Auf der Suche nach unserem Vorkämpfer: eine Biblische Theologie von David und Goliath

Jason Hood:

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Tut mir leid, Malcolm Gladwell: Die Geschichte von David und Goliath in 1. Samuel 17 soll uns nicht beibringen, wie ein krasser Außenseiter einen haushoch überlegenen Gegner besiegen kann. Genauso wenig sollen wir darin Strategien für die Führung eines Unternehmens finden können, oder Ratschläge, wie wir die Riesen in unserem Leben (von Schulden über Gewichtsprobleme bis hin zu Süchten) bekämpfen können. Ebenso wenig lautet die Lektion: „ergreife die Waffenrüstung, die authentisch zu dir passt”.

Wie also ist die Geschichte von David und Goliath relevant für uns?

Eine nützlichere Herangehensweise sollte die Frage stellen, worauf Gott in der Schrift als Ganzes hinauswill und sollte in 1. Samuel damit beginnen. Wenn wir diese Geschichte in ihrem kanonischen Kontext lesen, dann können wir anfangen zu sehen, wie sie mit Jesus Christus und durch Jesus Christus mit uns verbunden ist.

Jesus sehen: David, Goliath und die Große Geschichte der Bibel

In 1. Samuel leitet Gott sein Volk im Übergang von der Machtausübung durch Stammesführer hin zu einer Herrschaft durch Könige. Er erweckt einen König, mit dem er einen ewigen Bund schließen wird (2. Samuel 7). Weil dieser rote Faden des Bundes auch außerhalb von 1. Samuel reichlich zu finden ist, sollte unsere Auslegung wahrscheinlich diesem roten Faden folgen. Und es zeigt sich, dass es im Text eine Reihe von Hinweisen gibt, die uns einladen, ihn so auszulegen, dass die ganze Bibel berücksichtigt und Christus ins Zentrum gestellt wird.

Indem Goliath und die Philister erbarmungslos Krieg führen gegen das Volk Gottes, haben sie sich gegen den Schöpfer und seine Absichten verbündet. In 1. Mose 3,15 jedoch hat Gott verheißen, dass der große Feind seines Volkes unterworfen werden wird. Gott setzt Feindschaft zwischen die Frau und die Schlange und zwischen ihrer beider Nachkommen. Er verheißt, dass ihr Nachkomme den Kopf des Versuchers zertreten wird, obwohl er dabei auch in die Ferse gebissen wird. Goliath wird ein Teil der Kriegsführung der Schlange gegen Gottes Absichten und sein Volk. Daher passt es, dass er an einer Kopfverletzung stirbt (1Sa 17,49.51; vgl. 1Mo 3,15). (In 1. und 2. Samuel wimmelt es von Kopfverletzungen. Selbst jenen, die der Enthauptung entgehen, geht es auf dem Weg zu ihrem Untergang an die Haare oder an den Bart.)

Goliaths Rüstung ist ein weiterer Hinweis auf 1. Mose 3. Die Elberfelder Bibel gibt sehr gut den hebräischen Begriff wider: Goliath hat einen „Schuppenpanzer“ (d.h. eine Art Kettenhemd). Im Kontext der Philister erinnert das an Dagon, ihren „Wassermann“-Gott, der halb Fisch, halb Mensch ist. Ein Bibelleser sieht jedoch mit geringer Vorstellungskraft eine Verbindung zur Schlange aus 1. Mose 3.

Schließlich ist Goliath als „Vorkämpfer“ bekannt – die übliche Übersetzung einer Formulierung, die wörtlich: „der Mann des Zwischenraumes [zwischen zwei Armeen]“ bedeutet. Er ist ein Stellvertreter, der „Mann des Zwischenraumes”, der im Namen seines Volkes kämpft. Er tut das, was sie nicht tun können oder nicht tun sollen. Und genau das tut auch David: er steht zwischen seinem Volk und den Feinden seines Volkes und führt den entscheidenden Schlag.

Aber die größten Feinde des Volkes Gottes sind Satan und ihre eigene Sünde. Wenn wir sorgfältig lesen und die biblischen Muster wahrnehmen, dann werden wir in diesem Text den Schatten des größeren Sohnes Davids sehen, den wahren Stellvertreter, der für uns „im Zwischenraum steht“ und einen größeren Sieg erringt.

Uns selbst sehen: David, Goliath und unsere Geschichte

Aber unsere Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen. Wir haben angefangen, Jesus zu sehen, indem wir diesen Hinweisen aus dem Text und den Vorstellungen aus der ganzen Bibel nachgegangen sind. Nun können wir auch anfangen, uns selbst zu sehen.

Wir können uns selbst in den Israeliten sehen, die durch Davids Sieg motiviert werden, sich dem Kampf anzuschließen und die Feinde auszuplündern (1Sa 17,52-53). Wir sollen Nutznießer des großen, stellvertretenden Werkes sein, das der Mann „im Zwischenraum“ vollbracht hat. Aber das ist nicht alles. Wir sollen uns auch seinem Kampf anschließen.

Wir können aus zwei Anmerkungen aus dem Römerbrief sehen, wie die Schrift diese Verbindung zieht. Die eine steht zu Beginn und die andere am Ende des Römerbriefes. Wie die Christen Roms sind wir der guten Nachricht verpflichtet, dass der Sohn Davids jetzt Herr ist (Röm 1,3-4), weil er für uns gestorben ist und unsere Feinde besiegt hat. Und wie die Christen Roms sind wir Teilhaber der Verheißung, dass Gott selbst den Satan bald unter unseren Füßen zertreten wird (Röm 16,20). Achte bitte auf den sorgfältigen grammatikalischen Satzbau des Paulus: Gott selbst ist derjenige, der Satan zertreten wird; ganz nebenbei gebraucht er dafür unsere Füße. Wir nehmen Teil am Kampf, aber jegliche Siege in unserem Kampf sind nicht einfach nur unser Werk, sondern Gottes (vgl. 1Kor 15,10).

Paulus hat diese Art von Auslegung wahrscheinlich von Jesus gelernt. Als der Sohn Davids von den 72 zurückkehrenden Jüngern die Berichte über ihren Dienst im Reich Gottes hört, macht er eine Feststellung: Satan stürzt aus seiner Machtposition und er selbst [Jesus] hat ihnen die Macht gegeben, auf Skorpione und Schlangen zu treten, Geschöpfe, die seit 1. Mose 3 für die geistlichen Gegner des Volkes Gottes stehen. (Lk 10,17-20).

An anderen Stellen spricht Paulus ebenfalls über die Kriegsführung eines Christen, und ermutigt uns, die Waffenrüstung des Messias anzuziehen und uns seinem Kampf gegen die Sünde und den Satan anzuschließen (Eph 6,10-20; vgl. Jes 11,5; 49,2; 52,17). Unsere Waffen und unsere Kriegsführung sind nicht physischer Art. Genau wie Jesus mit Worten und Taten und dem Kreuz kämpfte, so kämpfen wir mit Waffen wie Glauben und Frieden und den Worten Gottes, und nicht mit Speeren und Schleudern und Steinen.

All das ist gleichzeitig zutiefst demütigend. Wir sind nicht der Urheber dieses Sieges und wir sind nicht der wahre Vorkämpfer. Es ist aber auch zutiefst ermutigend und es adelt uns, wenn wir zum Kampf versammelt werden. Uns selbst zu sehen erfordert Vorstellungskraft und Glauben – dieselbe Vorstellungskraft und denselben Glauben, dass Jesus den Riesen Satan und den Riesen Sünde vernichtend geschlagen hat. Durch Gottes Gnade sind wir gleichzeitig Nutznießer des großen Sieges Gottes und Teilhaber in der Schlacht der Zeitalter.

Nach vorne schauen: Das „noch nicht“ des Sieges Davids

Wir sehen auch deshalb Jesus und uns selbst in Davids Geschichte, weil es im Leben weder bei David, noch bei seinem größeren Sohn, einfach nur um Sieg geht. Nach Davids Erfolg entwickelt sich die Geschichte rasend schnell hin zu einer ausgedehnten Zeit voller Spannungen. Der gesalbte König und Vorkämpfer wird nun verachtet, abgelehnt und ungerechtfertigt von Saul gejagt.

Viele der Psalmen Davids werden gewissermaßen zu einer Vorlage für das Leben Jesu (nicht weniger als fünf davon erwähnen ganz explizit Sauls Verfolgung von David in ihrer Überschrift). Trotz seines Standes als gesalbter König wird er abgelehnt, man gibt ihm Essig zu trinken (Ps 69,22), seine Kleider werden geteilt und seine Gelenke ausgerenkt (Ps 22,17-19). Er muss sich Verleumdung und Ablehnung durch enge Freunde stellen, mit denen er sein Brot geteilt hatte (Ps 41,10), ist Opfer falscher Zeugen (Ps 27,12) und so weiter.

Davids Leiden dient als ein typologisches Muster für den gesalbten und doch abgelehnten Sohn Davids. Und da die Psalmen immer noch in Gottes Gebetsbuch für sein Volk enthalten sind, sprechen sie nicht nur über den Messias, sondern auch über das, was wir erleben. Wir sind Gottes geliebte Kinder, die „die Erde erben“ werden (Ps 37,11; Mt 5,5), aber das schließt Leiden in der Gegenwart nicht aus.

Wie David und sein Sohn müssen auch wir unser Kreuz tragen, uns selbst verleugnen und den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen. Aber die gute Nachricht lautet, dass die entscheidende Auseinandersetzung bereits auf Golgatha stattgefunden hat. Der Zorn Satans, den wir spüren, ist der Zorn eines besiegten Feindes (Offb 12,12). Anders als Goliath schleicht er vielleicht immer noch umher (1Petr 5,8); aber so wie bei Goliath ist auch sein Kopf bereits zertreten (Kol 2,15; Joh 16,11; Hebr 2,14).

Artikelinformationen: Jason Hood, Finding Our Champion: A Biblical Theology of David and Goliath, v. 25.08.2021

Übersetzt von Viktor Zander, korrigiert von Lina Kromm

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