Ein seltsamer Bruch in der Evangelisch-Methodistischen Kirche

Ein Artikel von Carl R. Trueman:

 

Die evangelisch-methodistische Kirche (United Methodist Church, im Folgenden EMK)  hat beschlossen, sich aufgrund der gleichgeschlechtlichen Ehe zu teilen. Das ist aufgrund der langanhaltenden, diese Denomination nun lange beschäftigenden Meinungsverschiedenheiten keine große Überraschung. Die EMK hat diese Trennung auf eine beachtenswert friedliche Weise arrangiert. Die vorgeschlagene Lösung, die durch ein Komitee erstellt wurde, das sich aus Mitgliedern beider Seiten dieser Debatte zusammensetzte, wird (hoffentlich) die Streitigkeiten und Unruhe über Besitztümer und Pensionen vermeiden, die andere denominationelle Brüche unserer Zeit gekennzeichnet haben.

Es ist jedoch seltsam, dass dieses Thema die Teilung verursacht hat. Gleichgeschlechtliche Eheschließungen wurden nicht aufgrund ihrer eigenen Vorzüge plausibel oder verpflichtend. Sie wurden alleine deswegen plausibel, weil sie in weiteren und tiefergehenden Verschiebungen innerhalb des gesellschaftlichen Selbstverständnisses funktionieren. Die sexuelle Revolution war immer nur ein Symptom der Revolution des Selbstbewusstseins, wobei der ausdrucksstarke Individualismus dazu überging, das Verständnis unserer Kultur über Lebensanliegen zu dominieren. Das bedeutet wiederum, dass jede Kirche, in der gleichgeschlechtliche Trauungen bedeutend genug sind, teilende Debatten hervorzubringen, eine Kirche ist, in der ein bedeutender Teil der Mitglieder (und Verantwortlichen) bereits den Zeitgeist bezüglich Persönlichkeit, Liebe, Geschlechtlichkeit und Sexualität aufgesaugt hat – ob nun absichtlich oder durch Kulturosmose. Und das heißt dann, dass es eine Kirche ist, die die grundlegende christliche Anthropologie und ein orthodoxes Verständnis biblischer Autorität verlassen hat.

Die EMK war bereits ein Theater zahlreicher Kämpfe über grundlegende Rechtgläubigkeit. Im Blog Juicy Ecumenism hat Mark Tooley auf das Versagen der Kirche hingewiesen, mit Bischof Joseph Sprague umzugehen, der die ewige Gottheit Christi und seine körperliche Auferstehung leugnet. Eine Gemeinde der EMK veranstaltete eine Konferenz, in der die Auferstehung geleugnet wurde. Zudem weißt eine scharfzüngige Antwort an Tooley von einem EMK-Diener darauf hin, dass die EMK selbst im Unklaren darüber sei, was nun Rechgläubigkeit ausmacht. All dass macht die Spaltung über das Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe eher seltsam. Ist die Definition der Ehe wichtiger als die Auferstehung? Hängt nicht vielmehr die christliche Definition der Ehe von der Christologie ab, in der die Auferstehung eine zentrale Rolle spielt? Hier liegt das Risiko: Gegen die gleichgeschlechtliche Ehe zu kämpfen, während man Ketzereien über fundamentale Lehrpunkte toleriert, macht einen gegenüber dem Vorwurf verwundbar, dass man weniger durch die Treue gegenüber dem christlichen Glauben als durch Homophobie motiviert ist. Ich sage natürlich damit nicht, dass die Konservativen der EMK durch Homophobie motiviert sind. Ich sage jedoch, dass nachdem man soviel geschehen ließ, ohne sich zu teilen, dieser Vorwurf plausibel klingt, wenn man die gleichgeschlechtliche Trauung zu dem ultimativen Todeskandidaten erklärt.

Das berührt zwei weitere Schwierigkeiten, mit der Christen bezüglich der gleichgeschlechtlichen Ehe konfrontiert sind. Zunächst existiert ein tiefes kulturelles Problem: Dieses Thema kann nicht von weitergehenden kulturellen Pathologien isoliert werden, die sich über viele Jahre gebildet haben. Der hilfreiche Austausch zwischen Rod Dreher und Robert P. George letzte Woche betont die zahlreichen Probleme, die Traditionalisten mit diesem Thema besitzen, insbesondere die Feigheit, die zu viele gekennzeichnet hat.

Doch Mut ist nicht genug. Wir leben in einer Zeit und in einem Raum, in dem die grundlegenden Fragen bezüglich gleichgeschlechtlicher Ehe , schon längst geklärt wurden. Für meine Generation war das ästhetische Argument (Homosexualität als eklig), das die Generation unserer Eltern im Zaum hielt, kaum noch plausibel. Für die aufwachsende Generation, deren Geschmacksnerven durch alles von Sitcoms bis zur Internet-Pornographie geprägt wurden, ist das ästhetische Argument so lächerlich, wie das Folgende (um Freuds berühmtes Beispiel zu verwenden): Was bewegt einen Mann dazu, sich am Küssen seiner Frau zu erfreuen, doch sich davor zu ekeln, ihre Zahnbürste zu verwenden? Die Kräfte jedoch, welche die Moralität zu einer Funktion der Ästhetik machen und das traditionelle Christentum geschmacklos dastehen lassen, sind zu durchringend, als dass zu viel Hoffnung bleibt, dass sich die Situation (zumindest in den nächsten Dekaden) zum Besseren wendet. Eine Revolution, die sich so lange entwickelte und in ihrem Anliegen so umfassend war, kann ohne eine ähnlich chronische Umdrehung nicht rückgängig gemacht werden.

Zum Zweiten, um zum Bruch in der EMK zurückzukehren, kann die christliche Kirche von ihrer aufwachsenden Generation junger Leute, nicht erwarten, die Linie der traditionellen Sexualethik aufrecht zu erhalten, wenn diese Generation nicht ordentlich in den Grundlagen des Glaubens gelehrt wird. Gleichgeschlechtliche Ehe ist nicht wirklich das Thema. Gründliche Katechese (d. h. Unterweisung; Anm. d. Übersetzers) ist es. Auf die Gefahr hin, eine Tautologie zu riskieren: Wenn die christliche Ehe Sinn macht, dann nur im Rahmen des Christentums, auf Grundlage einer Ethik, die in christlicher Lehre verwurzelt ist. Es macht keinen Sinn, eine Denomination oder Versammlung aufgrund der gleichgeschlechtlichen Trauung zu teilen, wenn diese Teilung nicht durch eine tiefergehende Hingabe an das bekennende Christentum motiviert ist.


 

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Carl R. Trueman unterrichtete lange Zeit Kirchengeschichte am Westminster Theological Seminary und unterrichtet seit 2018 am Grove City College. Der hier veröffentlichte Artikel erschien zuerst  am 09.01.2020  auf firstthings unter dem Titel: A strange split in the UMC

Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors und firstthings.

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