Vorsehung

Ein Artikel von Paul Helm: Providence. Übersetzung unter Creative Commons License with Attribution – ShareAlike (CC BY-SA 3.0US)

Download als .pdf

Definition

Die Vorsehung Gottes ist das Wirken der Souveränität Gottes um seine Schöpfung fortwährend aufrechtzuerhalten, zu lenken und für sie zu sorgen.

Zusammenfassung

Gottes Vorsehung ist das Wirken seiner Macht, um seine Schöpfung aufrechtzuerhalten, zu lenken und für sie zu sorgen. Manche Theologen haben das als fortschreitende Schöpfung bezeichnet, entgegen den Darstellungen, dass Gott die Welt erschaffen hat und dieses Werk beendet hat. Die Vorsehung Gottes lässt keinen Raum für Zufall oder für den Kampf zwischen Gott und einer anderen Macht. Gott als die Erstursache bewirkt alles, doch das beseitigt nicht die Fähigkeit der Schöpfung zu handeln oder zu wirken. Vielmehrt gewährt Gott allen Kreaturen ihre Macht ursächlich in der Welt zu handeln. Die Vorsehung Gottes unterscheidet sich von der Vorherbestimmung (Prädestination) darin, dass die letztere sich insbesondere auf die Errettung der Erwählten fokussiert, während Vorsehung allgemein ist. Wir können nicht alle Details von Gottes vorsehenden Plan wissen. Nur Gott weiß, wie alle Dinge zusammenwirken werden. Schließlich muss auch das christliche Gebet vor allem ein Ausdruck der Bestrebungen von Christi Nachfolgern in der Gegenwart Gottes sein, statt eine Liste von Forderungen.

Das Werk der Vorsehung ist ein Aspekt der Souveränität Gottes in Bezug auf seine Schöpfung. Er hat nicht einfach nur das Universum geschaffen, sondern er erhält und regiert es. Und, wenn es wahr ist, dass neue Galaxien entstehen ohne natürliche Ursache derer, die bereits existieren, dann setzt sich das Bewirken der Schöpfung fort. Manche Theologen, so wie der bekannte Theologe William Ames (1576-1633) haben die göttliche Vorsehung  als eine creatio continua einschließend, beschrieben. Die Vertreter der Lehre haben dies im Angesicht unterschiedlicher Einwände aus heidnischer und subtheistischer Darstellung von Gottes Fürsorge getan. Zum Beispiel vertrat Aristoteles eine Idee von der Vorsehung, die Gott eine generelle Fürsorge für die Schöpfung zuschreibt. Diesem hielt man entgegen, dass Gottes Fürsorge sowohl die kleinsten wie die größten Dinge einschließt. Die Haare auf unserem Kopf sind allesamt gezählt (durchnummeriert), wie auch die Anzahl des Aufwachens und des Einschlafens. Entgegen den Deisten, die denken, dass Gottes Schöpfung durch einen innewohnenden Impuls einer physikalischen Bewegung ausgelöst wurde, ist die Schöpfung abhängig von der unmittelbare Macht Gottes. Die Vorsehung ist detailliert, „akribisch“ und Gott übt seine Macht beständig aus, um seine Schöpfung zu erhalten; ohne diese Erhaltung würde die Schöpfung zu Nichts zerfallen. Um also die biblische Sicht von Alternativen zu unterscheiden, gibt es, wie bereits erwähnt, einen Sinn, in dem Gottes Bewahrung seiner Schöpfung durch die Zeit eine kontinuierliche Schöpfung beinhaltet.

Vorsehung und Zufall

Eine deutliche Folge dieser akribischen Vorsehung ist die Verbannung jeglicher „glücklicher“ Ereignisse oder Taten als Folge des Schicksals aus unseren Gedanken. Es gibt keine andere Quelle von Ereignissen, wie überraschend oder ärgerlich sie uns erscheinen mögen, als den Willen des Allmächtigen Gottes, der „der alles wirkt, nach dem Ratschluss seines Willens“ (Eph. 1,11). Jakobus warnt uns davor, Ereignisse, die gegenwärtig in unserer Macht zu sein scheinen, als garantiert anzunehmen (Jak. 4,15). Selbst Satan und die anderen gefallenen Engel sind dem göttlichen Willen untergeordnet (Hiob 1). Die Christliche Theologie ist monistisch nicht dualistisch. Es war für die Brüder Josephs eine Überraschung die Karawane der Midianiter zu sehen und gleicherweise überraschend, dass sie Joseph an diese auf ihrer Reise nach Ägypten verkaufen, statt ihn zu töten. Doch sie mussten entdecken:  Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.” (Gen 50,20)

Gott als Ursache

Traditionell unterscheidet man zwischen Gott als Erstursache und die Ursachen der Schöpfung als sekundäre Ursachen, um die Unterscheidung zwischen den Kausalmächten der Schöpfung und Gottes Macht zu ermöglichen. Wenn ich mein Frühstück esse, ist es nicht Gott, der mein Frühstück isst. Gott erhält mich am Leben und bewahrt meine Kräfte durch einen frischen Eingriff seiner Kraft und ich esse das Frühstück durch meine Kraft. Gott bewahrt die Existenz dessen, was er geschaffen hat, nach seinem Ermessen. Neben dem Erschaffen und der Bewahrung regiert er zudem seine Schöpfung für seine Ziele. Das bedeutet, dass Gottes Schöpfung zweckmäßig ist und ein Ziel oder Ziele besitzt. In dieser Schöpfung-Geschöpf-Anordnung „ordnet er (Gott) sie doch durch seine Vorsehung so, daß sie sich nach der Natur der Zweitursachen entweder zwangsläufig, frei oder zufällig ereignen“(Westminster Bekentnis 5.2)[1]. Somit ist das Verhalten von Insekten anders als das von Vögeln oder von Vieh oder von Männern und Frauen und jeder hat entsprechend unterschiedliche Naturen, die Gott “respektiert”, indem er Ereignisse anordnet, damit sie “ausfallen” und nicht verletzt werden. Dennoch – und hier ist ein Geheimnis der Vorsehung – regiert Gott aktiv seine Schöpfung, da er „alles nach dem Ratschluss seines Willens wirkt“ (Eph. 1,11). Er regiert alle Kreaturen und ihre Handlung in einer Weise, die keine menschliche Parallele besitzt.

Vorsehung und Vorherbestimmung

Vorsehung muss von Vorherbestimmung unterschieden werden. Vorherbestimmung (Prädestination) hat etwas mit dem Heil zu tun. Es ist die Weise, in der Gott die Erwählten bestimmt, in ihnen direkter und vertraulicher zu wirken als im Falle seiner allgemeinden vorsehenden Fürsorge, so dass in der Wiedergeburt Männer und Frauen neu geboren werden (Joh. 3), Gott erleuchtet ihre Herzen (2. Kor. 4,6) und pflanzt neues Leben in sie ein, indem er sie durch seine Gnade ruft (Röm. 8,29). Isaak Waats drückt es in seinem Lied „High in the Heavens, Eternal God[2]“ so aus:

Die ganze Schöpfung ist dein Eigentum,

Doch die Heiligen deine besondere Sorge

Die geheimnissvolle Vorsehung

Die Vorsehung ist  aufgrund der unvergleichlichen Natur des Wirken Gottes und der physikalischen Kräfte des Universums geheimnisvoll (mysterious); aber auch aufgrund der Tatsache, dass Gott aufgrund des Sündenfalls unzählbare Handlungen des Bösen und der Ungerechtigkeit, einschließlich Taten der Gotteslästerung, die unzähliges Leid produzieren, unterstützt. In besonderer Weise deutlich wird dies im Bewirken des Todes seines makellosen Sohnes durch die Kreuzigung durch gottlose Menschen, „zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor bestimmt haben, dass es geschehen sollte.“ (Apg. 4,28).

Man sagt auch, dass Gott solches Böse zulässt, doch es ist ein Zulassen in dem sein Wille aktiv ist, nicht ein passives Zulassen, dass dem Befugten die Wahl zwischen unterschiedlichen Handlungsvarianten lässt. Gottes Zulassen ist ein „willentliches Zulassen“, dass ein bestimmtes Ziel im Blick hat. Das Geheimnis der Vorsehung kann nur dadurch entschärft werden, dass man immer mehr von Gottes Absichten sieht, sowohl ihre Reichweite in Zeit und Raum als auch die Gedanken und Absichten von Männern und Frauen. Aus diesem Grund besitzen wir nie das ganze Bild, so dass Frustration und Überraschung zu erwarten sind. Wir kennen nicht so, wie wir gekannt sind und wir haben Pläne die nur gelingen werden, „wenn der Herr es will“ (Jak. 4,15).

Somit besitzen wir im Angesicht von unerträglich viel Bösem im Leben ein gewisses Verständnis von der Form der Güte Gottes. Man könnte z.B. die „Greater Good Defense“ (zu deutsch in etwa: Verteidigung des Besseren Endes) mit Blick auf den Willen des Vaters betrachten, seinen geliebten Sohn dem Tode zu opfern. Warum gibt es Böses? Warum erlaubt Gott, dass es geschieht? Der Verweis auf die „Entscheidungsfreiheit der Menschheit“ reicht hier als Antwort nicht aus. Das Böse, das den Gott-Menschen befällt, ist zentral, somit sollte jede Antwort in ihrem Charakter christozentrisch sein. Mit der Zentralität des Todes von Gottes Sohn unter allem Bösen, wie kann das ganze andere Böse verstanden werden?

Im Kennen unserer Absichten ist es womöglich überraschend, dass das NT keine Lösungen für die Rechtfertigung des Bösen liefert. Nie versucht Paulus darüber in einer Weise zu argumentieren, von der wir zu profitieren hoffen würden. Stattdessen ist das Wohlergehen der Gemeinden zentral. Nie kommentiert er die Politik und die Strategien des römischen Kaisers, außer im Sinne der Ausübung des Willen Gottes, um auch für die Gemeinden bürgerlichen Frieden zu gewährleisten (1. Tim 2,1), indem die Obrigkeit das Schwert als Bote der göttlichen Gerechtigkeit trägt (Röm. 13,1). Dieses Schweigen über die Rechtfertigung des Bösen sollte uns bezüglich einer „allwissenden Haltung“ in diesen Fragen bewahren.

Vorsehung und Gebet

Diese Faktoren, wie der mysteriöse Charakter der Vorsehung, der Platz des Bösen und das Geheimnishafte von Gottes Plan für die Menschheit, haben offensichtliche Folgen auf sehr persönliche Anliegen, wie Führung und Gebet. Gebet hängt nicht wie eine physikalische Kraft als geistliche Kraft in ihrer Effizienz von Frequenz, Wiederholrate und Lautstärke ab. Das Vater Unser und sein Bezug zum Willen Gottes liefert das Model. Gott kennt unsere Situation: „Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.” (Mt 6,8) Diese Worte, die dem Gebet des Herrn vorangehen, sind der Schlüssel.

Unsere Gebete sollte keine Wunschlisten sein, noch diese enthalten, egal wie besorgt und in Nöten wir sein mögen, weil Gott bereits unsere Situation kennt. Wir sind in seiner Hand. Unsere Gebete sollten Ausdruck der Bestrebungen von Christi Nachfolgern sein, die in der Gegenwart Gotts gemacht werden. Gott kennt unsere Herzen und er wird uns gemäß seines Willens für uns antworten. Wenn unsere Gebete Anfragen um Führung sind, wird Gott diese ebenfalls beantworten, doch die Prinzipien dafür sind öffentlich zugängliches Wissen. Dieses erfassen wir durch das Lesen des Beispiels und der Lehre des Neuen Testaments. Betrachtet z.B. Paulus großartiges Gebet in Eph. 3 um Kraft ein Leben als Christ zu führen: „dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt.” (Eph 3,16–19). Das ist ein Gebet, dass vollständig das Wachstum des Christen in der Gnade und vor allem in der Liebe im Block hat. Es ist umgeben von einem Bewusstsein der Beziehung des Beters mit Gott und wird aus dem Wunsch geäußert, dass Gott das Gebet anstatt mit spezifischen Situationen mit Wachstum in der Reife beantwortet.

 

Literaturhinweise

 

 

[1] Das Westminster Bekenntnis in deutscher Übersetzung findet sich hier.

[2] Vollständiger Liedtext hier

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert