Was bedeutet es evangelisch zu sein?

Eine kleine Auseinandersetzung mit dem römisch-katholischen Glauben

Ein Gastartikel von Tobias Kolb, Gemeindepastor der Ev. Gemeinschaft Schwetzingen, Mitglied des Netzwerks Bibel und Bekenntnis und Herausgeber von “Warum wir evangelisch sind”, über die vielen guten Gründe, evangelisch zu sein: 

In unseren Tagen stellen sich evangelikale Christen immer häufiger die Frage nach ihrer konfessionellen Heimat. Zum Ersten fällt es vielen schwer sich mit dem linksliberalen und bibelkritischen Kurs zu identifizieren den die größte evangelische Kirche in Deutschland, die EKD vertritt. Zum anderen lockt die römisch-katholische Kirche mit eindeutigeren Lehrpositionen, einer scheinbar langen Tradition und einer konservativeren Position in ethischen Fragen. Auch sind Vertreter des römischen Katholizismus wie der römische Charismatiker Johannes Hartl mittlerweile so etabliert im evangelikalen Bereich, dass ihre Bücher, Videos, Konferenzen und Bibelschulen vorbehaltlos empfohlen werden. Somit sind Konversionen in den römisch-katholischen Bereich keine Seltenheit wie etwa die Fälle des evangelischen Pfarrers Andreas Theurer oder der konservativen Publizistin Gabriele Kuby zeigen. Aus diesem Grund stellt sich die Frage weshalb es überhaupt gut ist, evangelisch zu sein und was den evangelischen Glauben ausmacht. Diese Frage möchte ich hier versuchen in Kürze zu beantworten.

Die evangelische DNA

Oft wird evangelischer Glaube in Abgrenzung zum römisch-katholischen Glauben definiert. Der evangelische Glaube ist der Glaube ohne Ablass, ohne Marienverehrung, ohne Papst und ohne Priester. So sehr eine Abgrenzung an sich wichtig ist (auch in den benannten Themen) ist es doch wichtig klarzustellen, dass evangelischer Glaube nicht nur eine Abspaltung des römischen Glaubens ist, sondern eine positive eigene Identität hat und für sich in Anspruch nimmt in der Tradition der Bibel, der frühen Gemeinde und letztlich in der Nachfolge Jesu zu stehen und somit tatsächlich wahre Kirche zu sein. Diese Tradition findet der evangelische Glaube im Wort Gottes.

Wort Gottes oder Kirchliche Beschlüsse?

Ein beliebtes Argument von Vertretern einer römisch-katholischen Position ist die Entstehung des biblischen Kanons aus der Kirche heraus. Demnach kommt die Bibel aus der Kirche, kann nur durch diese erkannt werden und muss auch durch diese ausgelegt werden. Diesem Argument halten evangelische Christen mit Johannes 1,1 entgegen „Am Anfang war das Wort“. Bereits in Genesis 1 erschafft Gott die ganze Welt aus seinem Wort. Im Neuen Testament erfahren wir, dass auch der Glaube auf das Wirken von Gottes Wort zurückgeht (Vgl. Rö 10,17). Überall wo Menschen in die Nachfolge eintreten und Jünger Jesu werden, geschieht dies durch seinen Ruf der entweder direkt von ihm, oder über die Verkündigung seiner Nachfolger ergeht. In diesem Sinne kann man sagen, dass die Kirche, also die Gemeinschaft der Gläubigen, sich tatsächlich dadurch von der Welt unterscheidet, dass sie Gottes Wort erkennt und annimmt, allerdings ist dieses zuerst da und unabhängig von Strukturen und Institutionen. Natürlich gibt es auch Beschlüsse von Synoden und Konzilien über die Zusammensetzung des Kanons. Diese können allerdings keinen konstituierenden Charakter haben. Mit einfachen Worten: Wenn die Bücher der Bibel nicht vor dem Kanonbeschluss als solche erkennbar sind, sind sie es auch nicht danach. Man muss also eher umgekehrt sagen, dass das Wort Gottes eine Kirche oder Gemeinschaft legitimiert als dass es deren Legitimation nötig hätte. Dazu kommt noch, dass sogar im göttlich eingesetzten Priestertum des Alten Bundes keine autoritative Auslegung von Gottes Wort bei den Priestern zu finden ist, ja vielmehr diese selbst korrigiert werden müssen (Vgl. Jer 26,28).  Wie absurd ist in Eingedenk dessen ein unfehlbares Lehramt, das der römischen Kirche die Möglichkeit des Eingestehens von Fehlern und der Korrektur nimmt?

Die Frage ob das Wort Gottes eine ausreichende Grundlage für die Kirche und den Glauben ist, ist wie eine Weggabelung an der sich der evangelische und der römische Glaube trennen und von dort an unterschiedliche Wege gehen.

Kirche als Vermittlungsinstanz?

Im evangelischen Glauben kommt der Glaube aus dem Wort Gottes und wird auch dadurch erhalten und gefördert. (2.Tim 3,16). Die Gemeinschaft der Gläubigen ist nicht neben dem Wort Gottes wichtig, sondern weil sie der Ort ist an dem dieses verkündet wird. Selbst die Taufe und das Abendmahl werden im evangelischen Glauben als Zusammenspiel eines Elements mit dem Wort betrachtet. Im römischen Glauben reicht das Wort als Vermittlungsinstanz zwischen Mensch und Gott nicht aus. Es braucht die Kirche als vermittelnde Instanz. Der Priester teilt nicht nur das Wort aus, sondern ist der Einzige, der das Brot wandeln und damit Gott ein Opfer darbringen kann. Auch reicht der Glaube an das Evangelium allein nicht aus um seiner Errettung sicher zu sein, sondern es bedarf der Mitgliedschaft in der römischen Kirche, das Akzeptieren ihrer Dogmen und die Unterordnung unter den Papst (und selbst dann gibt es im letzten keine echte Heilsgewissheit!). In diesem Sinne bindet die römische Kirche ihre Gläubigen an sich und maßt sich eine Funktion an die im evangelischen Verständnis nur Jesus Christus zukommt (Vgl. 1.Tim 2,5). Aus evangelischer Perspektive muss man fast sagen: Die Kirche drängt sich zwischen Gott und den Gläubigen. Diese Zwischeninstanz wird durch die Heiligen- und Marienverehrung weiter ausgebaut und vertieft. Eine persönliche Jesusbeziehung der Gläubigen wird zwar nicht ausgeschlossen, ist aber weder ausreichend noch notwendig für die Mitgliedschaft oder das Bekleiden von Ämtern in der römischen Kirche.

Was ist mit den Stärken der römischen Kirche?

Wie soll man aber nun als evangelischer Christ mit den starken Argumenten für die römisch-katholische Kirche umgehen?

  1. Besteht sie nicht schon seit 2000 Jahren?
  2. Steht sie nicht in der Tradition der Alten Kirche?
  3. Hat sie nicht die biblischere Ethik?

4.Gibt es nicht auch viele Wunder die in ihr geschehen, wie z.B. die Marienerscheinungen?

Tatsächlich ist es wichtig, sich diesen Fragen zu stellen. Die meisten dieser Argumente halten allerdings einer näheren Betrachtung nicht stand.

Zu 1. Die römisch-katholische Kirche beansprucht zwar für sich eine institutionelle Tradition bis zu Jesus, die Quellenlage dafür ist allerdings sehr spärlich. Von den zahlreichen Spaltungen abgesehen, bei denen sich immer alle Parteien für die wahre Kirche halten, muss zumindest gesagt werden, dass das Primat des Papstes in den ersten 3.Jahrhunderten so nicht verifiziert werden kann. Interessant ist dahingehend auch, dass der Unfehlbarkeitsanspruch erst im 19.Jahrhundert als Dogma festgelegt wurde. Das Dogmen und Konzilsbeschlüsse sich im Übrigen häufig widersprochen haben, wussten bereits die Reformatoren, was historisch gut belegt ist. Ob eine Glaubensgemeinschaft in der Tradition Jesu steht oder nicht, lässt sich wohl besser an der Übereinstimmung mit seinen Worten überprüfen, anstatt an einer historisch zweifelhaften institutionellen Linie.

Zu 2. Die Alte Kirche, gibt es wohl so wenig wie das Christentum. Die Theologen der Alten Kirche, also die prägenden Theologen der ersten Jahrhunderte hatten unterschiedliche Positionen. Manche davon finden sich heute eher im römischen Glauben wieder, andere im evangelischen oder abseits von beidem. Der Spruch „Konzilien können irren“ geht übrigens in ähnlicher Form auf den von der römischen Kirche sehr geschätzten Kirchenvater Hieronymus zurück.

Zu 3. Die offizielle Ethik der römischen Kirche ist durchaus konservativer und biblischer als die der evangelischen Landeskirche. Dies liegt wohl zu einem großen Teil daran, dass die römische Kirche als Weltkirche nicht so stark von nationalen Entwicklungen abhängig ist. Die Position der römischen Katholiken in Deutschland sieht oft ganz anders aus. Wir dürfen uns natürlich über jeden freuen der einen Teil der biblischen Wahrheit erkannt hat und nach den Maßstäben der Bibel lebt. Einen Grund zu konvertieren oder einen Beweis für die Wahrheit der römisch-katholischen Lehre als Ganzes kann man allerdings davon allerdings so wenig ableiten wie das bei den Mormonen oder anderen konservativen Glaubensgemeinschaften der Fall ist. Auch dürfte die römisch-katholische Kirche mit ihrer blutigen Geschichte (man denke nur an die Hugenottenkriege) wohl kaum durch moralische Überlegenheit in der Kirchengeschichte hervortun.

Zu 4. Auch Wunderberichte gibt es in der römischen Kirche zahlreiche. Wunder allein beweisen jedoch nichts (Vgl. 2. Mose 7,11; Mt 7,22). Sie kommen in allen Konfessionen und Religionen vor und sind aus christlicher Perspektive nur als Werk des Heiligen Geistes zu begrüßen, wenn sie in Einklang mit der Schrift stehen und keine falschen Lehren stützen (5.Mose 13,2-3).

Fazit

Letztlich bleibt die römische Kirche für einen evangelischen Christen immer eine Glaubensgemeinschaft die mit Vorsicht zu genießen ist. Obgleich eine Zusammenarbeit in ethischen Themen oft angebracht scheint, gilt meres, nicht den krassen Selbstanspruch der römischen Kirche zu vergessen und die Unterschiede zum evangelischen Glauben und zu Gottes Wort nicht kleinzureden oder aus übertriebener ökumenischer Rücksicht zu verschweigen.

Die konfessionelle Identität evangelischer Christen hingegen darf und muss einzig auf der Wirksamkeit, Klarheit und Genügsamkeit von Gottes Wort ruhen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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