“Doch auch dieses Beispiel behandelst du nicht recht und verdammst es als unnütz, darüber öffentlich zu disputieren – ob Gott in einer Höhle oder in einer Kloake sei; denn du denkst zu menschlich von Gott. (…)
Müssen wir nicht alle lehren, dass der Sohn Gottes im Schoss der Jungfrau gewesen ist und aus ihrem Unterleib geboren wurde? Inwieweit aber unterscheidet sich der menschliche Unterleib von irgendeinem anderen unreinen Ort? Und wer könnte nicht schändlich oder schmutzig davon reden? Solche Leute aber verdammen wir mit Recht, denn es gibt mehr als genug reine Worte, um von diesem notwendigen Vorgang auch mit Würde und Anstand zu reden. Auch Christi Leib war ein menschlicher Leib wie der unsrige; was aber ist unreiner als dieser? Sollten wir deshalb etwa leugnen, dass Gott leibhaftig in ihm gewohnt habe, was Paulus doch sagt (Kol. 2,9)? Was ist unreiner als der Tod? Was schrecklicher als die Hölle? Aber der Prophet rühmt sich, dass Gott sogar im Tod bei ihm sei und ihm in der Hölle beistehe (Ps. 139,8).
Darum scheut sich ein frommes Herz nicht zu hören, dass Gott im Tode oder in der Hölle sei, was beides schrecklicher und unreiner ist als eine Höhle oder eine Kloake. Vielmehr: Wenn die Heilige Schrift bezeugt, dass Gott überall ist und alles erfüllt (Jer. 23,24; Eph.1,23), dann sie sagt nicht nur, dass er an jenen Orten sei;” (Martin Luther, Vom unfreien Willen, Betanien Verlag).
Ist Gott nirgendwo?
Wenn dem Bösen alles gelingt aber selbst ein kleines Stück Gutes unendlich viel Mühe erfordert, dann frage ich mich oft, wo Gott eigentlich hin ist. Erwischt mich diese Melancholie, vermag man sich an nichts unter der Sonne zu freuen. Denn selbst das größte Glück ist schließlich eitel. Als der Prediger diese Sicht einnahm, konnte er Gott unter der Sonne nirgendwo finden. Weder in berauschenden Festen, in goldenen Palästen, in intensiver Forschung nach Weisheit. Wohl möglich, dass Gott irgendwo sei, aber entfernt, weit weg von seiner Schöpfung, ohne jeden Berührungspunkt. Alles ist bestimmt von einem schrecklichen, hohlen Determinismus. Es gibt nichts neues unter der Sonne. Weder ermöglichen Fähigkeiten ein glückliches Leben, noch muss ein Wohltäter Dank erwarten. Die besten Schätze rosten, und alles ist wie mit einem trüben Schimmel bedeckt, der alles bis zum Himmel stinken lässt.
Das Leben gleitet in fest bestimmten Bahnen dahin. Es gibt kaum Möglichkeiten diese zu durchbrechen. Arbeit, Familie, Schlaf, Arbeit, Familie, Schlaf, Urlaub und wieder Jump Start. Der erste Eindruck zählt ja bei den Mitmenschen, aber versucht mal, diesen zu überwinden. Menschen die dich ablehnen wollen, finden immer einen Grund dafür, Menschen die dich annehmen wollen, ebenso. Nur ist die zweite Gruppe viel kleiner. Für das Amt der Bürokratie bist du nur eine Nummer: Sozialversicherungsnummer, Rentennummer, Steuernummer. Sollte eine Nummer nach Gott fragen? So eilt das Leben, von einer Eitelkeit zur anderen hin. Ein endloser Strom, der wohl immer breiter wird, um irgendwann endgültig im Nirvana zu versickern.
So schreie ich in meinem Kummer: “Mein Gott, Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” Warum bin ich wie ein törichter Kämpfer, in einem elendigen Tal Magogs. Wo ist Gott? Und hier erkenne ich den Kern meiner Torheit. Denn, wenn Gott mich verließe, so hätte er jedes Recht dafür. Ich habe keinen Anspruch vorzubringen, dass Gott sich auf meine Seite stellt. Eigentlich hatte diesen Anspruch nur Einer, ein Mann am Kreuz, und gerade dieser war es, der mit voller Berechtigung rief: “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen”
Kann es vielleicht sein, dass Christus deswegen verlassen wurde, damit ich nicht verlassen werde? Und: Wann hat Christus Gott nicht gesehen?
Gott ist überall!
Wenn man sich durchdringt, die Perspektive zu verlassen, die der Prediger/Kohelet so intensiv schildert, dass man das Kribbeln am Rücken spürt, dass man geradezu depressiv werden möchte, vor Eitelkeit, und nur wenige Seiten zurückblättert, landet man bei Hiob. Das war doch sicher einer, der Gott nicht mehr sehen konnte. Doch was stellt man fest? Wohl klagt Hiob, wohl erhebt er sogar Anklagen, und findet keinen Grund für sein Leid. ABER: Auf die Idee zu kommen, Gott wäre gar nicht da, darauf kommt er nicht. Er ruft aus: “Der Herr hat gegeben, der Herr hat auch wieder genommen” Für Hiob war Gott überall. Selbst als seine Kinder starben, als der Reichtum genommen wurde, als Krankheit ihn befiel. Als selbst seine Frau nicht mehr Gott erkennen konnte, und keiner seiner Freunde hier noch Gott am Werk sahen, rief Hiob aus: “Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!” Offensichtlich hat Hiob schon ein deutliches Vorausahnen dessen, was einst am Kreuz geschehen soll. Schließlich, wird er sich ja auch aus dem Staub erhöhen.
Oft springt mein Leben zwischen Prediger und Hiob hin und her. In der eitelkeit einer gesättigten westlichen Welt will man gerne ausrufen: Wo bist du Gott! Ich sehe dich nicht! Wohl sagt man das, und meint, dass man Anspruch hat, solche Anklagen zu erheben! Zum Glück führt Christus uns an sein Kreuz und macht uns deutlich, dass solches Fragen töricht ist. Von unseren äußeren Umständen (tiefes Leid oder eitles Glück) können wir nicht auf den Charakter Gottes schließen, wohl aber von seiner Gnadentat am Kreuz.