Die Herausforderungen eines Pfarrers im 21ten Jahrhundert – Mit Michael Freiburghaus im Gespräch

Auf Michael Freiburghaus und sein evangeliumszentriertes Denken bin ich zum ersten Mal durch einen Artikel von Hanniel Strebel gestoßen. Als ich ihn einige Zeit später noch persönlich kennen lernte, wusste ich sofort, dass ein Interview her muss. Viele werden meine 10+1 Fragen bei Nimm-Lies kennen, doch diesmal haben wir uns an ein anderes Format gewagt: Eine Audioaufnahme. Doch damit nicht genug: Zusätzlich haben wir das Interview hier auch in schriftlicher Form angefügt. Für mich, der kaum Berührungspunkte mit der Landeskirche hat, war dieses Treffen in vielerlei Hinsicht hilfreich, die Herausforderungen eines bibeltreuen Pfarrers zu verstehen.

Michael Freiburghaus, Jahrgang 1986, seit 2015 verheiratet mit Christina und Pfarrer in Leutwil-Dürrenäsch (Schweiz). Präsident der Schweizerischen Traktatmission und der Stiftung Zukunft CH. Außerdem ist er Armeeseelsorger im Schweizer Militär.

PERSÖNLICHES:

F.: Was bewegte dich in die Berufung des Pfarramtes?

A.:Mit 15 Jahren hatte ich ein Bekehrungserlebnis, dass Jesus in mein Leben kam. Zwei Wochen darauf war für mich klar, dass ich Pfarrer werden wollte, um möglichst vielen Menschen von der Liebe Gottes, die er uns in seinem Sohn Jesus Christus zeigt, zu erzählen. Danach habe ich das Gymnasium besucht und an vier Universitäten im In- und Ausland Theologie studiert.

F.: Wovon hast du im Studium am meisten profitiert und welche Lehrinhalte hast du vermisst?

Am meisten konnte ich von den Professoren lernen, die selber an Jesus als persönlichen Herrn und Heiland glauben. Das vertiefte Verstehen des Alten und Neuen Testaments fördert den Glauben. Ebenso ist es hilfreich, wenn man die Kirchengeschichte kennt und nicht alle Fehler selber wiederholt 😊

Die Philosophiegeschichte und Sektenkunde geben einen Überblick über aktuelle Herausforderungen.

Die Gemeindeentwicklung und Evangelisation ist ein Thema, das man gar nicht genug behandeln kann.

F.: Wann fühlst du dich besonders einsam?

A.:Meine Frau steht mir in meinen Anfechtungen bei und sie betet auch für mich. Teilweise fühlt man sich einsam, wenn man sich total für Jesus einsetzt. Aber ich bin dran, mich zu vernetzen.

DIENST ALS PFARRER

F.: Wie viele Prozent der Mitglieder der Kirchengemeinde besuchen regelmäßig den Gottesdienst?

A.: Momentan etwa sechs bis acht Prozent. Dazu muss man sagen, dass es die Gebäude gar nicht ermöglichen, dass 100% der Mitglieder gleichzeitig den Gottesdienst besucht. Dann müssten wir mehrere Gottesdienste am Sonntag anbieten, wie dies in Südkorea üblich ist. Ich freue mich, wenn auch in der Schweiz solche Zustände herrschen 😊

F.: Was ist die grösste Herausforderung in deinem Beruf?

A.: Sowohl Christen, die schon Jahrzehnte im Glauben an Jesus verwurzelt sind, tiefer in die Gotteserkenntnis zu führen und gleichzeitig andere Menschen neu für Jesus zu begeistern.

F.: Was kann man unternehmen, um die Menschen wieder in die Kirchen zu bringen?

In Berlin versuchte es ein Pfarrer mit den drei «A»s: Auslegungspredigt, Abendmahl, Anbetungsmusik. Er hat damit gute Erfahrungen gemacht.

A) Die Auslegungspredigt steht für eine Predigt, die das Wort Gottes als Grundlage hat und es nach bestem Wissen und Gewissen erklärt. Sowohl in der damaligen Situation als auch für uns heute. Jesus ist das Zentrum der Bibel.

B) Das Abendmahl steht dafür, dass man sich daran erinnert, dass Jesus für uns gestorben und auferstanden ist, um uns zu retten und erlösen.

C) Die Anbetungsmusik steht für moderne Lobpreismusik (Worship), die Gott lobt.

D) Weiter ist es wichtig, auch als Landeskirche zu evangelisieren, d.h. den Missionsbefehl von Jesus ernst zu nehmen. Dies kann man beispielsweise tun, indem man Menschen an ein Gospelkonzert oder an ein klassisches Konzert einlädt, an dem man kurz und knapp die frohe Botschaft und gute Nachricht erklärt.

E) Auch biblische Seelsorge ist entscheidend. Man unterscheidet zwischen der sogenannten aufsuchenden Seelsorge, der Zufallsseelsorge und der Seelsorge, bei der jemand selbst auf den Seelsorger zukommt. Aufsuchende Seelsorge ist zum Beispiel, wenn ich jemanden in einem Spital oder im Altersheim besuche.

F) Katechese (Kinder unterrichten). Dafür habe ich zwei Sozialdiakone, eine Frau und einen Mann, die mich dabei unterstützen.

G) Gebet. Es tobt ein geistlicher Kampf um unsere Seelen. Dafür ist es notwendig, dass Christen lernen, so zu beten, dass Gott ihre Gebete gemäss seinem Willen erhören kann.

H) Diakonie: Praktische Hilfe in Notsituationen. Die Heilsarmee hat das treffende Motto: Suppe, Seife, Seelenheil 😊

I) Multiplikation, dass jede Christin und jeder Christ lernt, ihre bzw. seine Gabe zur Ehre von Gott in seinem Reich einzusetzen.

F.: Kann die Botschaft vom Kreuz, den modernen Menschen überhaupt noch erreichen? Braucht der von Wohlstand und Erfolg verwöhnte Europäer überhaupt Gnade?

A.: In vielen Hollywood-Filmen geht es um eine Heldin oder einen Helden, die oder der sich freiwillig für seine Freunde opfert, um sie zu retten. Neuestes Beispiel ist wohl Iron Man in Avengers 4. Deswegen kann schon jedes kleine Kind verstehen, dass Jesus unser Herr und Heiland ist. Gnade ist das alte Wort für Liebe. Die Bibel spricht mehr von Gottes Gnade, weil Gott der höchste König ist, der uns begnadigt, wenn wir ihm unsere Schuld bekennen.

F.: Wie ist es mit den jungen Leuten? Brauchen junge Leute Trost? Trost im Sinne des Heidelberger Katechismus Frage 1.

A.: Jeder Mensch braucht Trost, weil wir sterblich sind und früher oder später im eigenen Leben erfahren, dass ein geliebtes Haustier oder ein Familienangehöriger stirbt. Der Tod stellt uns vor die Frage: Wie geht es weiter? Gibt es ein ewiges Leben? Darauf gibt die Bibel die Antwort, dass Jesus nicht nur für unsre Schuld am Kreuz von Golgatha gestorben ist, sondern auch an Ostern, am dritten Tag auferstanden ist und ewig lebt.

F.: Was ist der rote Faden, die Kernbotschaft deiner Predigten (dann eher vor den beiden anderen Fragen)?

Das Evangelium, die frohe Botschaft und gute Nachricht der Liebe Gottes. Dass wir immer tiefer in seiner Liebe verwurzelt sind.

F.: Mehrere deiner Werke sind in der Reihe “Hauskreisförderung” erschienen. Wie wichtig sind Hauskreise für deine Kirchgemeinde?

A.: Die Hauskreise sind der verlängerte Arm sowohl von mir als Pfarrer als auch der Sozialdiakone. Damit können wir stärker in die beiden Dörfer hineinwirken. Die Hauskreise übernehmen unterschiedliche Aufgaben: Verkündigung des Wortes Gottes der Bibel, Gebet, Unterweisung von Erwachsenen (Katechese), Evangelisation (Menschen zum Glauben an Jesus einladen), Ort und Oase der Seelsorge, Ansprechpersonen in der Not (Diakonie).

Pfr. Freiburghaus war so freundlich mich mit einigen Freunden in seinem Haus zu empfangen.

DIENST ALS AUTOR

F.:Du rechnest in dem Buch “Die Sünde der Bibelkritik: Anfänge, Auswirkungen, Auswege” (Niederbüren: Esras.net, 2017) entschieden mit der sogenannten historisch-kritischen Methode ab. Zweimal heißt es: “Bibelkritik ist vom Teufel!” Warum so ein scharfes Urteil?

A.: Weil Gott vertrauenswürdig ist und der Teufel bereits im Paradies in Form der Schlange Adam und Eva Zweifel einflüsterte: «Sollte Gott wirklich gesagt haben?» (1.Mose 3,1b). Ja, Gott hat gesprochen in der Bibel, doch unsere Rebellion und Herzenshärte lässt uns an seinen Versprechen und Geboten zweifeln.

F.: Im Buch “Welches sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Alten und Neuen Testament? Ein Überblick” (Norderstedt: BOD, 2016) setzest du dich intensiv dafür ein, die ganze Bibel zu lesen. Was kann der Christ heute noch vom AT lernen?

A.: Das Alte Testament handelt von Jesus, weil Jesus ewig ist: «Ehe Abraham war, bin ich» (Johannesevangelium 8,58b). Alle Bücher des Alten Testaments weisen uns auf Jesus Christus hin, dass er der beste und abschliessende König, Priester und Prophet ist. Jesus betete mit seinen Jüngern die Psalmen, das Gebetsbuch der Bibel. In schwerster Anfechtungen helfen uns die Psalmen, weil darin jedes menschliche Gefühl darin vorkommt!

LEBEN als Schweizer!

F.: Du bist auch Armeeseelsorger. Braucht ein Land, dass über 170 Jahre keinen Krieg hatte, überhaupt eine Armee?

A.: «Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen»(Schweizer Bundesverfassung Artikel 58,2).

Als Reformierte sehen wir den Einsatz der Gewalt als ultima ratio, letztes Mittel. Zudem erfüllt die Armee auch andere Aufgaben wie die Unterstützung der Bevölkerung in Krisensituationen. Manchmal hilft die Armee auch beim Auf- und Abbau des Eidgenössischen Turnfestes 😊

F.: Ist Europa, insbesondere aber Deutschland noch zu retten?

A.: Nur durch eine radikale Hinwendung zu Jesus Christus als persönlichen Herrn und Heiland. Damit verbunden ist die Einhaltung des zweiten Gebotes: «Du sollst dir kein Götterbild machen, auch keinerlei Abbild dessen, was oben im Himmel oder was unten auf der Erde oder was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen» (2.Mose 20,4-5a). Bereits die Reformatoren Martin Luther, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin haben vor 500 Jahren auf der Einhaltung des zweiten Gebotes beharrt. Wenn es heisst: «Du sollst dir kein Götterbild machen, auch keinerlei Abbild dessen, was oben im Himmel […] ist», dann schliesst das auchIdeologien (Weltanschauungen) mit ein, denn Ideologien sind geistige Götterbilder. Heutige Ideologien sind zum Beispiel der Sozialismus, Kommunismus, Nationalsozialismus und Rassismus, die Genderideologie und die neue Ökoreligion! Ideologien bringen uns nicht weiter, weil sie tote Ideen sind, nur der lebendige Gott bringt uns weiter.

F.: Du bist Präsident der Stiftung Zukunft CH. Was sind hier die Kernziele?

A.: Wir setzen uns ein für eine Respektierung der Menschenrechte (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948) und den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung der Schweiz, wollen eine schleichende Einführung der Scharia verhindern, zukunftstragende Werte vermitteln und die Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft stärken.

F.: Lohnt sich der Einsatz?

A.: Ja, denn es braucht Christen, die die christlichen Werte erklären und verteidigen.

F.: Hat die postmoderne Welt noch Interesse an einer funktionierenden Demokratie?

Die Demokratie (Volksherrschaft) ist sicher die beste Staatsform, weil sie die Gewaltenteilung (legislative = gesetzgebende, judikative = richterliche und exekutive = ausführende) voneinander trennt. Für das Funktionieren der Demokratie ist es entscheidend, dass sich jede Bürgerin und jeder Bürger eine eigene Meinung bildet und gute Medien (Zeitungen und Internetartikel) liest.

Jetzt ist die Zeit reif für die zweite Reformation, dass jeder Christ seine Gaben erkennt und zur Ehre von Gott einsetzt!

Vielen Dank für das Gespräch.

Leutwil, 30.08.2019

An dieser Stelle möchte ich auf eine Neuerscheinung von Pfarrer Michael Freiburghaus aufmerksam machen: Gott erneuert dich! Die Reformation deines Lebens Niederbüren: Esras.net, 2019. Hier geht es zu einer Rezension von Jonas Erne. Mehr über Freiburghaus und seine Arbeit erfahrt ihr auf seiner Homepage: www.michaelfreiburghaus.ch

 

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