John Wesleys Gespräch mit Zinzendorf

Bildergebnis für wesley and zinzendorfAuf diese Unterhaltung beider, bin ich eher zufällig gestoßen, ich selbst verfüge nur über den Hinweis, dass sich diese Unterhaltung im zweiten Band vom Wesley Journal S. 488-490 findet vom 3.Sept. 1741). Das Gespräch fand ursprünglich wohl in Latein statt und die englische Variante, so wie ausführliche Quellenverweise finden sich hier. Ich wollte niemandem dieses herrliche Stück Kontroverse vorenthalten:
Zinzendorf (Z): Warum hast du deine Religion (Überzeugung) gewechselt?
Wesley (W): Ich bin mir nicht bewusst, meine Religion (Überzeugung) gewechselt zu haben? Wie kommst du darauf? Wer hat dir dies berichtet?
Z: Du selbst. Ich ersehe das aus deinem Brief an uns. darin bekennst du dich zu einer neuen Religion, nachdem du die, welche du bei uns gelernt hast, aufgegeben hast.
W: Wieso? Ich verstehe das nicht.
Z: Doch, du sagst darin, wahre Christen seien keine armen Sünder. Das ist völlig falsch. Die besten Menschen sind bis zum Tode ganz elende Sünder. Wenn sie etwas anderes sagen, sind sie durch und durch Betrüger oder teuflisch Verführte. Unsere Brüder, die Besseres lehren, hast du bekämpft; und dann, als sie Frieden wollten, hast du ihn verweigert.
W: Ich verstehe immer noch nicht, was du willst.
Z: Als du aus Georgia an mich schriebst, habe ich dich gar sehr ins Herz geschlossen. Damals erkannte ich dich als einen Menschen mit einfältigem Herzen. Du schriebst wieder. Ich merkte, dass du wohl einfältigen Herzens warst, aber voll verwirrter Ideen. Du kamst zu uns. Deine Gedanken waren noch verwirrter und konfuser geworden. Dann fuhrst du nach England zurück. Einige Zeit später hörte ich, dass unsere Brüder mit dir stritten. Ich schickte Spangenberg, um zwischen euch Frieden zu stiften. Er schrieb mir, die Brüder hätten dir Unrecht getan. Ich schrieb zurück, sie sollten damit aufhören und dich um Verzeihung bitten. Spangenberg antwortete, sie hätten um Verziehung gebeten, aber du wolltest keinen Frieden, um über sie triumphieren zu können. Jetzt, da ich ankomme, höre ich dasselbe.
W: Die Sache hat sich in ihrem Hauptpunkt keineswegs verändert. Deine Brüder – das ist wahr – haben mich recht schlecht behandelt. Später baten sie um Verziehung. Ich antwortete, es sei ganz überflüssig; ich sei über sie niemals erzürnt gewesen, aber sie sollten darauf achten, erstens nicht Falsches zu lehren und zweitens nicht schlecht zu leben. Dies ist und war die einzige strittige Frage zwischen uns.
Z: Das musst du deutlicher sagen.
W: Ich bin in Sorge, dass sie Falsches lehren einmal über das Ziel unseres Glaubens in diesem Leben, also über die christliche Vollkommenheit, sodann über das, was unsere Kirche die Gnadenmittel nennt.
Z: Ich erkenne keine innewohnende Vollkommenheit in diesem Leben an. Das ist der Irrtum aller Irrtümer. Ihn bekämpfe ich in der ganzen Welt mit Feuer und Schwert, ihn verfolge und vernichte ich. Allein Christus ist unsere Vollkommenheit. Wer eine innewohnende Vollkommenheit lehrt, der leugnet Christus.
W: Ich aber glaube, dass Christi Geist im rechten Christen die Vollkommenheit schafft.
Z: Keineswegs. Unsere ganze Vollkommenheit liegt in Christus. Alle christliche Vollkommenheit besteht im Vertrauen auf Christi Blut. Die ganze christliche Vollkommenheit ist imputiert (zugerechnet), in inhäriert (innewohnend). Wir sind vollkommen in Christo, in uns selbst niemals.
W: Wir streiten – glaube ich – um Worte. Ist nicht jeder, der wirklich glaubt, ein Heiliger?
Z: Aber ein Heiliger in Christo, nicht in sich.
W: Aber lebt er nicht heilig?
Z: Gewiss, er lebt heilig in allem.
W: Und hat er nicht ein heiliges Herz?
Z: Ganz gewiss.
W: Folglich ist er doch heilig in sich?
Z: Nein, nein. Allein in Christo, nicht heilig in sich. Er hat durchaus keine Heiligkeit in sich.
W: Trägt er nicht in seinem Herzen die Liebe zu Gott und zum Nächsten, ja sogar das ganze Ebenbild Gottes?
Z: Ja. Aber das ist die gesetzliche Heiligkeit, nicht die evangelische. Dei evangelische Heiligkeit ist der Glaube.
W: Wir streiten ganz und gar um Worte. Du gibst zu, dass das ganze Herz des Glaubenden und sein ganzes Leben heilig ist: er liebt Gott von ganzem Herzen und dient ihm mit allen Kräften. Mehr verlange ich auch nicht. Nichts anderes verstehe ich unter “christlicher Vollkommenheit oder Heiligkeit.”
Z: Aber das ist nicht seine eigene Heiligkeit. Er ist nicht heiliger, wenn er mehr liebt, und nicht weniger heilig, wenn er weniger liebt.
W: Was? Nimmt denn der Glaubende, der in der Liebe wächst, nicht gleichfalls auch in der Heiligkeit zu?
Z: Niemals. Vielmehr in dem Augenblick, in dem er gerechtfertigt ist, wird er auch völlig bis ins Innerste geheiligt. Folglich ist er bis zu seinem Tode weder mehr noch weniger heilig.
W: Also ist der Vater in Christo nicht heiliger als ein neugeborenes Kind?
Z: Nein. Die ganze Heiligung und Rechtfertigung sind in demselben Augenblick da; und keine wird mehr oder weniger.
W: Wächst nicht der wahre Gläubige in der Liebe Gottes von Tag zu Tag? Ist er denn schon vollkommen in der Liebe, sobald er gerechtfertigt ist?
Z: So ist es. Niemals wächst er in der Liebe zu Gott. So ganz liebt er in dem Augenblick, wie er ganz geheiligt wird.
W: Was will aber der Apostel Paulus mit dem Spruch: “Wir werden erneuert von Tag zu Tag?”
Z: Ich will es dir sagen. Wenn Blei in Gold verwandelt wird, so ist es Gold am ersten und zweiten und dritten Tag. So wird es erneuert von Tag zu Tag. Aber niemals ist es goldener als am ersten Tag.
W: Ich meinte, wir sollten in der Gnade wachsen!
Z: Sicherlich. Aber nicht in der Heiligkeit. Sobald nämlich jemand gerechtfertigt ist, wohnen Vater, Sohn und Heiliger Geist in seinem Herzen. Und sein Herz ist in jedem Moment so ganz rein, wie es jemals sein wird. Ein Kind in Christo ist genau so rein im Herzen wie ein Vater in Christo. Da gibt es keinen Unterschied.
W: Waren die Apostel nicht vor Christi Tod gerechtfertigt?
Z: Sie waren es.
W: Waren sie nicht heiliger nach Pfingsten als vor Christi Tod?
Z: Keineswegs.
W: Wurden sie nicht an jenem Tage voll des heiligen Geistes?
Z: Ja. Aber dieses Geschenk des Geistes bezog sich nicht auf ihre eigene Heiligkeit. Es war ganz eine Gabe der Wunder.
W: Vielleicht verstehe ich dich nicht. Wenn wir uns selbst verleugnen, sterben wir dann nicht mehr und mehr der Welt und leben Gott?
Z: Wir weisen alle Selbstverleugnung zurück, wir treten sie mit Füßen. Als Glaubende tun wir alles, was wir wollen und nichts darüber hinaus. Wir verlachen alle Abtötung. Der vollkommenen Liebe geht keine Reinigung voraus.
W: Was du gesagt hast, will ich mit Gottes Hilfe genau erwägen.
Gefunden in “Junge Kirche” 13 Jahrgang, Oldenburg 1952 S. 289-291
Vgl. auch die Kontroverse Wesleys mit Whitefield.

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