“Wenn ich hinfalle, will es Gott dann auch?”
Das fragte mich neulich mein Fünfjähriger in der Familienandacht.
Was ich ihm nicht antworten konnte: Das ist eine bloß philosophische Frage, ohne jegliche geistliche Bedeutung. Diese so typische und häufig gehörte Antwort hat mehr Ähnlichkeit mit dem Wohlstandsevangelium als mit echter Gottesfurcht! Ich glaube tatsächlich, dass bereits Fünfjährige ein existentielles Interesse an solchen Fragen besitzen. Lerne: Zu schnell einleuchtende Antworten nehmen manchmal selbst Fünfjährige nicht ernst. Seine Frage bewies mir auch, dass es eben töricht ist zu meinen, die Lehre der Vorsehung ist nur etwas für Experten und gehe die Gemeinde nicht wirklich etwas an. Vgl. auch die Auseinandersetzung zwischen Erasmus und Luther: “Ist es nützlich, bestimmte Wahrheiten zu unterdrücken?”
Was ich ihm nicht geantwortet habe: Die übliche Antwort “Gott lässt es zu” konnte ich ihm kaum geben. Dafür kennt er seine Kinderbibel zu gut. Gott hat die Sintflut nicht einfach zugelassen. Er selbst hat sie geschickt. Es gibt keine andere höhere Autorität über (oder neben) Gott, die zufalls- oder schicksalsdiktiert unzulege “Schicksalswege” vorschlägt, unter denen Gott dann wählt, was gerade noch eintreten kann! Die Geschichte über die Arche ist nicht über eitel Sonnenschein und fröhliche Tiere. Es ist eine Geschichte über die unerwartete Rettung eines Überrests mitten im Gericht. Das begreifen die meisten Kinder intuitiv ganz schnell.
Was ich ihm geantwortet habe: Das Gott auch hinter dem “Bösen” steht, aber anders als hinter dem “Guten”. In all dem Bösen, dass ihm widerfährt, darf er einen liebenden Gott wissen, der alle Dinge, denen die ihm lieben, zum besten dienen können. Bereits bei einem Fünfjährigen konnte ich so den Trost dieser Botschaft beobachten. Als einer der sehr ehrgeizig ist, kann er jetzt lernen, auch Missgeschicke aus Gottes Hand zu nehmen.
Worüber ich selber nachgedacht habe: Die Frage hat mich weiterhin beschäftigt. Hätte ich z.B einem Missbrauchsopfer genau so geantwortet? Die bittere Vorsehung Gottes bleibt sicher ein Mysterium, aber es ist töricht zu denken, dass das Model eines “neutral nebenbei stehenden Gott”, der “unsere Entscheidungen beobachtet” irgendwie mehr Trost enthält. In beiden Fällen bliebe der bittere Gedanke, dass ein allmächtiger Gott den Missbrauch hätte verhindern können. Aber nur in einem Fall kann ich mich mit einer besseren größeren Ziel trösten. Ich schreibe das hier ganz trocken runter, aber mir ist bewusst wie viel Sensibilität das erfordert und wie schwer es ist, echte Opfer, echte leidende Menschen zu verstehen. Ich kann durchaus damit leben, dass man davon spricht, dass Gott “Leid zulässt”, wenn man das sauber ausarbeitet, wie es z.B. Paul Helm in seinem Artikel zur Vorsehung tut. Womöglich klingt das für manchen nach Rosinenpickerei. Was aber auf dem Spiel steht ist eine theologische Interpretationen von allem, was wir als Negativ im Leben empfinden! Zu oft endet der Verweis auf “Gott hat es zugelassen” in pragmatischen Lebensansätzen, die Missgeschick um jeden Preis vermeiden lösen, weil man keine Antwort auf Leid besitzt. Kann ich mich wie Lazarus (sein Name bedeutet: Gott hat geholfen!) allein an Gott erfreuen, auch wenn alle andere Zeichen gegen mich sprechen?
Immer da, wo ich glaubend und vertrauend mit Gott interagieren kann, finde ich es nicht schwierig – und das ist ja auch, was die Bibel sagt: Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Guten mitwirken. Gottes Züchtigung wirkt die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind. Diese Erfahrung mache ich in meinem eigenen Leben. Schwierig finde ich es, wenn Menschen Gott nicht kennen oder gar nicht die Möglichkeit haben, z.B. weil sie mental so eingeschränkt sind, dass sie das Evangelium nicht verstehen können (habe viele Jahre mit schwerst-mehrfach behinderten Menschen gearbeitet) oder z.B. am Missbrauch sterben, ehe sie es je hören konnten. Es ist dann schwer zu sehen, welches größere Gute dabei herauskommen soll. Soweit ich sehe, sagt die Bibel darüber nichts, außer dass man es allgemein unter Sündenfall und Gericht über die Menschheit (positiv gesprochen: zum Erweis der Gerechtigkeit Gottes) einordnen kann. Die Frage, die ich mir dann stelle: Ist Gott darüber betrübt oder befriedigt es seinen Zorn? Jesus weint z.B. über Jerusalem, aber er bekehrt es nicht.
Diese Fragen erschüttern zwar meinen Glauben nicht, weil ich auch nicht erwarte, dass ich mein kleines Gehirn um die Weisheit Gottes wickeln kann, aber sie lassen sich auch nicht einfach zur Seite schieben.
Vielen Dank Ruth, für deinen freundlichen Kommentar!
Es darf auf keinen Fall ein liebloser Determinismus sein. Überhaupt ist wahrscheinlich meine rigorose Verteidigung der Vorherbestimmung Gottes, vor allem auch durch die Absicht getrieben, jeglichen maschinistischem Determinismus und jeglicher “Schicksalslehre” einen Riegel vorzusetzen. Wir haben einen Gott, der da ist, der hilft, der absolut zuverlässig und vertrauenswürdig ist. Sein Name ist es, dass er “langmütig, gnädig, geduldig udn von großer Güte ist!” Amen und Halleluja! Ich denke schon, dass man sagen kann, dass es Gott ist, der betrübt ist, dessen Herze bricht, die Sünder zu strafen, vor allem, wenn wir “durch Christus” auf Gott blicken. In deinem speziellen Beispiel, mit den Tränen Jesu über Jerusalme. Diese müssen unbedingt echt, und real, tatsächlich, auf keinen Fall irgendwie “gespielt”, oder “im Vorauswissen, da Jesus ja Gott ist sozusagen “Computerspielmäßig simuliert”” sein. Ich gebe es zu, dass es schwierig ist, in Jesus sowohl wahren Gott, wie wahren Mensch zu sehen. Aber der Mensch Jesus Christus ist mein Mittler bei Gott! Gerne würde ich mit dir darüber ausführlicher bei einem kaffee darüber sprechen, vielleicht ergibt sich ja mal eine Möglichkeit dafür!
Das wäre schön! Vielleicht wenn wir verrückte Coronazeit überlebt haben …