Dass ein schlafender Jesus trotzdem bei seinen Jüngern war, haben wir schon gesehen. Damals war er ja doch wenigstens da. Doch falls ein Sturm ausbricht, und Jesus ist nicht da, was ist dann?
Sowohl Markus (Mk. 6,45-52) wie Matthäus (Mt. 14,22-32) berichten über diesen zweiten Beinahe-Schiffbruch der Jünger. Johannes (6,16-21) berichtet nur dieses Unglück, und auch aus einer etwas anderen Perspektive.
Was mir auffiel:
- Auch im heimischen Gewässer kann man sinken. Welches Wasser und was überhaupt kannten Petrus und Co. schon besser als das Galiläische Meer? Es war ihr täglich Geschäft, hier auszufahren. Offensichtlich mehrten sich die Stürme, seit sie Jesus begleitete. Nun aber: wieder Seenot. Und diesmal ist nicht mehr der dabei, von dem die Jünger bekannten, dass “Wind und Wetter ihm gehorchten”. Nun also, müssen Sie selber klarkommen.
- Jesus sah sie, als sie ihn nicht sahen: Die Jünger rechneten definitiv nicht mit Jesus. Sie waren eher bereit an “Gespenster” zu glauben. Ich erinnere mich noch gut, als ich diese Begebenheit das erste Mal in der Bibel las. Mein Urteil über die Jünger war eindeutig: Wie können Christen bloß an Gespenster glauben. Aber ich erkannte damals das tiefere Drama nicht. Die Jünger glaubten eher an Gespenster als an Jesus. Dabei war Jesus schon länger auf den Weg zu ihnen. In diesem Wunder sehen wir in besonderer Weise den wichtigen Gedanken offenbar, dass Jesus nicht “leiblich” unter uns präsent sein muss, damit er hilft. Jesus ist immer der gleiche. Der gleiche Jesus, der zu seinen Jüngern eilte, eilt auch heute zu seinen Kindern in ihren Nöten.
- Der Glaube wurde schon geprüft, bevor ich ihn präsentierte. Mir fällt auf, dass Petrus seine Glaubensprüfung als “Jesus-Prüfung” vorführt. Petrus Wortlaut geht folgendermaßen: “Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser.” Nun ist ja Jesus danke und Petrus hatte die Gelegenheit seinen Glauben, sein Jesus-Vertrauen vorzuführen. Er sollte bei der Vorführung beinahe umkommen… Ein Grund dafür, war natürlich, dass er bei seinem Gang auf dem Meer nicht mehr auf Jesus sondern auf die Wellen blickte. Aber ich sehe noch einen anderen Grund: “Glauben zu wahren”, galt es nicht auf dem Gang auf den Wellen, sondern schon davor, als das Bot “kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen.” (Mt. 14,24). Jesu Mahnung “Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?” reicht tiefer als bloß in das Straucheln auf den Wogen.
- Jesu Hunger nach Glauben. Sie reicht auch deswegen weiter, weil Jesus beständig Glauben sucht, “Glauben in seinen Jüngern züchten willen”. Letztlich hat doch schon jeder über das Paradox nachgedacht, dass Gott, der diesen Sturm gestillt hat, diesen ja auch geschickt hat. Ist Gott also willkürlich und launisch? Ist seine Herzlichkeit nur ein Trostpflaster für seine Willkür? Wir wollen die Geheimnisse von Gottes Ratschluss häufig auf fleischliche Weise lösen und übersehen, die Lektion des Glaubens, die Jesus seinen Jüngern erteilte, und die auch Jahrhunderte später seinem Volk Trost gibt. Jesu Glaubenslektion weckt Vertrauen: Ob es nun seine sorgende Abwesenheit auf dem Gebetsberg war, ob es der Gang auf dem Meer, ob es das beruhigen der Jünger ist, als sie in Furcht schreien, ob es das Herausziehen von Petrus ist, als er um Hilfe ruft, ob es nun der sanfte Tadel des Zweifels ist. Immer und immer wieder nährt Jesus den Glauben seiner Jünger und baut ihn auf.
Fazit: Jesus an und für sich ist der Sturmstiller. Ob er nun bei uns ist, oder “abwesend beim Vater”.