Ein Artikel von Michael S. Lundy. Erschienen am 11.09.2019 auf DesiringGod.org unter dem Titel: „Fill Your Heavy Heart with Heaven“. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von DesiringGod. Download als .pdf.
Richard Baxter, der englische puritanische Pastor des siebzehnten Jahrhunderts, zudem eine Zeitlang als Laienarzt tätig, war mit den Leiden seiner Gemeindemitglieder wohl vertraut. Sein Rat an Christen, die an akuten oder chronischen Ängsten und Depressionen leiden, ist heute noch genauso relevant und nützlich, wie vor 400 Jahren, als er ihn niederschrieb.
Baxter wusste, dass Verzweiflung und Angst aufgrund ungewöhnlicher Umstände, Schwierigkeiten in wichtigen Beziehungen und aus anderen Gründen, dringend werden können. Diese Gefühle können auch physische Ursachen besitzen, die Baxter als medizinische Fehlfunktionen erkannte. Er bot depressiven und verängstigten Christen in unterschiedlichen Situationen, Menschen, mit milden und harten Symptomen, großzügig Rat an.
Baxters Ratschläge konzentrieren sich vor allen auf unsere Gedanken über Gott und darauf, wie falsches Denken über Gott Depressionen und Ängste verursachen oder verstärken kann. Er zeigt auch, wie eine Korrektur unserer Gedanken und Verhaltens uns helfen kann, mit mehr Gnade unsere herausfordernden Situationen ertragen und schließlich auch Befreiung davon erfahren können. Hier nun einige Beispiele von Baxters besonderen Ratschlägen für die, die mitten in Angst und Verzweiflung stecken.
1 Denkt Beständig über die Gnade nach
„Denkt und sprecht genauso viel über die Güte, die ihr empfangen habt, wie über die Sünde, die ihr begangen habt. Konzentriert euch also vor allem auf die Gnade, die euch angeboten wird, wie auf die, die ihr benötigt (Depression, Anxiety, and the Christian Life, 92)“.
„Der Herr ist getreu in all seinen Worten und gnädig in allen seinen Werken.“, sagt der Psalmist (Psalm 145,13). Baxter führt aus, dass wir das Maß an Barmherzigkeit, dass wir benötigen, für bedeutsamer halten, als das Maß an Barmherzigkeit, dass Gott uns anbietet, wenn wir die Gaben Gottes ignorieren, nämlich seine Freundlichkeit und Treue.
Doch die Gnade, die uns Gott in Christus anbietet, ist deutlich größer als die Gnade, die wir benötigen und sollte unsere Sorge und unseren Kummer beherrschen. Unsere Wahrnehmung wird insbesondere inmitten von Angst und Depressionen durch Sorgen und Zweifel eingeschränkt oder verzerrt sein, sie wird jedoch durch das, was Gott über sich selbst sagt, bereichert (Eph. 3,20).
2 Verharrt in Gottes unendlicher Freundlichkeit
„Statt euer Herzensinneres durchforschen und dort nach der Liebe Gottes zu suchen, wäre es weiser, an die unendliche Freundlichkeit Gottes zu denken. (S.90)“
Zur Zeit Baxters war das Bewusstsein der Sünde und ihrer Schwere unter denen, die ein christliches Leben führen wollten, auffallend. Echte Gläubige wurden häufig von tiefen Zweifeln befallen, ob nun die Versprechen des Heils auch sie persönlich einschlossen, obwohl sie weniger Schwierigkeiten besaßen, die Grundzüge des Evangeliums im Allgemeinen zu verstehen.
Wahrscheinlich ist das bekannteste Beispiel eines solchen Zweifelns das von Baxters Zeitgenossen John Bunyan, welches er in seiner Autobiographie „Grace Abounding to the Chief of Sinners“[1] niedergeschrieben hat. Auf seinem Weg zum beständigen Frieden mit Gott durch Christus, kämpfte Bunyan intensiv, nicht bloß für Stunden, Tage oder Monate, sondern jahrelang, bevor er Christi Werk sogar für John Bunyan verfügbar erkannte. Es war für ihn eine fürchterliche Versuchung. Doch, auf die Gefahr hin, eine zu kurze Zusammenfassung von Bunyans Kämpfen zu treffen, kann gesagt werden, dass er sich zu sehr auf seine Sünde konzentrierte und so die Freundlichkeit und Großzügigkeit Gottes übersah.
Die Christen des 21ten Jahrhunderts scheinen weniger mit dem Gefühl der Sündenschwere zu kämpfen, als die Christen zur Zeit Baxters. Als ganze Kultur scheinen wir mehr mit unserem Leiden, als mit unserer Sündhaftigkeit zu kämpfen. Missstände führen trotzdem dazu, dass westliche Christen die gleichen Eigenschaften Gottes in Frage stellen, mit denen Bunyan kämpfte. „Wenn Gott so gut ist, warum hat er nicht…?“ Baxters Ratschlag bleibt also auch für unsere westlichen Störungen so relevant wie zur Zeit Bunyans.
Baxter urteilt also zurecht: „Wenn ihr an die Heiligen Dinge denkt, dann lasst es die besten Dinge sein, nämlich Gott und Gnade, Christus, Himmel oder eure Geschwister in der Kirche (89).“ Denkt viel über die Freundlichkeit Gottes im Evangelium seines Sohnes nach.
3 Dankt und Lobt mehr als ihr bekennt
„Verbringt in euren Gebeten genauso viel Zeit mit dem Bekenntnis empfangener Gnade, wie mit dem Bekenntnis begangener Sünden und im Lob Gottes so viel Zeit wie im Klagen über euer Elend (92)“
Baxter erinnerte seine verzweifelten und verängstigten Gemeindemitglieder an unsere Pflicht, dass der Dank und der Lob für die empfangene Vergebung unsere Pflicht unsere Sünden zu bekennen, unser Leid und unsere Beschwerden überwiegt. Ohne letzteres gering zu machen, können wir ersteres groß machen; genau das wird unseren Kummer lindern und unseren Geist aufrichten. „Wenn ihr auch nicht in dem Maße, wie ihr es gerne möchtet, Gottes Vorzüge und eure Dankbarkeit dafür äußern könnt, macht es dann so gut ihr es könnt, (92)“ führt Baxter weiter aus.
4 Bleibt so Beschäftigt wie möglich
„Stellt sicher, dass ihr durchgehend beschäftigt seit- natürlich im Rahmen eurer Kräfte –in hingegebener Ausübung einer ehrwürdigen Berufung; vergeudet eure Zeit nicht im Müßiggang (97).“
Müßiggang stellt eine Gelegenheit für den Teufel dar und er wird diese wahrnehmen, wenn sie ihm gegeben wird, führt Baxter aus. Ein jeder von uns hat eine Pflicht, zu deren bestmöglichsten Ausübung uns Gott beruft. Wenn wir stattdessen „darauf bestehen in einer Ecke zu brüten und gegen Gott durch Müßiggang und Trägheit sündigen wollen“, werden wir „nur zusätzlich zu unserem eigenen Elend beitragen (98)“.
Angst und Depression können als valide Entschuldigungen dafür scheinen, unsere Pflichten zu vernachlässigen. Auch wenn wir von den Belangen entbunden werden können, die wirklich über unsere gegenwärtigen Fähigkeiten hinausgehen, bedeutet das nicht, dass wir keine Verpflichtungen (mehr) besitzen und alle Angelegenheiten meiden müssen, die uns unangenehm oder abstoßend erscheinen. Baxter führt aus, dass wir, wenn wir dem Wenigen nachkommen, zu dem wir fähig sind, wir Schritt für Schritt befähigt werden, dass zu tun, was wir gegenwärtig nicht ertragen können.
5 Bedenkt die Freuden Satans
„Achtet sorgfältig auf die Freuden Satans, wenn er euch in bitteren, verzweifelnden Gedanken fängt. Schon bald werdet ihr dann erkennen, dass ein solcher Fokus kaum in eurem Interesse sein kann, wenn er Satan so viel Freude bereitet (98)“
Während Paulus annimmt, dass seine Leser Satans Taktiken „kennen“ (2. Kor. 2,11), sind wir oftmals nicht so bedacht, wie seine ursprüngliche Leserschaft. Tatsächlich können wir Satan in unseren Berechnungen völlig übersehen. Während es durchaus Gefahren gibt, sich zu sehr auf den Teufel zu konzentrieren, gibt es doch ebenso bedeutende Gefahren, ihn völlig zu ignorieren. Wenn wir uns dabei ertappen, dass wir Dinge sagen und tun, die einzig dem Widersacher gefallen, sollten wir innehalten und uns inmitten der Schwierigkeiten einer Selbstprüfung unterziehen.
David zum Beispiel versucht, sich dessen zu versichern, was nicht ganz selbstverständlich gewesen sein muss – nämlich, dass er weiterhin Grund hatte, auf Gott zu hoffen, und dass er irgendwann in der Zukunft erwarten konnte, “ihn wieder zu loben (Psalm 42,5.11; 43,5)“. Manchmal kann das Füllen unserer Münder mit den richtigen Worten die falschen Gedanken vom Eintritt in unsere Köpfe abhalten.
6 Lasst Geringschätzige Gedanken über Gottes Liebe hinter euch
„Eure geringen Gedanken über Gott hindern euch daran, Ihn zu lieben, bewegen euch dazu, Ihn zu hassen und lassen euch von Ihm fliehen, wie vor eine Feind. Doch es ist Satan, der Ihn als einen darstellt, der euch hasst (98).“
Während heutzutage nur noch wenige Christen versucht sind Mal. 1,3 („Esau habe ich gehasst“) auf sich selbst anzuwenden, gibt es subtilere Arten, Gottes Aufrichtigkeit in Bezug auf die Evangeliumsversprechen in Frage zu stellen. Zu meinen, dass Gott uns lieber verletzen, als uns Gutes tun möchte, ist eine wiederkehrende Versuchung, verbreiteter, als wir denken mögen. Zumeist hüllt sie sich in verdrängte Wut, vielleicht über die Beauftragten Gottes oder unsere Umstände (Seine Vorsehung). Gottes verzagtes und verängstigtes Volk sieht in Gott immer wieder einen Feind und keinen Freund.
An Gottes wundersame Werke zu denken und diese zu erzählen, ist ein Gegengift für eine solche Haltung. Asaph, dieser wunderbare Ratgeber der Entmutigten, spricht über seine eigene Verzagtheit. Er ist besorgt: „Wird denn der Herr auf ewig verstoßen und keine Gnade mehr erweisen? Ist’s denn ganz und gar aus mit seiner Güte, und hat die Verheißung für immer ein Ende? (Ps. 77,8-9)“
Doch dann entscheidet er sich ganz entschieden dafür, an die vergangen Güte des Herrn zu denken: „Darum gedenke ich an die Taten des HERRN, ja, ich gedenke an deine früheren Wunder und sinne über alle deine Werke und denke deinen Taten nach. (Ps. 77,12-13).“ Das ist eine entschieden beabsichtigte Handlung Asaphs. Er möchte sich erinnern und tut es. Sofort ändert sich auch der Ton des Psalms zu einem hoffnungsvollen (Ps. 77,13-20). Wir können und sollten ähnlich handeln und die Wiederentdeckung der Hoffnung auf ähnliche Weise erwarten.
7 Verfolgt eine vollständige Heilung
„Ringt um die Heilung eurer Krankheit, gebt euch in die Fürsorge eures Arztes hin und gehorcht ihm. Seid nicht wie die vielen verzweifelten Menschen, die nicht daran glauben, dass Medikamente ihnen helfen können, und denken, dass nur ihre Seele beunruhigt ist (100).“
Anhaltende und tiefe Verzweiflung und Angst reflektieren oft somatische (d.h. physische) Leiden. Ein umfassender Ansatz wird versuchen verwirrte Gedanken über Gott und sich selbst zu korrigieren, wird aber auch, wenn es notwendig wird, eine qualifizierte ärztliche Untersuchung empfehlen. Häufig ist solider geistlicher Rat und geeignete Medikation nötig, um von Angst und Depression wiederhergestellt werden zu können.
Jesu Einladung „Bringt ihn zu mir“ (Mrk. 9,19) ist sein Ruf, uns und seine Lieben zu ihm zu bringen und dann bereit zu sein, dass zu tun, was er befiehlt. Für die einen beutete das: „Geh und wasch dich im Teich Siloam“ (Joh. 9,7). Für andere bedeutete es: „Geht und zeigt euch den Priestern“ (Luk. 17,14). Viele der Heilungen fanden sofort statt, andere jedoch erst nachdem man seinen Befehlen gehorsam war. „Und als sie gingen, wurden sie rein“ (Luk. 17,14)
Die Pointe hier ist, dass die Mittel der Heilung, die Gott wählt, seine Entscheidung sind. Manchmal verwendet er andere Menschen, auch Ärzte oder Pastoren oder Freunde. Gott heilt auch ohne jegliche menschliche oder pharmakologische Mittel. Somit sollen wir keine Heilung nach unserem Zeitplan oder gemäß unserer Vorstellungen fordern.
Versenkt eure Seelen in die Wunder der Barmherzigkeit
„Überseht auf keinen Fall das Wunder der Liebe, das Gott uns in der wundervollen Fleischwerdung, dem Dienst, Leben, Sterben und der Auferstehung, Himmelfahrt und Herrschaft unserer Erlösers bietet. Versenkt eure Gedanken viel mehr in all diesen Wundern der Gnade, die Gott zu ersten Quellen unserer Gedanken bestimmt hat (91).“
Jesus war zufrieden damit, als „Freund der Sünder“ (Mt. 11,19) bekannt zu sein. Beansprucht seine Freundschaft, baut auf dieser und sucht in dieser Trost. Sie wird dort gefunden, wo sie am meisten benötigt wird, denn es heißt: „Ein Freund liebt zu allen Zeiten und ist ein Bruder, geboren für düstere Zeiten“ (Spr. 17,17)
Das offenbart meine presbyterianischen Wurzeln, doch ich bekenne, dass ich eher geneigt gewesen bin, Gottes Eigenschaften anhand der Zeilen des bekannten Westminster Kürzeren Katechismus zu sehen, das auf die Frage „Was ist Gott?“ antwortet: „Gott ist Geist, unendlich, ewig und unveränderlich in seinem Wesen, seiner Weisheit, Macht, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Güte und Wahrheit“. Auffallend natürlich, dass in dieser sorgfältigen Formulierung der Eigenschaften Gottes, sowohl Liebe, wie Freundlichkeit fehlt. Baxter, ein Zeitgenosse der Theologen der Westminster Versammlung, die diesen Katechismus verfasste, spricht also rechtmäßig, wie ich meine von der Freundlichkeit, wenn er entmutigten und verängstigten Gläubigen Ermutigungen anbietet.
Soweit es uns möglich ist, sollten wir alle unsere verzweifelten und verängstigten Gedanken zu diesem freundlichen Erlöser bringen. „Denkt niemals nur an Sünde und Hölle“, schreibt Baxter, „sondern viel mehr an Christus und die Gnade… Sind eure Sünden vor euch? Warum nicht auch die vergebende Gnade Christi? Ist die Hölle vor euch geöffnet? Warum ist es dann nicht auch der Erlöser? (91)“.
Wir können durch eine erneuerte Vision Gottes als gut, treu, liebevoll und ja, auch freundlich, wieder Hoffnung schöpfen. Wir können Entmutigungen und Verzweiflung entgegentreten und Hoffnungslosigkeit vermeiden, in dem wir die vielen und guten Gründe bedenken, die wir für Hoffnung und Glauben besitzen. „Wer ist weise und behält dies? Der wird merken, wie viel Wohltaten der Herr erweist. (Ps. 107,43)“
[1] Auf deutsch 2011 unter dem Titel: „Überreiche Gnade“ beim 3L-Verlag erschienen, 152 Seiten.