Wie ist das mit dem Schmuck?

Neulich saß ich einem jungen Mann in Shorts und Unterhemd gegenüber, der mir seinen Kummer darüber mitteilte, dass viele christliche Mädchen um ihn herum, allen Anstand bzgl. Ihrer Kleidung verlieren. Sein Outfit beruhigte mich dabei weniger, als die Haltung, dass dieses Thema so klar ist, dass man nicht genauer in den Biblischen Text blicken muss.

Nun denke ich, dass sich das lohnt. Im Wesentlichen würde ich wohl 1 Pet. 3,1-7; 1 Tim 2,8-15 und Jes. 3 betrachten, wenn ich darüber nachdenken würde, wie unsere Haltung zu Schmuck, Kosmetik und Ähnlichem sein sollte.

a) Vorbemerkung: Ist der Rest wirklich klar? Auf meine Rückfrage, ob man nicht über die Herzensperpektive der jungen Damen nachdenken sollte, und überlegen könnte, wie man Ihnen helfen sollte, in Christus zu reifen, habe ich eine untypisch typische Reaktion beobachtet. Lasst mich das erklären: Außenstehende denken, dass konservative Christen Kleidersitten einen zentralen oder besonders wichtigen Punkt im christlichen Leben halten. Auf bereits unzählige Nachfragen zu diesem Thema habe ich aber bemerkt, dass eigentlich jeder eingesteht, dass dies nur als zweitrangiges oder gar nebensächliches Thema zu betrachten ist. Aber jetzt kommt das Spannende! Man sagt dann, dass die wichtigen Themen, also ob Christus Gott sei, ob Dreieinigkeit, wie das Heil uns zuteil wird, usw.. alles Themen sind, die uns ja längst klar seien.  Ich frage mich ob diese Haltung nicht noch schlimmer ist, als die, Kleiderfragen für besonders wichtig im christlichen Leben zu sehen. Gleichzeitig zu denken “der ganze andere Rest” wäre ja längst klar? Ich empfehle niemandem weiterzulesen, der nicht den Hochmut in dieser Haltung erblickt.

b) Das Geschenk eines Patriarchen: Nun wir blickten zumindest auf 1 Pet. 3 gemeinsam und mir ist diesmal das erste mal Vers 5 aufgefallen: ” Denn so haben sich vorzeiten auch die heiligen Frauen geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten und sich ihren Männern unterordneten,” Auch wenn Petrus explizit nur Sara als Vorbild herausnimmt, war ihr Mann, dem “sie sich unterordnete” dennoch der Meinung, dass für seine zukünftige Schwiegertochter Nasenringe(!) und Armreife ein geeigneter Schmuck sind ( 1 Mo 24,27: “Da legte ich einen Ring an ihre Nase und Armreifen an ihre Hände). Ich meine 1. Pet 3,5 spricht von “den heiligen Frauen” der Vorzeit (Mehrzahl). Und wer kann da weiteres außerhalb Saras gemeint sein? Rebekka wird sonst gerne für ihre Willigkeit, ihre Stille, ihr Gebetsleben betont.

c) Was ist jetzt mit den Zöpfen? Also ich erlebe das häufig so, dass offene Haare bei Frauen und auch schon kleineren Mädchen (Ich schweige darüber, dass alle drei genannten Bibelstellen immer von Frauen frühestens ab Pubertät sprechen) als zumindest schluderig, irgendwie auch verweltlicht gelten. Aber dabei sprechen sowohl 1 Pet 3,3 wie 1 Tim 2,9 davon, dass der Schmuck der Frauen nicht “das Haarflechten” sein soll. Die übliche Antwort, damit wären komplexe “Haarstrukturen” im Rasta-Stil gemeint, stellt mich hier nicht zufrieden. Wenn hierbei ein historischer Kontext zu beachten ist, warum nicht bei den anderen Elementen? Aber gilt den nun der Text “wie er steht, ob ich nun verstehe oder nicht” oder einfach meine Interpretation. Warum sollte bei Zöpfen der historische Kontext gelten, bei Ketten aber nicht?

d) Wären silberne Ketten ok?  Ich bin immer sehr skeptisch bei der Buchstabentreuen Fraktion unter den Bibellesern Aber denken wir das doch mal zu Ende. Sowohl Petrus wie Paulus listen eine ähnliche Version auf. Bei Paulus so: “Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand” (1 Tim 2,9) Wäre Silber oder Platin oder sonstiges Edelmetal etwa in Ordnung? “Die Liste ist nicht erschöpfend, sondern illustrativ, ebenso wie “Zorn oder Streit” bei weitem nicht der einzige mögliche männliche Verstoß gegen die gottesdienstlichen Gepflogenheiten ist. Die Wörter, die mit “Gold”, “Perlen” und “teure Kleidung” übersetzt werden, tauchen nur hier in den Schriften des Paulus auf. Anstatt den Verdacht zu hegen, dass hier ein heimlicher Fälscher seine nicht-paulinische Identität verrät, könnte man Paulus zugute halten, dass er kein kleinlicher Moralist ist, der bezeichnenderweise gegen die Modetrends der Frauen wettert.” (aus: Yarbrough, Timothy and Titus)

e) Nicht und? Bei Petrus findet der Kontrast auf diese Weise statt: Der Schmuck der Frauen soll nicht äußerlich sondern innerlich sein. Ist das “nicht” in diesem Fall ein ausschließendes exklusives “nicht”. Wenn wir uns an dieser Stelle für eine exklusive Deutung entscheiden, also im Sinne “äußerer Schmuck” darf auf keinen Fall sein, dann stehen wir in der Beweispflicht, warum wir bei Luk. 14,12-14 anders vorgehen. Hier spricht Jesus davon, dass wir, wenn wir ein Festmahl organisieren, nicht unsere Verwandten und Bekannten, sondern Arme, Lahme und Krüppel einladen sollen.  Besser ist hier eine Schwerpunktverschiebung zu sehen. Nicht der äußere Schmuck maqcht mich aus, sondern der Innere. Ich lade nicht ein, um wieder eingeladen zu werden, sondern um den nächsten zu dienen usw… Mich beunruhigt es, wenn wir versessen auf ein Schmuckverbot werden. Es gibt so vieles in der Schrift, wo wir uns gleichzeitig kein bisschen einen Kopf darüber machen, dass wir ständig gegen die Gebote verstoßen: So dürfte in manch einer Gemeinde zwar eine Frau für das Tragen einer Perlenkette ausgeschlossen werden, aber keiner macht sich auch nur ein Stück weit Kopfzerbrechen darüber, dass wir nicht täglich für unsere Regierung beten (1. Tim 2.2) oder dass unsere Pastoren für Ihren Dienst ein Entgelt verdienen sollten (1. Tim 5,18). Das letzte Beispiel dürfte höchstens meine anfängliche These unterstreichen, dass wir zunächst einmal unseren Hochmut bekämpfen sollten.

f) Rück doch mal raus, wie du denkst!

Höre ich schon rufen und will ich gerne sagen: Wenn ein junges Mädchen verzweifelt anfängt sich zu schminken, dann dürfte die Not wo ganz anders liegen. Oh ja, je nach Veranlagung wird entweder “ins Gewissen reden” oder “Druck aufbauen” helfen, dass es sich wieder spurt und in den gesellschaftlichen Konsens “einbahnt”. Aber was sicher nicht verändert wird, ist das Herz. Und, nun kommt das Interessante: Sowohl Petrus wie Paulus betten ihre Anwendung zum Schmuck in einen größeren Kontext. Bei Petrus geht es sowieso vornehmlich um christliche Ehefrauen unchristlicher Männer und Petrus zeigt ihnen, dass diese “durch den Wandel der Frauen” gewonnen werden können. Wer denkt, dass hier das Ablegen von Kosmetik ausreicht sollte einfach den Rest des Petrusbriefes lesen. Die Situation bei Paulus ist etwas komplexer und blickt eher auf Gemeindegebet und Gottesdienst. Aber auch hier ist die Versorgung der Familie, der Glaube, die Liebe, die Heiligung im Blick. Viel zu oft habe ich erlebt, dass Frauen hochmütig auf alle mit auch nur dem kleinsten Ohrring herunterblicken und sich in Sicherheit wähnen, und jeglichen Glaube, jegliche Liebe, ja jegliche Heiligung fahren lassen. Haben Petrus und Paulus das mit Ihren Texten beabsichtigt? Wenn wir diese “Basics”, die, wie man so schön sagt, “uns schon allen klar sind” aufs Neue entdecken würden, würden wir uns nicht wie Narren in Äußerlichkeiten verrennen.

Und hier ist vielleicht der Teufelsfuß dieser ganzen “Schmuck ist Böse” Haltung. Geht es nicht allen drei Texten darum, dass Äußerlichkeiten nicht den ersten Platz einnehmen sollten, sondern das Innere zählt? Wenn ich aber Predigt für Predigt, Andacht für Andacht, Ermahnung für Ermahnung immer über das Äußere spreche, hat nicht hier schon die Rebellion gegen unsere drei Verse stattgefunden?

Schließlich: Als ich diese Zeilen niederschrieb ist mir aufgefallen, dass sehr wohl das Thema mit dem Schmuck, den Kleidern, den Ringen und sonst was, was weiß ich wie viele unzählige Male angeschnitten wird, man aber geflissentlich eine gründliche Auslegung von sowohl 1 Pet. 3 wie 1 Tim. 2 eher selten hört. Vielleicht wäre hier der erste Schritt eines Ausweges aus der Hochmutsfalle zu sehen?

 

2 Kommentare

  1. Puh.
    Da wirfst du ein paar gute Fragen auf.
    Das “umherwerfen” mit Versen ist nicht zwingend eine gute Exegese…
    Leider sind die “x ist Böse”-Debatten oft von einem weniger freundlichen Ton bestimmt.
    Sprüche wie “Geht der Rock nicht bis zum Knie, siehst du die Himmelspforte nie” sind zwar nicht immer ganz ernst gemeint, zeigen aber doch ein wenig die Einstellung.

    Nur so zum Spaß werfe ich jetzt auch noch 2 Stellen mit zu b) hinein:
    -Exodus 32: Das Goldene Kalb.
    Von wo stammt den das Gold?
    V 2 u 3: von den Ohren des Volkes.
    Es wird relativ neutral berichtet, dass das Volk Ohrringe hat.
    Die werden auch in den Kapiteln davor (in der Gegenwart Moses) da gewesen sein.

    -Hesekiel 16
    In V 12 gibt Gott Jerusalem Nasen und Ohrringe…
    Zwar nur als Bild, aber dennoch interessant.

    Liebe Grüße und Gottes Segen
    Spinoza

    1. Hey Spinoza, danke für den Kommentar… Ja die HInweise sind ganz nett. Bei den neutralen Ohrringen hättest du das Problem, dass die Bibel von recht vielen Praktiken “um des harten Herzens willen” neutral berichtet, nicht? ob es nun die Polygamie ist oder lockeres SCheidungsrecht – Soll nicht dein Beispiel entkräften, ich überlege nur, wie man mit einer entgegenstehenden Position argumentieren würde.
      “geht der Rock nicht…” erinnert mich an : https://www.youtube.com/watch?v=wB1a8J1zsxw

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