Wurde die Bibel wirklich geraucht? Über den Bibelraucher, SCM und den Zweifel

Der erste der mir vom Bibelraucher berichtete, war ein Freund, der die fulminante Bekehrungsgeschichte des Bibelrauchers auch unter anderen Christen bekannt gemacht hat. Es dauerte einige Zeit bis ich dazu kam, mit der Familie seine Lebensgeschichte anzuhören, es müsste im Herbst 2021 gewesen sein. Ich nahm damals auch Kontakt mit Wilhelm Buntz aufnahm, der nur etwa 1h von mir entfernt wohnt. Zu Ende des Jahres 2021 konnten wir auch gemeinsam ein Interview durchführen (Link zum Video).

Auf jeden Fall wurde ich in irgendeiner Weise zum Multiplikator. Denn als Wilhelm Buntz Ende März 2023 in der Gegend einen Vortrag hielt, besuchten einige aus meiner Gemeinde seinen Vortrag. Auch mein Neunsitzer war voll. Man muss einfach sagen, Wilhelm Buntz ein großartiger Geschichtenerzähler ist. Er tritt unglaublich selbstbewusst und freundlich, voller Verständnis auf. Man kann einfach nicht aufhören, ihm zuzuhören. Damals war auch ein katholischer Freund dabei, der sehr beeindruckt war.

Weder beim Hörbuch noch beim Interview kamen mir die leisesten Zweifel an der Geschichte von Wilhelm. Aber bei diesem Vortrag kamen Zweifel. Die Geschichte klang einfach zu perfekt. Zu viele allzu gelungene Versöhnungen, klangen einfach unrealistisch. Irgendwie war es auch schwer einige Fakten zeitlich ausreichend einzuordnen. Es schien mir auch, aber die Formulierung an der Stelle war unklar, dass Wilhelm Buntz nur durch eine orakelhafte Weisung, die ihn auf Hes. 16 gebracht hatte, verstand, dass seine Mutter ihn wirklich ausgesetzt hat, als er ein Jahr alt war. Etwas das er ausführlich im Buch berichtet, und von dem man als Leser ausgeht, dass der Verlag so etwas gegencheckt oder Quellen für solche Aussagen besitzt. Buntz berichtete auch von der Bekehrung von Heinrich Pommerenke, einem der krassesten Verbrecher der letzten Zeit, (Link zum Artikel), der auch wie Buntz in Bruchsal inhaftiert war, dort zum Glauben kam und “ein Seelsorger aus der Zelle” wurde. Dazu konnte ich später keine weiteren Informationen finden. Es ärgerte mich ein Stückweit, dass sich so vieles nicht verifizieren ließ.

Ich war zunächst ziemlich erschüttert von meinen Zweifeln, die mich während dem Vortrag durchzogen und versuchte sie zu verbergen. Ich ärgerte mich vor allem an meinen Zweifeln, aber ich erinnere mich, dass jemand, den ich eigentlich nur flüchtig kenne, mich ansprach “ob mit mir alles in Ordnung sei”. Meine Verunsicherung stand mir also ins Gesicht geschrieben.

Erst im August 23 nahm ich Kontakt mit einem befreundeten Verleger auf, der mir einige problematische Informationen aus dem Familienumfeld von Wilhelm Buntz zukommen ließ. In der Zwischenzeit überzeugte ich einen befreundeten Pastor aus Freiburg mit Wilhelm Buntz einen evangelistischen Gottesdienst zu veranstalten. Die Informationen aus dem Familienumfeld klangen aber alle allzu wage und beschränkten sich auf allzu familiäre Aussagen. Man konnte da schon das Video vom Bruder von Wilhelm Buntz anhören, das hatte damals aber kaum Klicks und ich fand die Aussagen doch allzu unrelevant. Die Kritik konzentrierte sich auf Aussagen über den Vater. Dass Buntz z.B. behaupte, dass er tagelang im Kohlekeller eingesperrt gewesen sei, könne so nicht stimmen, denn es waren nur wenige Stunden (oder an einer anderen Aussage, das kam nie vor). Gerade familiäre Dinge werden häufig sehr unterschiedlich wahrgenommen. Sollte ich eine Biographie über meinen Vater schreiben, würde was ganz anderes rauskommen, als wenn sie mein Halbbruder schreiben würde.

Niemand schien sich um die eigentlichen Fragen zu kümmern. Plump gefragt: Wurde die Bibel wirklich geraucht? Oder das was sehr zentral im Buch ist: Wurde der Brief an die Staatsanwaltschaft geschrieben, in dem Buntz alle seine Vergehen zugibt? Gab es die Morde? Gab es den Autodiebstahl, der zum tödlichen Unfall mit dem Polizeiwagen führte?

Nur sehr vorsichtig wagte ich mich mit anderen über meine Zweifel an der Lebensgeschichte Buntz zu sprechen. Ich fragte im August 23 bei Idea warum das Video von Königskinder rausgenommen wurde und bekam diese Antwort:

“Sehr geehrter Herr Pauli,

uns haben einige Fragen bezüglich der Lebensgeschichte von Herrn Buntz erreicht, die wir aktuell prüfen.
Leider können wir noch nicht absehen, wie lange das dauern wird.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass das Video darum aktuell offline ist.”

Nun hat Idea am 26.02.2024 einen Artikel mit der Überschrift „Wer ist der Bibelraucher wirklich?“ veröffentlicht, der das Ergebnis einer monatelangen Untersuchung ist.

Die Recherche macht deutlich, dass die Biographie sich zahlreiche künstlerische Freiheiten erlaubt hat. So ist eher davon auszugehen, dass Wilhelm Buntz mit 14 und nicht, wie er behauptet mit 6 ins Kinderheim kam. Auch verschweigt die Biographie die Zweckehe, die Wilhelm mit einer 19 Jahre älteren Gefängnisbetreuerin einging, um früher entlassen zu werden. Die Ehe wurde geschieden. Buntz berichtet auf Nachfrage von Idea (nachzuhören im obigen Link zum Artikel), dass er damals sehr gewalttätig war, aber dass er sich mit seiner Frau versöhnen konnte, bevor sie starb. Jemand, der diese Frau am Sterbebett begleitet hat, berichtet aber auf Anfrage von Idea etwas anderes. Unklar bleiben auch andere Dinge. Mir scheint, das Buntz schon nachvollziehbar erklären kann, warum er manchmal von zwei und manchmal von drei Ermordeten spricht, aber dennoch bleibt ein mulmiges Zweifel-Gefühl zurück. Woher Wilhelm Buntz die genaue Uhrzeit seiner Bekehrung weiß, wenn doch in den Arrestzellen keine Uhren zugelassen waren, bleibt aber unklar, so wie auch die Angabe dieser Uhrzeit, die er nach eigenen Worten in seine Bibel schrieb, einmal wird nämlich 11.05 und einmal 11.06 genannt.

Vielleicht ist es die Folge solcher Recherchearbeiten, dass man zwar Unregelmäßigkeiten bei den Details aufdecken kann, aber leider geht auch Idea nicht auf die groben Linien „des Bibelrauchers“ ein. Wie schon oben genannt: Was ist mit dem Autounfall, der Inhaftierung, der Bekehrung in der Zelle?

Schon als ich den Bibelraucher das erste Mal hörte, fand ich es schade, dass sich die Biographie fast gänzlich auf die kriminelle Zeit von Buntz konzentriert, und nichts über seine Jahre danach berichtet. Das war damals meine Motivation für mein Interview. Ich wollte 2021 wissen, wer ist Wilhelm Buntz wirklich? Er berichtete mir, dass er eine charismatische Gemeinde besucht, erzählte mir über einen Jahrelangen Aufenthalt in Südafrika (über den ich gerne viel mehr erfahren hätte) und über seine Zeit als Gemeindegründer im Stuttgarter Umfeld.

Interessanterweise scheint all das kaum jemanden zu interessieren. Mich hat auch im letzten Idea-Podcast verwundert, dass es als eine solch überraschende Neuigkeit gewertet wird, dass für das Buch „der Bibelraucher“ ein Ghostwriter verantwortlich ist. Jeder, der die Facebook-Posts von Wilhelm Buntz liest, merkt, dass er es nicht so mit Grammatik und Rechtschreibung hat. Das erwartet auch keiner von ihm, dass das Buch sehr deutlich bearbeitet wurde, ist natürlich schon sehr schnell klar.

Dass SCM damals aber kaum Wert auf gründliche Recherchearbeit gelegt hat, ist spätestens seit dem Idea-Podcast klar. Das Statement, dass SCM nach einem erfolgreichen Geschäft mit dem Buch auf der Artikelbeschreibung hinterlassen hat, als es das Buch nach der 11. Gesamtauflage in wenigen Jahren aus dem Sortiment nahm, ist kaum glaubhaft. Dort heißt es: „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, Ihnen Bücher und Medien anzubieten, die hohen Qualitätsstandards entsprechen. In diesem speziellen Fall haben wir festgestellt, dass die Biografie inhaltliche Fragen und Spannungen aufwirft, die den Anforderungen an ein solches Genre nicht gerecht werden.“ Da

Dabei ist klar, dass SCM absolut niemanden kontaktiert hat und die genannte Erzählung kaum verifiziert hat. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Buntz in die Rolle gedrängt wurde. Umgeben von der vermeintlich positiven Wirkung („so viele Bekehrte durch das Buch“) nahm niemand mehr die Wahrheit wichtig.  Buntz gibt auf Nachfrage von Idea zu, dass das Werk zu 40% künstlerischer Freiheit unterworfen ist.

Ich habe SCM auch gefragt, warum das Buch nun aus dem Sortiment genommen wurde, aber an „Unkonkretheit“ kann man die Antwort, die ich von ihrem Pressesprecher bekam, wohl kaum überbieten. Ich gebe die Antwort im Original wieder:

„Sehr geehrter Herr Pauli,

wir verstehen, dass unsere Entscheidung, die Titel von Wilhelm Buntz aus dem Programm zu nehmen, Fragen aufwirft.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatten wir keine Zweifel an den im Buch geschilderten Geschehnissen. Im Laufe der letzten Jahre gab es jedoch immer wieder Anfragen aus unterschiedlichen Richtungen zu einzelnen Begebenheiten, die sich im Nachhinein nicht mehr einwandfrei verifizieren lassen. Leider können wir Ihnen keine detaillierten Informationen zu einzelnen Aspekten der Prüfung nennen.

Wir verstehen, dass dies vermutlich nicht alle Ihre Fragen beantwortet. Dennoch hoffen wir auf Ihr Verständnis, da wir nicht näher auf die Details eingehen möchten.“

Also mein Vertrauen auf Biographien aus dem Hause SCM ist erschüttert. Es ist nicht die einzige „Gangster-Bekehrung“ im Sortiment von SCM. Sicherlich werde ich für die nächste Zeit keine mehr aus diesem Hause lesen. Die Gleichgültigkeit, ob nun etwas wahr sei oder nicht, die von Veranstaltern, Verlegern, und man muss es auch sagen, von Buntz-Verehrern an den Tag gelegt wird, ist frustrierend und mindestens unchristlich.

In Facebook äußern sich einige zu Wilhelm Buntz Geschichte. Mich verwundert die absolute Gleichgültigkeit vieler Kommentatoren darüber, ob denn nun etwas wahr ist oder nicht. Ein Auszug aus einem Facebook-Post spricht stellvertretend für viele:

„… Über ihn habe ich plötzlich Sache gelesen, da fragte ich mich, wie kann das möglich sein, dass ein Christ so über seinen Bruder, über Willie spricht????Wie kann es möglich sein dass ein Christ sich so über seinen Bruder aufregt, beschwert, ihn verleumdet, streitet um Meinungen?? Dieses schrieb ich als Kommentar unter ein Video…Was macht ihr bitte für einen absoluten Schwachsinn hier? Das ist ja nicht zu fassen. Es hätte alle meine Haare aufgestellt, hätte ich noch welche gehabt. Was macht diese Sendung für einen Sinn? Zu diskutieren, ob der ein Mikrofon hier hatte oder dort, Ob der Willy Buntz das so gemeint hat oder anders. Ob er da alles so gesagt hat wie er sich errinnert hat. Ob, ob, ob…Was hat das jetzt für einen Sinn? Über eine Stunde kostbarste Zeit verloren.  Hallo??Jesus sagte was? Wir sollen diskutieren ob das so oder so ist? Genau das sagte er uns. Träum weiter. Jesus sagte uns was wir tun sollen: Allen das Kreuz predigen. Du bist gerettet durch das Kreuz- mehr nicht“

Ich frage mich nach solchen Kommentaren, ob es einem beachtlichen Teil der evangelikalen Christenheit sogar egal ist, ob selbst die Geschichte von Jesus stimmt oder nicht, so lange sie die „gewünschte Wirkung“ hat?  Natürlich ist es entscheidend, ob eine Geschichte wahr ist oder nicht. Es ist das Entscheidendste überhaupt.

Ich frage mich auch, ob wir durch unsere Gier nach spektakulären Bekehrungsgeschichten nicht genau solche Ergebnisse provozieren. Auch den „Tiger zähmen“ oder „Vergib mir Natascha“ waren solche dramatischen Bekehrungsgeschichten, die am Schluss den Leser nur mit offenen Fragen und Zweifeln hinterließen. Und nach 8 Monaten Zweifeln an Buntz‘ Lebensgeschichte kann ich euch sagen: der Zweifel ist noch schlimmer als die Gewissheit, dass es alles erstunken und erlogen ist. Das ist mir klar geworden, als ich neulich meine Bücher ausgemistet habe. Da hatte ich auch eine signierte Fassung des Bibelrauchers. Das Buch ging auch ins Paket an Medimops.

Ich denke, dass auch manch eine spektakuläre Umkehr von Homosexuellen und LGBT-Vertretern, die gerade unter Christen gefeiert und gepusht werden, sich früher oder später als Hype erweisen werden. Vor der Causa Buntz hätte ich mich niemals getraut, diesen Verdacht öffentlich auszusprechen.

(Update vom 25.03.2024): Ich habe mich nun heute doch entschieden, das Video von Wilhelm Buntz zu deaktivieren. Auf private Anfragen kann ich es aber z.B. für Recherchezwecke zukommen lassen. Dieser nachfolgende Text wurde gestrichen:

Ich ärgere mich auch über den SCM, weil ja genau ihr Buch mich dazu geführt hat, das Interview zu machen, für Buntz Werbung zu machen, Leute zu seinen Veranstaltungen zu bringen. Doch dass ich für eine Deaktivierung tatsächlich Fakten benötige und nicht eine Standard-Antwort eines Pressesprechers, ist dem Verlag egal. Das stört mich. Das ist einer von mehreren Gründen, warum das Interview zunächst online bleibt. Dazu kommen diese:

    • Ich habe damals Wilhelm Buntz gar nicht so viel zum Buch sondern zu persönlichen Sachen gefragt
    • Da immer mehr Postings von Buntz verschwinden hat er neulich auf das Video verwiesen. Der Link bekam viele Likes, ich sehe aber an den YouTube-Zugriffszahlen, dass kaum jemand das Video anschaut
  • Letztlich ist es auch ein Zeitdokument. Es bringt ja nichts, Dokumente immer verschwinden zu lassen und zu deaktivieren. Einen erklärenden Hinweis erwäge ich aber.
  • Und vielleicht ist es auch ein Mahnmal für mich, nicht wieder so schnell auf christliche Hypes abzufahren.

Wirklich beklagenswert ist, dass die ganze Sache so viele Verlierer hat.

 

11 Kommentare

  1. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon mit anderen Büchern und auch Zeugnissen machen müssen. Mit den Jahren kommt die Erfahrung und man wird vorsichtiger und glaubt nicht mehr einfach so alles.

    Vor ein paar Jahren bekam ich eine Biografie über die Gründung einer christlichen Gemeinde zu lesen, es hat sich vieles sehr schön angehört aber nachdem meine Tante das Buch gelesen und uns gesagt hat das bis auf ein paar Kleinigkeiten das meiste in dem Buch nicht stimmen kann (sie war dort in der Gemeinde als Jugendliche aufgewachsen) war ich wiedermal einer Erfahrung reicher.

    1. ja, ist manchmal in der Tat zermürbend, ich bin mir aber bei Buntz immer noch nicht endgültig in wie weit er sicher ist. Angenommen da sind Details seiner Biographie, die ihm ganz wichtig und wahr sind und nun kommt jeder, und verwirft genau diese Aspekte. Andere Aspekte sind natürlich dennoch beim Bibelraucher bewusst gefärbt. Dass eine Scheidungsgeschichte einem konservativen Publikum nicht passt, dürfte so ein Beispiel sein.

  2. Das Schlimme ist, so sehr ich den Artikel nicht mag (weil ich die Geschichte sehr überzeugend fand), ist er doch gut geschrieben und es veranlasst mich, das zu prüfen und anzunehmen. Ich teile die Analyse, dass es eben doch wichtig ist, ob etwas stimmt. Und dass man seinen Bücherschrank ausmisten muss.
    Warum hat der Autor diese dann allerdings nicht verbrannt, sondern “Das Buch ging auch ins Paket an Medimops” verstehe ich nicht. Er macht ja das gleiche wie SCM 😉

    1. Stimmt, ein guter Hinweis mit der Büchervermarktung. Dass ich das Buch über den Bibelraucher nicht in den Ofen schmiess, liegt daran, dass ich immer noch eine Sympathie für Autor und Buch hege, aber die Rahmenbedingungen haben das Buch “für mich” verbrannt, ich werde es nicht mehr lesen können.

  3. Wenn man SCM anschuldigt, Geld mit falschen Büchern zu machen und dann die Bücher bei Neumond Medimops weiterverkauft….

    Ansonsten viel gutes im Artikel.

  4. Ich habe vor 40 Jahren zu Jesus gefunden, aber nicht anhand einer atemberaubenden Biografie. In diesen Jahren musste ich feststellen, wie vielen Christen es offenbar egal ist, wenn Erlebnisse übertrieben und ausgeschmückt werden. Und dass Begebenheiten als Tatsachen kolportiert werden, ohne sich zu fragen, wie viel davon stimmt. Nur: Sind wir dann noch glaubwürdige Zeugen von Jesus, wenn wir argumentieren “Auch wenn nicht alles davon so stimmt, wichtig ist doch nur, dass sich Menschen bekehren?” Zu wem sollen sie sich bekehren? Zu Jesus, der von sich in Johannes 14,6 sagt, dass er die Wahrheit ist!

    Da dürfen wir einfach nicht mit übertriebenen Lebensgeschichten kommen, genauso wenig mit erfundenen Heilungszeugnissen. Wir liefern den Spöttern und Leugnern doch die ideale Steilvorlage: “Wenn dieser Bericht nur in Teilen stimmt, warum sagt ihr dann, die Bibel stimmt als Ganzes?” Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel! Was wir sagen, muss nachprüfbar und wahr sein, auch auf die Gefahr hin, dass es dann nicht spektakulär ist. Spektakulär ist nämlich nur das Drama danach…

    Und auch gläubige Christen brauchen nicht unbedingt Bestseller, in denen uns auf jeder Seite Wunder begegnen, die wir in unserem eigenen Alltag dann schmerzlich vermissen. Und uns dann irgendwann die Frage stellen: “Bin ich eigentlich ein richtiger Christ, wenn ich so wenig erlebe? Was mache ich falsch – hat Gott mich nicht so lieb wie … ?” Aus meiner Bibel lese ich, dass Gott mich liebt, dass er mir vergeben hat und mich annimmt, obwohl ich das nicht verdient habe. Ist das nicht erstaunlich genug? Auch ich erlebe Gottes Eingreifen im Alltag, seine Bewahrung und Führung – und vor einem Jahr auch echte Heilung. Für ein Buch reicht das bestimmt nicht, aber für die ermutigende Aussage: “Es ist wunderbar, ein Christ zu sein, auch wenn ich nicht Wunder im Wochentakt erlebe.”

  5. Hi,
    du schreibst, dass es das wichtigste überhaupt ist, dass eine Geschichte wahr ist.
    Dem stimme ich zu – gebe aber zu bedenken: Es gibt auch wahre Geschichten – die zum Beispiel etwas wahres über das Menschsein ausdrücken – die sind wahr obwohl sie nie passiert sind.
    Unsere Persönlichkeit ergibt sich zu einem großen Teil aus den Geschichten/Deutungen von Erlebtem, die wir über uns erzählen – und das kann sich mit etwas Abstand auch verändern. Denn Erinnerungen sind immer subjektiv – nie objektiv.
    Wenn man solche Dinge in Buchform bringt oder darauf eine Vortrags- und Reisetätigkeit aufbaut, dann muss man sich darüber im Klaren sein – dann gilt eine höhere Sorgfaltspflicht, aber mit der Forderung: Es muss alles auch so passiert sein, wird man dem Genre eben nicht gerecht. Als Hörer aber eben auch: Hier erlebe ich einen Menschen, der in einer bestimmten Art und Weise sein Leben erzählt und deutet. Davon kann ich lernen, oder eben auch nicht.
    Ich hab einen Christen aus Indien getroffen, der davon berichtete, dass seine kürzlich verstorbene Mutter noch einmal lebendig wurde und mit ihm gesprochen hat, nachdem Christen vor Ort für sie gebetet haben. Das war sein Bekehrungserlebnis.
    Ich glaube diesem Menschen seinen Glauben und was das für ihn bedeuet hat. Die Totenauferweckung dieser Frau glaube ich nicht. Für die Erkenntnis, dass ich so damit umgehen kann (und die Spannung aushalte) habe ich aber mehr als ein Jahr gebraucht.

    1. Hi Hendrik, das Element des Irrtums in eigenen Erfahrungsberichten kommt häufig zu kurz und jemand der das ausnutzen möchte, kann aus jedem Irrtum eine bewusste Irreführung formen/unterstellen, da gebe ich dir recht. Ich schrieb schon einmal darüber (https://www.glaubend.de/an-der-grenze-von-irrtum-und-falschheit/) und tatsächlich räume ich “eigenen Berichten” sogar eine gewisse künstlerische Freiheit zu. Irrtum von Falschheit zu unterscheiden ist gar nicht so einfach. Das Problem ist nur: Was ist jetzt überhaupt wahr am Bibelraucher?
      Dein Beispiel ist ziemlich passend aber natürlich auch ziemlich heftig, das weiß ich nicht, ob ich das hätte ausgehalten, so wie du.

  6. Ich finde das eine sehr tragische Geschichte:
    * die Glaubwürdigkeit von Christen wird massiv in Frage gestellt
    * bei Büchern von SCM muss man sich fragen, ob / wie viel wahres noch dran ist
    * nach den Interviews im Originalton fragte ich mich, warum da niemand (!!) vorher misstrauisch wurde (ging es nur ums Geld)?
    * aber auch die Ideareportage hinterlässt bei mir einen faden Beigeschmack, dass sich dort Autoren profilieren wollen. Wenn sie Ihre hoch betonte Demut und lautere Gesinnung wirklich so gemeint hätten, hätten sie nicht so viele nebensächliche Details zelebrieren müssen, die z.T. auf mich auch ihrerseits nicht immer die Grenze zur Mutmaßung eingehalten haben.

    Eine Biographie, die ein anderer schreibt, muss sorgfältig(er) recherchiert werden. Eine Autobiographie kann Erinnerungsveränderungen enthalten (nicht in dem aufgedeckten Maß vom Bibelraucher!!). Dabei muss aber alles, wie bei jedem Sachbuch, jeder biblischen Auslegung durch die Wahrheit und durch Fakten gedeckt sein.

    Lehrreiche Geschichten, die nicht auf Fakten beruhen, nennt man “Gleichnisse” oder “Fabeln”. Auch da müsste man sorgfältiger Differenzieren. Ich bin gespannt, ob es gelingt, dass sich alle Beteiligten der Wahrheit stellen werden, die frei macht. Denn als Christen gibt es einen Faktor, den es sonst nicht gibt: Ich muss nicht vertuschen, ich darf bekennen und Vergebung bekommen.

    1. Hallo Walter, danke für diesen guten Kommentar. Ich habe nach dem IDEA-Podcast immer wieder die Reaktion von Wilhelm Buntz gesucht und fand sie leider regelmäßig etwas enttäuschend. Das führte dann dazu, dass ich das Interview mit ihm dann rausgennommen habe.

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