Ein Artikel von Thomas Schreiner:
Ist es wichtig, deine geistlichen Gaben zu kennen? Oder ist dieses Anliegen ein Beweis fĂŒr den heute so typisch fĂŒr gewordenen Narzissmus?
Vielleicht können wir die Ermittlung unserer Geistlichen Gaben mit dem aktuellen Interesse an Persönlichkeits- und Profiltests vergleichen, wie z.B. dem (Persönlichkeits-)Enneagramm. Das Enneagramm sondiert neun unterschiedliche Persönlichkeitstypen und hat derzeit einen ziemlichen Einschlag in evangelikalen Kreisen. Kevin DeYoung warnt berechtigterweise vor den Gefahren des Enneagramms und erlĂ€utert, dass es der Schrift in vielerlei Hinsicht fremd sei. Russell Moore stimmt den Aussagen DeYoungs zu, dass das Enneagram, als Ganzes nicht hilfreich ist, denkt aber, dass es als ein Werkzeug verwendet kann, um die persönlichen potenziellen StĂ€rken und SchwĂ€chen, wie auch die Motive hinter WĂŒnschen und Neigungen anderer, aufdecken kann.
Ich denke, so Ă€hnlich können wir uns auch ĂŒber den Prozess der Ermittlung geistlicher Gaben Ă€uĂern.
Ein Test auf geistliche Gaben?
Mit der Zeit wurde es immer populĂ€rer, Umfragen durchzufĂŒhren, um GlĂ€ubigen zu helfen, ihre geistlichen Gaben zu entdecken. Das Hauptproblem dieser Werkzeuge ist ihre abstrakte Wirkungsweise. Wir können diese Untersuchungen verwenden um unsere Gaben zu entdecken, ohne im Leben der Ortsgemeinde involviert zu sein. Verwendet man sie dann so, werden solche Umfragen kĂŒnstlich oder gar irrefĂŒhrend.
Sie sind kĂŒnstlich, weil wir unsere Begabung vor Gott nicht in Isolation vor anderen entdecken können. Gaben können nicht wie DNA in einem Labor analysiert werden. Die Fragebögen sind auch deshalb irrefĂŒhrend, weil die Tests selbst, auch wenn sie in mancher Hinsicht hilfreich sind, zwangslĂ€ufig teilweise und fehlerhaft sind. Mit anderen Worten, die Umfragen werden von Menschen erstellt, die ihre eigenen Vorstellungen und Vorurteile haben, und so können GlĂ€ubige auf Abwege gebracht werden, wenn sie denken, dass sie eine besondere Gabe haben, obwohl sie diese nicht haben. Oder sie denken, dass sie kein Gaben haben, obwohl sie diese haben.
Eine Entdeckung im Leben der Gemeinde
Somit ist der beste Weg deine Gabe zu entdecken, nicht der, sich auf einen Test zu verlassen. In der Urgemeinde gab es solche Werkzeuge nicht und doch entdeckten die Menschen ihre Gaben einfach und wunderbar. Wenn du dich vielmehr in das Leben anderer in deiner Gemeinde und in die Liebe einlÀsst, wie es Jesus befohlen hat, dann wirst du deine Gabe entdecken.
Manche mögen einwenden, dass sie immer noch nicht ihre Gaben kennen. Doch deine Gaben zu kennen ist nicht so wichtig, wie diese auszuĂŒben. Sicherlich haben viele GlĂ€ubige in der Vergangenheit ihre geistlichen Gaben nicht gekannt oder gar viel ĂŒber dieselben nachgedacht und doch fĂŒhrten sie diese Gaben in mĂ€chtigen Wegen aus. Wenn du nicht sicher bist, was deine geistlichen Gaben sind, sorge nicht so viel darĂŒber. Wenn du dich anderen GlĂ€ubigen in der Gemeinde hingibst, wirst du zwangslĂ€ufig deine Gaben kennen lernen.
All dies bringt uns auf die Frage der Bestandsaufnahme der geistlichen Gaben zurĂŒck. Wenn du im Leben der Gemeinde involviert bist und an einem solchen Test teilnimmst, kann dieser hilfreich sein. Gelegentlich sehen wir uns selbst nicht klar und andere GlĂ€ubige und fremde Mittel können dabei helfe zu erkennen, worin wir begabt sind. Offensichtlich können solche Werkzeuge aber auch in einer narzisstischen und selbstsĂŒchtigen Weise verwendet werden, dennoch ist es auch wahr, dass eine bessere Selbsterkenntnis uns helfen kann effizientere Diener zu sein.
Kenne dich selbst!
Die Bedeutung der Selbsterkenntnis ist deutlich in Röm. 12,3 formuliert:
„Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sichâs gebĂŒhrt, sondern dass er maĂvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das MaĂ des Glaubens.“
Hier warnt Paulus uns davor eine ĂŒberhebliche Sicht ĂŒber uns selbst zu haben, aber auch davor uns selbst zu verunglimpfen. Wir wissen, dass bezĂŒglich der geistlichen Gaben Fehler in beide Richtungen gemacht werden können. Einige mögen sagen, dass ihre Gaben nicht wichtig sind und im Körper nicht gebraucht werden (1. Kor. 12,15-16). Einige mögen sagen, dass sie die anderen Gaben und Glieder des Leibes nicht brauchen (1. Kor. 12,21). Aber jedes Mitglied wird gebraucht, jedes Mitglied spielt eine wichtige Rolle, jedes Mitglied ist wichtig.
Wenn wir uns einige der geistlichen Gaben ansehen, wird klar, dass das Wissen um unsere Gaben hilfreich (wenn nicht sogar wesentlich) ist. Zum Beispiel sagt Paulus, dass sich diejenigen mit der Gabe des Dienstes sich auf den Dienst, diejenigen mit der Gabe der Lehre auf die Lehre und diejenigen mit der Gabe der Ermahnung zur Ermahnung konzentrieren sollten (Römer 12,7-8). Wenn du weiĂt, dass deine Gabe ermahnt, kannst du deine Energien bĂŒndeln. Das bedeutet natĂŒrlich nicht, dass Sie nicht dienen, evangelisieren oder RatschlĂ€ge geben. Wir sollten das, was Paulus sagt, nicht in eine Ausrede verwandeln, um egoistisch zu sein. Dennoch ist das Leben kurz, und wir sollten uns auf unsere StĂ€rken konzentrieren, denn so bauen wir die Gemeinde auf.
Das Wissen um unsere StÀrken und Gaben hilft uns, uns auf die Wege zu konzentrieren, wie wir anderen GlÀubigen am hilfreichsten sein können. Wenn du deine Gabe noch nicht kennst, mach dir keine Sorgen. Es wird im Laufe der Zeit klar werden, und das Bitten anderer GlÀubiger kann dir helfen, deine Gabe zu erkennen. Wir haben es oft sehr eilig, unsere Gaben zu finden, aber Gott hat das nicht nötig. Er hat einen Zweck und Plan, dich im Leben deiner Gemeinde zu gebrauchen, und es wird klar werden, wenn du ihm und anderen dienst.
Dieser Artikel erschien zuerst am 06.07.2018 auf The Gospel Coalition. Autor ist Thomas R. Schreiner. Er ist James Buchanan Harrioson Professor fĂŒr Neues Testament und biblische Theologie, sowie Dekan fĂŒr Bibelkunde und Hermeneutik am Southern Baptist Theological Seminary in Louisville, Kentucky. Folge ihm auf Twitter.
Ăbersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors und The Gospel Coalition