Christliche Ethik

Die zweite Schicht der Menschenfurcht

Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und danach nichts mehr tun können. Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der, nachdem er getötet hat, Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, den sollt ihr fürchten. ” (Lukas 12,4–6)

Ist man nicht ständig mit der Menschenfurcht konfrontiert? Mir geht es auf jeden Fall so, von den unzähligen Begegnungen mit diesem Feind, alleine in den letzten Tagen, eine kleine Auswahl:

  • Es wird Besuch erwartet von jemanden, der hohe Ansprüche an die Mahlzeiten besitzt. Bei der Vorbereitung der Suppe stellt man fest, dass keine Karotten mehr im Haus sind, dabei werden sie doch als besonders gesund geschätzt (vom Besuch). Schon ist man frustriert, da man eigentlich kein Gespräch über Karotten führen möchte
  • Der Pastor frägt an, ob man an einem bestimmten Tag eine Andacht halten könnte. Ich muss wegen einem Elternabend, der am gleichen Tag stattfindet absagen. Und schon spürt man den kleinen stechenden Schmerz im Herzen, dass “der Pastor mich nun für ein Weichei halten könne”.
  • Auf dem Arbeitsplatz: Bei einem Teammeating  verzichte ich darauf, eine Fehlaussage zu korrigieren, weil ich fürchte, dass mir das einen Rüffel von der Leitung einbringt.

Und das ist wirklich nur die Auswahl “plakativer Beispiele”, ganz als Paradebeispiele aus dem Lehrbuch. Sollte es z.B. möglich sein, dass man sich gar vor keinen Kindern fürchtet? Das schockierte mich, als mir im Blick auf meinen Erziehungsstil bewusst wurde, dass man die eigenen Kinder oft verwöhnt oder ihre Vergehen nachsieht, “weil man ein enttäuschtes Gesicht des Kindes fürchtet”.  

In meiner Schulzeit galt ich als besonders verwegen und schien niemanden wirklich zu fürchten. Doch Rüpelhaftigkeit ist eben nicht der Sieg über die Menschenfurcht, sondern bloß eine besonders geschickte (wer weiß, vielleicht auch nur eine besonders törichte) Strategie, um Menschenfurcht zu tarnen. Ich möchte das erklräen:

In unserem gemeindlichen Umfeld gibt es gelegentlich Menschen, die einen “drei-Tage-Bart” für weltlich (oder zumindest ungepflegt halten). Nun habe ich mir angewöhnt, dass ich mich bewusst nicht rasiere, wenn ich das Gefühl habe, dass nur zu tun, “um kein Anstoß” zu sein. Entsprechend fehlt manche Rasur aus. Being such reckless hatte ich zunächst das Gefühl, meine Menschenfurcht auf diesem Themengebiet unter Kontrolle zu haben. Doch weit gefehlt: Der Ärger über “solche verrückte Ansichten” kommt mich bei jeder Rasur besuchen. Ob nun glatt rasiert oder mit Stoppeln: Der Ärger über “diese seltsamen Ansichten” hat sich nicht geändert! Und die Ursache für diese Verärgerung ist ja nicht mein Kummer über eine zügellose Gesetzlichkeit, sondern mein Groll darüber, dass es jemandem einfallen sollte, mir etwas über meine Bartpflege zu sagen. Um ganz ehrlich zu sein, ich wäre mir noch nicht einmal sicher,ob dieses an dieser Stelle platzierte Beispiel nicht bloß eine Form von Rache ist, schließlich bloß ein Ventil für lange versteckte menschenfurcht.

Ein illustres Beispiel, zugegeben, aber kehren wir zu einem der Ausgangsbeispiele zurück: Die Suppe wurde ohne Karotten gekocht (“Ha, ich kontrolliere dich Menschenfucht”) und doch war die gute Stimmung hin! Ich malte mir bereits wieder grenzenlose sinnlose Diskussionen aus (“Nun kontrolliert die Menschenfurcht mich doch”).  Im Übrigen macht Menschenfurcht, eigentlich wie jede Furcht blind. Denn der Besuch kam,  die Diskussion blieb aus und die fehlenden Karotten sind kein Gesprächsthema gewesen.

Überhaupt beschäftigt sich Menschenfurcht viel zu sehr mit dem Urteil, das andere über mich fällen könnten: Denn was mein Pastor wirklich über meine Absage, die Andacht zu halten,  gedacht hat, weiß nur er und Gott allein. Ich erkenne auch keine Möglichkeit, das gefällte Urteil zu erfahren: Man stelle sich mal vor, ich “würde ihm erklären, dass er mich trotz der Absage nicht für ein Weichei halten sollte”. Jede “Rück-Vergewisserung” ist einfach ausgeschlossen und würde ja doch nur erfolgen, weil ich ein unangenehmes Urteil vermeiden möchte.

Dieses, nebenbei angemekrt , könnte schließlich sogar stimmen.. Ich glaube zwar nicht, in dem gewählten Beispiel, aber mir scheint, dass manch Urteil, das “gefürchtet wird”, gerade deswegen “gefürchtet wird, weil es zutrifft”. Und doch reagieren wir eben nicht gottesfürchtig (welch treffender Begriff), wenn es unser erstes  Ziel ist,  vor allem ein negatives Urteil durch unseren Nächsten zu vermeiden. Mit den so hart klingenden und doch sehr zutreffenden Worten von Paulus: “Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde; auch richte ich mich selbst nicht. Der Herr ist’s aber, der mich richtet” (1. Kor. 4,4-5, gekürzt).

Um zum dritten Eröffnungsbeispiel zurückzukehren: Auch eine “mutig ausgesprochene Korrektur” der Fehlaussage ginge am Herzensproblem vorbei: Denn selbst diese würde ich schließlich fällen, um meinen “Einsatzwillen und meine Aufmerksamkeit zu beweisen”. Ich würde sagen, dass an der Stelle sowohl eine öffentliche Aussprache wie auch ein Vier-Augen-Gespräch möglich wäre und korrektes Verhalten darstellen würde. Aber meine Motive waren vor allem mit der Wertung durch meine Kollegen beschäftigt und so verstieß ich gegen de Ermahnung aus Epheser 6,6. dass ich meinen “Dienst nicht allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Sklaven Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen” tun soll.

Die Worte von Paulus aus 1. Kor. 4,4-5 machen aber auch noch etwas anderes deutlich: Die zweite Schicht der Menschenfurcht, der Grund für unsere Menschenfurcht ist nicht so sehr darin zu suchen, dass wir uns zu sehr mit unseren Nächsten zu sehr beschäftigen, sondern er findet sich darin, dass wir uns zu sehr mit uns selbst beschäftigen.

Menschenfurcht dreht sich wohl zu sehr um das Urteil der anderen, aber eben um das Urteil, das über mich gefällt wird. Der Ehrverlust, wenn mich ein Gemeindemitarbeiter für meine Bartstoppeln zurechtweist, diesen kann ich kaum ertragen. Oder in direkter Rede: “Wie könnte es jemand wagen, mich für einen schlechten Vater halten”. “Was fehlt meinem Chef ein, mich für einen schlechten Arbeiter zu halten”. “Wieso starrt er mich so an, als sehe ich aus wie…. (please fill ihn)”

Das wiederum bringt uns zur Lösung, von der Paulus auch wusste: Die Rechtfertigung vor Gott. Eins ist not, und das ist Gottesfurcht! Kein Urteil geht tiefer durch Mark und Bein und hat schrecklichere Folgen, als das Urteil Gottes. Weil wir dieses Urteil umso mehr fürchten, begeben wir uns auf die vermeintlich weniger gefährlichen Urteile unserer Mitmenschen. Schließlich kann ja kein Nächster mich bis in die Hölle verdammen. Bevor wir das Urteil Gottes hören wollen, schreien wir lieber zu den Bergen, dass sie uns bedecken sollen. So Unerträglich ist Gottes Urteil! Und Doch ist in diesem Urteil unser Heil zu finden, wenn wir auch Christus darin erblicken. Er nimmt das Urteil, dass uns zusteht auf sich und wir stehen nun gerechtfertigt vor Gott. Hier eröffnen sich weite Tore zur Freiheit von der Menschenfurcht.

Es ist also ein unerwartet Segen für uns darin zu finden, wenn wir für die ersten, zweiten und weitern Schichten unserer Menschenfurcht Buße tun.

 

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