, da er um diese Sünde wusste. Es waren die „guten erfolgreichen Zeiten“ in seiner Bewertung. Doch irgendwann fiel er halt erneut! Das bedeutet, dass die Wollust die ganze Zeit in diesem Mann geschlummert hat.

Die Erfahrung schockiert mich. Ich frage mich, ob wir unsere Wollust überhaupt jemals abgetötet bekommen oder einfach nur kontrollieren, damit sie nicht „überschwappt“?

Töten, nicht kontrollieren

Irgendwie ist es bei der Wollust besonders so, dass wir hier dazu neigen, einen Maßstab zu setzen. Unter Christen ist er in etwa dieser: Keine Pornographie, keine Selbstbefriedigung. Aber schon da wird es ja bereits nicht mehr so eindeutig: Ist Selbstbefriedigung ok, wenn ich dabei an meine eigene Frau denke? Und plötzlich werden wir zu unseren eigenen Gesetzgebern. Da die Hürde für das Gebot Gottes der Keuschheit zu hoch ist, neigen wir einfach dazu, eigene Hürden zu definieren: Kommen wir darüber, deklarieren wir uns zu Menschen, die die Wollust beherrschen.

Wie gesagt, die Schranke liegt oft im Bereich der Pornographie: Habe ich diese kontrolliert, erkläre ich mich für einen, der Wollust im Griff hat. Ich denke, damit neigen wir dazu, uns selbst zu betrügen. In dem wir nicht mehr genauso konsequent z.B. gegenüber unreinen Gedanken, lüsternen Blicken, unkeuschem Verhalten vorgehen. Um hier nicht nur die männliche Leserschaft im Blick zu haben. Sollte Wollust die einzige Todsünde sein, die vor allem und wesentlich nur die Männer betrifft?

Das alles ist übrigens viel leichter niedergeschrieben als praktiziert. Wie man Sünde abtötet? Oft quält man sich jahrelang, aber irgendwann kommt Jesus und erbarmt sich.

Eine Todsünde wie die anderen

Im Grunde ist dieser Absatz das Gegenstück des zweiten Absatzes: Während wir einerseits die Wollust als besondere Sünde sehen, ist gleichzeitig ein verwandtes Symptom zu beobachten: Wir können relativ freimütig darüber reden, dass wir stolz sind, oder auch über unseren Neid oder unseren Zorn oder unseren Zank. Neben der Wollust ist es wohl vor allem die Geiz, über die man nicht spricht. Das bestätigt im Grunde meinen Verdacht. Irgendwie neigt man dazu, Stolz und Neid und Zorn für „natürlich“ zu halten, während Wollust ein Tabu wird. Ich glaube, wir können unseren Brüdern, die z. B. mit Pornographie zu kämpfen haben wirklich auch damit zu helfen, indem wir zugeben, dass auch wir mit der Wollust zu kämpfen haben. So geht es zumindest mir.

Jesus und die freudige Keuschheit

In irgendeiner Weise kann Jesus uns helfen frei zu werden. Gnade wirkt oft mysteriös und der Geist bleibt immer souverän, deswegen wäre es zu leichtfertig, hier z.B. so etwas wie „sieben Methoden gegen Wollust“ niederzuschreiben.

Eine Methode möchte ich dennoch vorstellen: Jesus. Schon mal darüber nachgedacht, dass er niemals eine der Todsünden begangen hat? Er war niemals voller Hass, sondern immer Liebe? Er war nie gierig, sondern immer dankbar. Er war nie neidisch, sondern voller Zufriedenheit. Bei all den vielen Frauen, mit denen er Kontakt hatte, sah er sie nie als sexuelle Objekte seiner Begierde an! Jesus hat sich nie selbstbefriedigt. Dieses Mass an vollständiger Selbstverleugnung entgegen unserer Neigung zur Selbstvergötzung ist einfach faszinierend. Ich finde die Konfrontation mit genau so einem Menschen gerade so erfrischend provokativ. So viele Möglichkeiten, Frauen zu seinem Vergnügen zu haben, und dieser Gedanke kommt ihm nicht einmal. Eine Frau zu einem Sexobjekt seiner Begierde zu deklassieren, ist/war ihm vollkommen fremd.

Wenn ich darüber nachdenke, wird mir klar. Für Jesus war nicht die Wollust die Freiheit, sondern die Keuschheit. Er atmete sie voller Freude ein. Jesus war niemals aufgrund von Zwang oder gesellschaftlichen Regeln rein, sondern weil es nichts Besseres gab als diese Reinheit. Und das wiederum zeigt, wie verändert eigentlich ein Mensch werden soll, den Jesus verändern möchte.

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