Luther über den Bann

mwm07633.jpgAuszüge aus den Tischreden Luthers zu einem brisanten Thema, das jahrhundertelang von der katholischen Kirche missbraucht wurde. Dennoch muss man rückblickend eingestehen, dass es Luther nicht gelang den Sakralismus einer Staatsreligion zu überwinden:

402. Bann soll man wieder aufrichten

Wir müssen den Bann wieder aufrichten, obwohl wirs bisher noch nicht mit Gewalt getrieben haben. Wenn wir einen Wucherer, Ehebrecher sehen, dem sagen wir: Hörst du, es ist das Geschrei, du seiest ein solcher oder solcher, darum gehe nicht zum Sakrament, enthalte dich der (Teilnahme als Pate an der) Taufe, führe keine Braut in die Kirche. In Summa: man verbiete ihm alles, was der Kirche ist, wie Paulus sagt: Er sei dir wie ein Heide (1. Tim. 5, 8). Aber ich fürchte für unseren Teil, unsere Pfarrer werden zu kühn sein und in die leiblichen Dinge nach dem Gute greifen wie der Papst, wenn er einen exkommuniziert. Und kehrt er sich nicht daran, sagt er: Ei, wir müssen ihm auch den Markt verbieten, daß er nichts kaufe oder verkaufe. Das ist der Teufel, wenn man zu weit greifen will!
Zum Bann gehören in geistlichen Sachen mutige Pfarrer. Wir haben ihrer viele, die Mut in leiblichen Dingen haben; aber das tuts nicht allein.
Da fragte einer: Ob ein Gebannter auch an den Predigten teilnehmen und sie hören könnte? Darauf antwortete der Doktor: Selbstverständlich! Das soll man ihnen nicht verbieten, denn in Predigten lernen sie, wo es ihnen fehlt!
403. Ursache, daß der Bann jetzt gefallen ist
Den Bann hindert jetzt zu unsern Zeiten nichts anderes, als daß niemand in diesem Stück tut, was einem Christen gebührt und zusteht. Du hast einen Nachbarn, dessen Leben und Wandel dir wohl bewußt und bekannt ist, deinem Pfarrer aber ist es entweder ganz unbewußt oder wenigstens nicht so wohl bewußt; denn wie kann er eines jeglichen Leben im einzelnen kennen, wie es ist?
Darum, wenn du siehst, daß dein Nachbar durch unrechte Hantierung oder Handel reich wird; siehst, daß er Unzucht oder Ehebrecherei treibt oder sein Gesinde unfleißig und nachlässig erzieht und regiert: so sollst du ihn ernstlich vermahnen und christlich verwarnen, daß er seiner Seligkeit wahrnehmen und Ärgernis meiden wollte. Und, oh wie ein gar heilig Werk hast du getan, wenn du ihn so gewinnst.
Aber, Lieber, wer tuts? Denn aufs erste ist die Wahrheit ein feindselig Ding; wer die Wahrheit sagt, dem wird man gram. Darum willst du lieber deines Nachbarn Freundschaft und Gunst behalten, besonders wenn er reich und gewaltig ist, als daß du ihn erzürnen und dir zum Feinde machen wolltest. Wenn der zweite, dritte, vierte Nachbar desgleichen auch so tut, so fällt mit der ersten Vermahnung auch die zweite und dritte in den Brunnen, wodurch der Nächste wieder auf den rechten Weg hätte gebracht werden können, wenn du nur mit Vermahnen tätest, was du schuldig und verpflichtet bist. Zum zweiten geschiehts auch deswegen, daß der Bann gefallen ist: denn weil wir schier alle dergleichen Laster unterworfen und damit beschmutzt sind, so fürchten wir, wenn wir das Stäublein aus des Nachbars Augen nehmen wollen, man möchte uns vorwerfen und sagen von dem Balken, der aus unsern Augen hervorragt.
Dies ist die rechte und vornehmste Ursache, daß der Bann schier allenthalben gefallen ist: deshalb, weil der rechten Christen allenthalben wenig und gar ein kleines Häuflein von geringer Anzahl ist. Denn so wir allzumal, wie es wohl recht und billig wäre, ja sein sollte, die rechte Gottseligkeit und Gottes Wort von Herzen lieb hätten, so würden wir des Herrn Christus Befehl größer und teurer achten als alle Güter dieses zeitlichen Lebens. Denn dies Gebot, den Bruder, der da sündigt, zu vermahnen und zu warnen, ist gleich so nötig wie das: Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen usw.; sintemal in dem, wenn du diese Vermahnung entweder aus Furcht oder um einer anderen Ursache willen unterläßt, nicht des Nächsten Leib und Gut, sondern seiner Seelen Seligkeit in Gefahr steht. Und so ein Pfarrer weiß, daß die Sünde öffentlich stadt- und landkundig ist, so ist er schuldig, daß er solche Leute zum Sakrament des wahren Leibs und Blutes Jesu Christi nicht zulasse, es sei denn, daß sie zuvor Buße tun, das ist aufhören zu sündigen und mit wahrhaftigem Bekenntnis und rechtschaffenen Früchten anzeigen und beweisen, daß sie der Sünden feind seien und sie verdammen; doch soll eine christliche und ernste Vermahnung vorhergehen.
404. Bann ist zweierlei
Der Bann wie auch die Kirche ist zweierlei. Einer ist weltlich oder äußerlich und sichtbar, welchen die Kirche wider die braucht, so in öffentlichen Sünden und Schanden liegen, nach Christi Befehl Matth. 18, 15 ff. Und diesen muß man vor allen Dingen in der Kirche behalten, denn es ist nicht ein einfach, gering Ding um den Bann, als der da stracks ausschließt und absondert vom Reich Christi, behält die Sünde ohne Hoffnung der Vergebung, es sei denn, daß man Buße tut. Darum will Christus, daß ein Sünder nicht allein von Privat- und einzelnen Personen, die in keinem öffentlichen Amte sind, einmal oder zweimal, sondern auch von denen, die im öffentlichen Predigtamt sind, zuvor vermahnt und verwarnt werde, ehe dies harte Urteil des Bannes gefällt, publiziert und eröffnet wird.
Jetzt sind ihrer viele, welche die Kirchendiener, Pfarrherrn und Prediger beschuldigen, als sei der Bann durch ihre Nachlässigkeit gefallen. Viele klagen über die Obrigkeit, als stellte sich die dagegen und wollte nicht gestatten, daß man des Bannes brauchen sollte. Aber der Spruch und Befehl Christi bezeugt klar, man soll den Sünder in Sonderheit und heimlich zuvor vermahnen und warnen, ehe die, so im öffentlichen Predigtamt sind, die Sentenz fällen. Gleichwohl soll solche Sentenz nicht eher öffentlich gefällt werden, es sei denn, daß der Kirchendiener zuvor eine ernste und christliche Vermahnung getan habe. Verachtet nun der Sünder die und fährt in Sünden fort, will nicht aufhören noch von den Sünden, ablassen, alsdann soll man ihn öffentlich in den Bann tun.
405. Heimlicher und unsichtbarer Bann
Gleich aber wie diese äußerliche und sichtbare Exkommunikation und Bann allein die angeht und wider die gebraucht werden soll, die in öffentlichen Sünden leben und derselben überwiesen und überführt werden: so ist noch ein anderer heimlicher und unsichtbarer Bann, der nicht der Menschen ist noch von Menschen geschieht, daß mans sehen könnte, sondern er ist Gottes selber und geschieht von ihm allein. Denn Gott richtet nicht allein nach den Werken, wie wir Menschen tun, sondern sieht das Herz an und richtet die Heuchler, welche die Kirche nicht richten noch strafen kann, nach dem allgemeinen Spruch: Die Kirche richtet nicht, was heimlich und verborgen ist.
Aber nicht alle sind mit öffentlichen Ärgernissen so grob beschmutzt, daß man sie irgendeiner Missetat und Untat öffentlich, wie recht, bezichtigen und beschuldigen könne. Denn obwohl viel Geizhälse, Hurer, Ehebrecher usw. sind, gehen sie doch so vorsichtig damit um, machen es so heimlich, daß mans nicht wohl auf sie bringen noch beweisen kann, wie sichs gebührt. Darum sind sie mit in der Kirche unter der christlichen Gemeinde, hören Predigt und Gottes Wort, brauchen auch mit den andern rechtschaffenen Christen der Sakramente und sind doch in der Tat von
[Martin Luther: Kirche und Gemeinde. Martin Luther: Gesammelte Werke, S. 6512
(vgl. Luther-W Bd. 9, S. 168 ff.) (c) Vandenhoeck und Ruprecht
http://www.digitale-bibliothek.de/band63.htm ]

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