“Denn die Schrift sagt zum Pharao: »Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erweise und damit mein Name verkündigt wird auf der ganzen Erde.« Also nun: Wen er will, dessen erbarmt er sich, und wen er will, verhärtet er.” (Römer 9,17–18)
In letzter Zeit hörte ich mehrfach eine fehlerhafte These zu den obigen beiden Versen. Diese lautet so: “Blicke man in das 2 Buch Mose, könne man sehen, dass zunächst Mose sein Herz verhärtet hat, bevor Gott es nun als eine Art Besiegelung verhärtet hat. Zunächst verstockte Pharao sein Herz, als er mit den Plagen konfrontiert wurde (2. Mo 8,11), dann blieb es verstockt (2. Mo 8,15) und dann verstockte er es wiederholt (2 Mo 8,28) und erst dann greift Gott ein (2. Mo 9,12).
Diese These hört man regelmäßig, und nie kam ich auf die Idee, sie auch zu überprüfen. Nur der täglichen Bibellese war es zu verdanken, dass ich auf die Fehler der These stieß. Erneut habe ich so gelernt, dass es immer gut ist, mit “einer offenen Bibel” zu diskutieren, d.h. die genannten Stellen wirklich genau nachzuschauen. Was ich nämlich entdeckt habe, ist folgendes:
Bereits vor allen Plagen, in seiner Offenbarung vor Mose im brennenden Busch, spricht Gott von seinem Plan, Pharaos Herz zu verstocken. (2 Mose 4,21):“…Und ich, ich will sein Herz verstocken, sodass er das Volk nicht ziehen lassen wird.” (2 Mo. 4,21). Einige Zeit später, als Mose schon mit Aron zusammengekommen ist, und sie bereits einen ersten Besuch bei Pharao hatten, lesen wir erneut: “Ich aber will das Herz des Pharao verhärten und meine Zeichen und Wunder im Land Ägypten zahlreich machen.” (2 Mose 7.3).
Selbst der nächste Einblick in Pharaos Herz ist mindestens “passiv” formuliert, wobei auch hier die Frage bliebe, von wem wurde es versockt? Durch die Umstände? Doch wer prägte und leitete die Umstände? Doch entscheidet selbst, der Vers lautet so: “Doch das Herz des Pharao wurde verstockt, und er hörte nicht auf sie, wie der HERR geredet hatte.” (2 Mose 77,13).
Im darauffolgenden Vers nimmt Gott den Status von Pharaos Herz auf und bezeichnet ihn auf diese Weise: “Und der HERR sprach zu Mose: Das Herz des Pharao ist verstockt. Er weigert sich, das Volk ziehen zu lassen.” (2 Mo 7,14)
Die vorgestellte These: “Zuerst Pharaos Verhärtung, dann Gottes Verhärtung” ist somit nicht haltbar.
Ich glaube aber, dass die These weitere Fehler besitzt. Dass man überhaupt den Einwand bringt, geschieht jaja, um die Anwendung von 2 Mose 9,15-16 in Röm 9,17 zu erklären. Selbst wenn die These von weiter oben stimmen würde, was wird dann aus Röm. 9,18. Will man wirklich beweisen, dass das was da steht, nicht das meint, was da steht? Es steht: “Wen er will, dessen erbarmt er sich, und wen er will, verhärtet er”, aber meine nun eigentlich irgendetwas anderes, ein Stückweit ein Gegenteil, mindestens “Ein jeder bekomme eine Chance?” Es ist einfach nicht die Art, wie man mit Zitaten des Alten Testaments im Neuen Testaments umgehen sollte und auch nomrales umgeht. Diese Art kritisches Gegenlesen im Alten Testaments, um Thesen des Neuen Testaments “zu entschärfen”, was soll das anderes sein als eine Variation von Bibelkritik. Man stelle sich vor, man würde Jesu Asyl in Ägypten, den Matthäus mit Hos 11,1 verknüpft auf gleiche Weise “verifizieren”. Man könne doch lesen, dass Hosea eigentlich vom Auszug Israel spreche. Und was ist mit Röm 1.17, das wie andere Stellen des Neuen Testaments Hab. 2,4 aufgreift. Habakuk rede schließlich in seinem Text garnicht von Glaubensgerechtigkeit? Zwei Beispiele die zeigen sollen, wie ein “Entschärfen des Zitats” normalerweise völlig tabu ist (zurecht!)
Das Paulus in Röm 9 innerhalb einer größeren Argumentation zur Frage nach dem Heil für Israel auf Pharao schwenkt, hat mich lange Zeit irritiert. Zunächst führt Paulus aus, dass es darum geht, Kinder der Verheißung zu sein. Einfach nur von Abraham abzustammen, macht uns nicht zu Kindern der Verheißung (V. 7). Schließlich war Isaak das Kind der Verheißung, und nicht Ismael. Ein Argument, dass uns auch an einer anderen Stelle bei Paulus begegnet. (Gal. 3,15-20). Nun erläutert Paulus den Vorzug der Gnade in der freien Wahl Gottes am Beispiel von der Bevorzugung Jakobs vor Esau (V. 10-13). Es kommt nun ein ganz logischer Einwand, den Paulus in V. 14 aufgreift: “Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott?” Paulus begründet nun, dass es ein allgemeines Prinzip Gottes sei “sich zu erbarmen, wessen ich mich erbarme, und werde Mitleid haben, mit wem ich Mitleid habe “(V. 15), wobei 2 Mo. 33,19 zitiert wird, dort findet sich Gottes Dialog mit Mose nach seinem Wunsch Gottes Angesicht zu sehen. Das Paulus einen solchen Vers aus einem wichtigen Aspekt der Gottesoffenbarung wählt, zeigt, dass Erwählung aus Gnade kein äußerst spezieller Sonderfall während der Geburt von Isaaks Zwillingen war, sondern ein wesentlicher Bestandteil seines Wesens, das mit seiner Offenbarung verknüpft ist.
Doch nun kommen V. 17 -18, die mir lange nicht in den Fluss der Argumentation zu passen schienen. Eine Möglichkeit ist, das Paulus nach den positiven Beispielen von Isaak und Jakob nun ein negatives sucht, ist eine Möglichkeit, wenn wir genauer bereit sind, Pharaos Position in der israelischen Heilsgeschichte zu betrachten: Die Rettung Israels vor der ägyptischen Sklaverei ist ein gewaltiges Eingreifen von Gott um sein Volk zu retten.
Wollte Gott etwa alle, ohne Unterscheidung in gleicher Weise aus der ägyptischen Sklaverei geführt werden? Pharao und seine Kinder in gleicher Weise wie die Nachkommen Abrahams? Sagt Gott nicht selbst, dass er eben gerade Israel aus Ägypten retten will: “Der HERR aber sprach: Gesehen habe ich das Elend meines Volkes in Ägypten, und sein Geschrei wegen seiner Antreiber habe ich gehört; ja, ich kenne seine Schmerzen. Und ich bin herabgekommen, um es aus der Gewalt der Ägypter zu retten.” (2 Mose 3,7-8) (Und natürlich wie immer, war das “wahre Israel” nicht bloß aus Nachkommen Abrahams bestehend, sondern viele Fremdlinge schloßen sich Israel an)
Gott sagt, ich will mein Volk aus Ägypten retten! Der moderne Prediger sagt: Gott will alle ohne Unterscheidung retten, Hauptsache sie wollen, er bietet seine Rettung dem Pharao genauso an, wie dem israelischen Volk. Für was dann aber noch die Bundestreue Gottes an seine Verheißungen, die er Abraham gegeben hat, um sein Volk zu retten. (2. Mo 2,24 “Da hörte Gott ihr Ächzen, und Gott dachte an seinen Bund mit Abraham, Isaak und Jakob.”?)
Mache ich damit die Verantwortung oder den “Willen” Pharaos wirklich kaputt? Warum sagt Gott dann: “Und nun siehe, das Geschrei der Söhne Israel ist vor mich gekommen; und ich habe auch die Bedrängnis gesehen, mit der die Ägypter sie quälen.” (2 Mo. 2,24) Wollte Gott etwa Pharaoh aus der ägyptischen Sklaverei retten und nicht sein Volk?
Wer sich fürchtet, dass Gott ihn verhärten könnte, obwohl er doch den gnädigen Gott suche, und so seine Verantwortung für seine Taten auf Gott abwälzen möchte, der bedenke folgendes: Gerade Pharao hat ja Gottes Gnade in besonderer Weise erlebt. Er erlebte es immer und immer wieder, wie Gott mit der größtmöglichen Entschiedenheit sein Volk rettet, seinem Volk hilft. Gerade das er Gottes Gnade erlebt, macht Pharao doch so rasend, dass er sich letztlich in seinen Tod stürzt (genauer von Gott gerichtet wird)! Ist es nicht genau das, was den furchtbar dunklen Abgrund des menschlichen Herzens sichtbar macht, dass ausgerechnet die Gnade Gottes, die Begegnung mit der Gnade Gottes sein Herz hart macht. Paulus erlebte es, dass gerade seine Predigt des Evangeliums, Menschen hart gemacht hat. Die gleiche Botschaft. Die einen wurden gerettet, die anderen verhärtet. Paulus drückt es so aus: “Denn wir sind ein Wohlgeruch Christi für Gott unter denen, die gerettet werden, und unter denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tod zum Tode, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben. Und wer ist dazu tüchtig?” (2. Kor 2,15–16)
Ein kleiner Einschub zum weiterdenken: Angenommen, Mose kommt zu Pharao, sagt ihm: Lass mein Volk ziehen und Pharao gibt sofort nach. Würde er schon durch diese Tat die Rettung seiner Seele bekommen?
Das Paulus ausgerechnet an Pharao denkt, als er Römer 9 schreibt, ist also in der Tat eine erschütternde Botschaft. Paulus greift hier einen Gedanken hier auf, den schon 2 Mo 9,16 ausdrückt: “Aber eben deshalb habe ich dich bestehen lassen, um dir meine Macht zu zeigen, und damit man auf der ganzen Erde meinen Namen verkündigt.” Wenn wir davon ausgehen, dass es sich hier um Pharao Amehotep II handelte, dann finden wir hier einen brutalen Kriegsherr. Er war bekannt für hunderttausende Sklaven, die er hielt, um seine zahlreichen Gebäude zu bauen. Archäologen sind der Meinung, dass er königliche Brutalität auf ein neues Level führte. Eroberte feindliche Könige, nagelte er auf die Bordwand seines Schiffs, nachdem er ihnen die Hände abgehackt hatte. Brachte er sie nach Ägypten, nagelte er sie auf die Wände der Städte und ließ sie dort sterben. Einmal ließ er Massengräber ausbuddeln, um sie mit den Leichen von Kriegsgefangenen zu füllen. Andere Bilder zeigen diesen Pharaoh in der Schlacht auf einem Kriegswagen, während Gefangene an den Kriegswagen gebunden sind. All dieser Taten rühmte er sich und ließ sie auf Stelen festhalten. Es ist also bei weitem nicht so, dass hier ein Mensch die Bühne betritt, den man gerne zum Nachbar hätte. Ein netter Mann, der auch mal etwas von Gott hören sollte! Pharaoh ist ein grausamer Herrscher, der sich selbst für Gott hält. Nichts benötigte Pharaoh mehr als Buße und nichts hielt er für absurder und weniger notwendig. Ist das nicht eine Mahnung für jeden von uns, dass wir all die Hinweise der Gnade gerade zu unserem Fall gebrauchen?
Pharao muss erleben, , dass er nicht der Herr der Welt ist, nicht Gottes Stellvertreter, ja nicht einmal Herr über sein eigenes Herz ist.
Nicht einmal Herr seines Herzens zu sein, ist ein hartes Wort! Paulus greift den Einwand, den wir geradezu spüren, auf diese Weise auf: “Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden? Ja freilich, Mensch, wer bist du, der du das Wort nimmst gegen Gott? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen? ” (Römer 9,19–21). Später erklärt Paulus, dass gerade in der Gnadenwahl Gottes überhaupt ein Grund für die Rettung der Heiden zu finden ist (V. 23-25), das mit der Situation Israels kontrastiert wird (V. 27-29). Das eigentliche Fazit des Abschnittes sind dann die V. 30-33. “Was wollen wir nun sagen? Dass die Nationen, die nicht nach Gerechtigkeit strebten, Gerechtigkeit erlangt haben, eine Gerechtigkeit aber, die aus Glauben ist; Israel aber, das einem Gesetz der Gerechtigkeit nachstrebte, ist nicht zum Gesetz gelangt. Warum? Weil es nicht aus Glauben, sondern als aus Werken geschah. Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes.”
Somit: Was bewirkt Gottes Wort bei dir? Verhärtung oder Umkehr?