Ein Artikel von Vern Poythress: Theophany. Übersetzung unter Creative Commons License with Attribution – ShareAlike (CC BY-SA 3.0US)
Definition
Eine Theophanie ist eine Erscheinung Gottes, eine intensive Manifestation der Gegenwart Gottes, die durch außergewöhnliche visuelle Erscheinungen begleitet wird.
Zusammenfassung
Eine Theophanie ist eine Erscheinung Gottes, spezieller Teil des Themas: „Gegenwart Gottes.“ Eine Theophanie ist eine Erscheinung Gottes, eine intensive Manifestation der Gegenwart Gottes, die durch außergewöhnliche visuelle Erscheinungen begleitet wird. Im Alten Testament hat Gott seinem Volk seine Gegenwart auf verschiedene Weise visualisiert (im Sturm, auf dem Thron, als Krieger, als Mensch), doch Jesus Christus dient als zentraler Höhepunkt der Theophanien der Geschichte: Gott-wird-Mensch. Wir können verstehen, wie sich Gott seinem Volk selbst als ein Bote oder als Engel darstellen kann, wenn wir sehen, dass Christus als Bote Gottes kommt, obwohl er völlig Gott ist. In diesem trinitarischem Mysterium, fangen wir an die Wege zu erkenne, die Gott ausgesucht hat, um sich selbst seinem Volk in der Geschichte zu zeigen.
Eine Theophanie ist eine Erscheinung Gottes. Wir können sie auch als intensive Mani-festation der Gegenwart Gottes, die durch außergewöhnliche visuelle Erscheinungen begleitet wird, verstehen.
Beispiele für Gotteserscheinungen
Die Erscheinung Gottes als Wolke, Blitz und Donner am Berg Sinai (2. Mo. 19) ist eine der großartigsten und eindrücklichsten Theophanien des Alten Testaments. Es gibt andere beeindruckende Erscheinungen Gottes. Der Herr erscheint Jesaja, „sitzend auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel“ (Jes. 6,1). Der Herr erscheint Hesekiel inmitten mysteriöser „lebender Kreaturen“, die später als „Cherubime“ identifi-ziert werden (Hes. 1;10). Er erscheint Daniel als der „Uralte“ in einem Traum (Dan. 7,1; 9-10).
Die Bedeutung der Gotteserscheinungen
Gotteserscheinungen sind ein intensiver Teil eines größeren Themas der Gegenwart Gottes. Gott kann seine Gegenwart bestätigen, um seine Feinde zu zerstören, wie es z.B. im Fall der Rebellion von Korah deutlich wird (4. Mo 16,19. 30-35) oder im letzten Gericht am weißen Thron (Offb. 20,11-15). Doch prinzipiell erscheint Gott in den meisten Fällen, um seinen Bundessegen auszudrücken: „Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.” (Jer. 31,33). Theophanien sind besonders intensive und spektakuläre Ausdrücke eines breiten theologischen Themas, nämlich, dass Gott sich entscheidet, unter seinem Volk zu sein. Er ist im Segen gegenwärtig, weil die Trennung der Sünde und Schuld durch das Opfer Christi zerstört wurde.
Im Alten Testament weist die Gegenwart Gottes seinem Volk auf den Höhepunkt der Gegenwart Gottes hin, wenn Christus zur Erde kommt. „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn ” (Hebr. 1,1–2). Jesajas Prophezeiung gibt Christus den Namen: Immanuel (was „Gott mit uns“ bedeutet) (Mt. 1,23; vgl. Jes. 7,14).
Somit können wir sagen, dass Christus die endgültige Theophanie ist, der Höhepunkt der Erscheinungen Gottes. Dabei bezieht sich dieser Höhepunkt sowohl auf sein erstes wie auf sein zweites Kommen. Er ist bereits bei seinem ersten Kommen „Immanuel“ (Mt. 1,23). Bei seinem zweiten Kommen „werden ihn sehen alle Augen.” (Offb 1,7). Weil Christus Gott im Fleisch ist, werden die Menschen Gott sehen, wenn sie Christus sehen (Joh. 14,9). Der endgültige Segen der Heiligen besteht darin, Gott zu sehen: „(Sie werden) sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein.” (Offb 22,4).
Wir sollten aber beachten, dass die Fleischwerdung Christi sich von den alttestamentlichen Gotteserscheinungen unterscheidet. Die alttestamentlichen Theophanien sind vorlaufend. Sie schatten und figurieren das Kommen Christi im Fleisch vor. Das Kommen Christi ist ihre Erfüllung und ihr Klimax (Mt. 5,17). Zudem ist Christi Fleischwerdung permanent, während die Gotteserscheinungen des Alten Testaments temporär waren. Gott sorgte dafür, dass die alttestamentlichen Gotteserscheinungen in sich einen Hinweis auf ihren vorlaufenden Charakter besaßen. Das alte Testament erwartet das Neue, nicht nur durch direkte Vorhersagen, sondern auch durch Symbole, die Aspekte darüber abbilden, wer Christus ist und was er tun wird, um die Erlösung zu vollenden. Somit besitzen die alttestamentlichen Theophanien eine vorausblickende und symbolische Dimension.
Relative Intensität
Die Theophanie am Berg Sinai und die, die Jesaja und die Hesekiel erlebten, gehören zu den spektakulärsten des Alten Testaments. Doch es gibt andere. Bemerkenswerte Erscheinungen könnten mit weniger beeindruckenden verglichen werden. Klare kann man mit eher mysteriösen vergleichen.
So enthalten die Beschreibungen in 2. Sam 22,8-16 und Ps. 18,7-15 eine Sprache über Donner und Blitz, die uns an den Berg Sinai erinnert. Es ist gottesoffenbarende Sprache. Doch David verwendet sie poetisch, um auszudrücken, wie Gott sich um ihn in irdischer Verunsicherung gekümmert hat (2. Sam. 22,7; Ps. 18,6). Hat David wirklich einen Sturm gesehen, als Saul ihn verfolgt hat (2. Sam. 22,1)? Oder ist es eher eine poetische Beschreibung davon, wie Gott während Davids Notlage unsichtbar bei ihm war. Beeindruckende Theophanien sind mit einer tieferen Gegenwart Gottes verknüpft. Gott verwendet spektakuläre Erscheinungen, um mit seinem Volk Beziehungen aufzubauen, die sich durch die Geschichte fortsetzen. Seine spätere Gegenwart ist als eine Fortsetzung der Gegenwart zu verstehen, die so lebendig in den Theophanien gespürt wurde.
Der Engel des Herrn
Betrachten wir z.B. die Erfahrungen Manoahs und seiner Frau, wie sie in Ri. 13 aufgezeichnet sind. Der Kern der Erzählung beginnt, wenn „ein Engel des Herrn“ Manoahs Frau erscheint (V. 3). Wer ist dieser „Engel des Herrn“? Das Wort „Engel“, das in den meisten englischen (und deutschen) Übersetzungen erscheint, könnte manche Menschen dazu verleiten, an etwas zu denken, was wir in unserer modernen Situation heute als Engel bezeichnen würden: Ein geschaffenes geistliches Wesen, dass dem Herrn dient. Ein Beispiel dieser Art findet sich in Luk. 1, wo Zacharias dem Engel Gabriel begegnet (Luk. 1,11,19). Wenn Ri. 13 in die gleiche Kategorie gehört, kommt der Engel mit einem Auftrag von Gott selbst. So deuten seine Gegenwart und Botschaft indirekt auf die Gegenwart Gottes hin. Doch Engel bleibt Engel. Er ist nicht Gott selbst.
Doch die Situation ist deutlich komplizierter. In Ri. 13,3 wird im Hebräischen das Wort mal’ak verwendet, was „Bote“ bedeutet. Es kennzeichnet die Funktion einer Person, nicht seinen Status als Gott oder als Geschöpf. So ist z.B. der Prophet Haggai ein „Bote des Herrn“ (Hag. 1,13, das hier im Hebräischen dasselbe Wort verwendet). So wird auch der Priester des Herrn beschrieben (Mal. 2,7). Geschaffene Engel werden als „Boten“ be-zeichnet, wenn sie die Botschaft Gottes weitertragen.
Wer ist nun die Person, die Manoahs Frau in Ri. 13 erscheint? Die Frau beschreibt ihn als „einen Mann Gottes“ (V.2-6). Denkt sie, dass er bloß ein menschlicher Bote ist, weil er in menschlicher Form kommt? Sie sagt, dass „seine Gestalt anzusehen war wie der Engel Gottes, zum Erschrecken“ (V. 6). Sie spürt ein übernatürliches Wesen.
Später trifft Manoah diese Person. Er frägt: „Was ist dein Name?“ (V. 17). Der Bote gibt eine zutiefst mysteriöse Antwort: „Warum fragst du nach meinem Namen, der doch wunderbar ist?“ (V. 18). Es klingt, als wäre es ein göttlicher Name, höher als alles Verstehen. Schließlich schlussfolgert Manoah: „Wir müssen des Todes sterben, weil wir Gott gesehen haben.“ (V. 22). Dank Gottes Güte müssen Manoah und seine Frau nicht sterben, doch Manoahs Reaktion liefert einen Beweis dafür, dass dieser bestimmte Bote nicht bloß ein Bote war, um Gott zu repräsentieren, sondern Gott selbst war.
Vergleichbare Fälle lassen sich an anderen Stellen finden. Der „Engel“ oder Bote des Herrn in 2. Mo 23,21 wird von Gott so beschrieben, „dass mein Name in ihm ist“. Sein Name ist der göttliche Name, der selbst göttlich ist. Somit ist auch der Bote selbst göttlich.
Hagar, die ägyptische Frau Abrahams begegnet „dem Engel des Herrn“ in 1. Mo 16,7-14. Der Text sagt: „Sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht“ (16,13). Die ganze Erzählung scheint Hagars Verständnis zu bestätigen. Sie begegnet nicht bloß einem geschaffenen Engel, sondern Gott höchstpersönlich.
Diese Beispiele zeigen, dass der Ausdruck „Der Engel des Herrn“ einen Boten des Herrn bezeichnet, aber offen lässt, ob dieser Bote selbst göttlich ist oder ein geschaffener Engel, oder gar ein menschlicher Bote, wie im Falle Haggais ist. Der Kontext ist der Schlüssel.
Die Dreieinigkeit in göttlicher Botschaftsübermittlung
Kann es einen Boten geben, der aus sich heraus göttlich ist? Ein Bote ist per Definition jemand, der eine Botschaft von jemand anderen hat, eine Botschaft die an Stelle des Botensenders ausgeliefert wird. Was folgern wir also, wenn sowohl der Bote, wie der Botensender jeweils göttlich sind?
An dieser Stelle haben wir alttestamentliche Antizipationen der volleren neutestament-lichen Lehre über die Dreieinigkeit. Im Neuen Testament erkennen wir, dass der eine wahre Gott auch drei Personen ist, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Sohn wird vom Vater in die Welt gesandt. Der Sohn liefert das Wort aus, dass der Vater ihm gegeben hat: „Was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.“ (Joh. 12,50, vgl. 12,49). Der Vater ist der Ursprung und der Sender der Botschaft; der Sohn ist der Bote, der die Botschaft übermittelt.
Der Vater verbleibt (dwells) im Sohn, so dass die Worte des Sohnes auch die Worte des Vaters sind. Sie sind also auch die Worte des Geistes, der im Sohn verbleibt. All dies ist äußerst geheimnisvoll, weil die Dreieinigkeit mysteriös ist.
Die Dreieinigkeit in den Theophanien
Nur mit der Lehre der Dreieinigkeite erkennen wir, wie Manoah und Hagar Gott treffen konnten. Gott ist der Sender der Botschaft und Gott ist der Botschaftsübermittler, beide in einer Erscheinung. Er ist der Sender und der Bote. Der Vater spricht zu ihnen durch den Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes. Alttestamentliche Theophanien sind auf einem tieferliegenden Level trinitarische Theophanien. Hier ist ein Gott in drei Personen.
Arten von Theophanien
Bis zu einem gewissen Grad können wir Theophanien in unterschiedliche Arten einordnen. Es gibt stürmische Theophanien, wie die am Berg Sinai. Es gibt Thronsaal- Theophanien, in denen Gott auf seinem Thron inmitten seiner dienenden Engel erscheint (Dan. 7,9-10) Es gibt Theophanien als Mensch, wenn Gott in menschlicher Form erscheint (z.B. zu Manoah und seiner Frau). Es gibt Erscheinungen als Krieger, wenn Gott als ein menschlicher Krieger beschrieben wird (2. Mo. 15,3; Jes. 49.,17). Es gibt Erscheinungen auf einem Wagen, wenn Gott als einer auf einem Wagen beschrieben wird (Ps 18,10, manchmal mit der Erwähnung von Rädern, Hes. 1,15-21). Es gibt Theophanien der Ehre und Wolken, wenn Gott in einer hellen „erhabenen“ Wolke oder manchmal in einer dunklen Wolke erscheint. Gott spiegelt seine Ehre in der geschaffenen Welt wieder, so dass wir die Analogie zwischen Schöpfung und Theophanie erkennen können (Ps. 104,1-4)
Jesus Christus, als die ultimative „Theophanie“ ist die Erfüllung aller symbolischen Kommunikation theophanischer Formen.
Literaturhinweise
- Andrew S. Malone, Knowing Jesus in the Old Testament?: A Fresh Look at Christophanies
- Ernst W. Hengstenberg, Christology of the Old Testament
- Glenn R. Kreider, God with Us: Exploring God’s Personal Interactions with His People throughout the Bible
- Ryan Lister, The Presence of God: Its Place in the Storyline of Scripture and the Story of Our Lives
- Vern S. Poythress, Theophany: A Biblical Theology of God’s Appearing