Sollte man Gott fürchten?

“Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nach diesem nichts weiter zu tun vermögen! Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Töten Macht hat, in die Hölle zu werfen; ja, sage ich euch, diesen fürchtet!” (Lukas 12,4–5).

Wie im letzten Artikel möchte ich auch in diesem eine weit verbreitete fehlerhafte Aussage aufgreifen. Wer hat nicht schon die Erklärung gehört, die beim Stichwort “Gottesfurcht” gegeben wird. Damit wäre keine Furcht gemeint, die Zittern und Angst einschließt, nein vor allem Respekt vor einer Autoritätsperson. So als gebe es bei Gott nichts zu fürchten!

Ich halte das für eine problematische und unrealistische Aussage.

Der Prophet Daniel “erschrak und fiel nieder auf sein Angesicht” (Dan 8,16), aber nicht weil ihm Gott begegnet ist, sondern der Engel Gabriel in seine Nähe kam! Als Jesus Johannes erschien, da lesen wir: ” “Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. (Offb. 1,17). “Weh mir ich vergehe. Denn ein Mann mit unreinen Lippen bin ich” (Jes. 6,5) rief Jesaja, als er den Herrn auf seinem Throne sah! Aber ja, der heutige Prediger sagt dir, ne, ne mit Gottesfurcht wäre halt Respekt und Ehrfurcht gemeint.

Jesus sagt, dass es gut ist, sich vor Gott zu fürchten, denn das vertreibt alle anderen Ängste. Jesus vergleicht die Furcht vor Gott mit der Furcht vor den Menschen. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber es gibt Tage, da verfolgt mich die Menschenfurcht auf Schritt und Tritt. Schon mal gewagt einem Menschen mit Macht, der mindestens einen Rang höher steht, öffentlich zu widersprechen? (z.B. dem Manager in einem Team-Meeting?) Da der Chef am längeren Hebel sitzt, hat er alle Möglichkeiten auch die berechtigste Kritik ins Lächerliche, Absurde zu ziehen, so dass man ziemlich schnell als Verlierer da steht. “Was werden die Menschen von mir denken?” – Wer kennt diesen Gedanken nicht gerade dann, wenn es um das Bekennen von Schuld geht.

Ich glaube diese Angst ist viel mehr als ein bisschen Respekt und Ehrfurcht. Sie geht oft durch Markt und Bein. Ist häufig lähmend, aber auf jeden Fall nimmt sie gewaltigen Einfluss auf unsere Handlungen.

Und nun sagt Jesus. Da brauchst du dich eigentlich null zu fürchten. Wichtig ist: Fürchte dich vor Gott! Und damit es auch der moderne Prediger versteht, wiederholt Jesus diesen Befehl: “Ja, vor diesen fürchtet euch!”

Es gibt einen Aspekt der Gottesfurcht, der den Menschen zur Zeit Jesu viel näher und deutlicher war, als uns heute. Aus irgendeinem Grund scheinen wir zu denken, dass es Gott Freude mache, wenn ein Sünder in sein Heiligtum kommt. Man stelle sich vor: Da ist der Thron Gottes, um Gott herum nur völlige Reinheit und Heiligkeit, und nun betritt ein “kecker” Sünder die Nähe Gottes! Eine schiere Unmöglichkeit! Die Stiftshütte bzw. der Tempel als Orte von Gottes Gegenwart, durften auf gar keinen Fall verunreinigt werden. Keine Unbeschnittenen, Aussätzigen, keine Eunuchen, keine Menstruierenden Frauen konnte diesen einfach betreten. Opfern  und Räuchern durfte nur eine kleine erwählte Schar, nach umfangreichen Reinigungsriten!

Das ist ja das Problem des Sünders, dass er Gott  nicht gefallen kann! Gottes Zorn und Gericht wartet auf ihn. Verflucht (da Gesetzesbrecher!), Unrein und Schuldig steht er vor Gott. Jedes noch so harte Urteil wäre hier nur gerecht. Und doch ist nur Gott selbst, seine Rettung. Das ist das Dilemma des Sünders, und das Paradoxe am Glauben, dass der Sünder vor nichts mehr Panik hat als vor Gott und doch zu Gott rennen muss, um Rettung zu bekommen. Nur der Glaube bekommt diese “irrational erscheinende Wendung hin”, niemals Selbstgerechtigkeit.

Es ist somit auch im Neuen Bund angemessen von echter furchterregender Gottesfurcht zu sprechen. Aber dennoch kommt ein neues Element hinzu, weil wir klarer sehen, wie wir echt “gereinigt vor Gott stehen können”. Gerade hier kommt ja Jesu Ruf, dass er Sünder nicht wegjagt, er als Eingeborener Sohn vom Vater, nein, er ruft uns zu: “Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.” (Matthäus 11,28).

 

4 Kommentare

  1. Sehe ich genauso, “auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer” ( Hebr 12,29)! Nur denn das verstehe ich nicht: “Nur der Glaube bekommt diese “irrational erscheinende Wendung hin”, niemals Glaubensgerechtigkeit.”. Was meinst du da mit Glaubensgerechtigkeit?

    1. Tut mir leid, da habe ich geschlampert. Meinte natürlich Selbstgerechtigkeit, der Mensch “ohne Glauben”, ein Aspekt der sehr gründlich bei Calvin in Inst. Buch 3, Kap. 2 “vom Glauben” geschildert wird. Der Vers in Heb 12,29 ist genau so eine Stelle, oder eigtl. auch das ganze Buch der Offenbarung “die uns wieder den alttestamentlichen Gerichtsgott” bringt, natürlich gibt es nicht den alttestamentlichen und den neutestamentlichen Gott, sondern nur: “Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.” – Kennst du die Begebenheit, die Wilhelm Busch berichtet, dass einst zu ihm Eltern kommen, die ihr Kind taufen lassen möchten und bitten, keinen Text aus dem Alten Testament zu wählen, und Busch zitiert Heb 12,29 und meint: “ihr meint solche?” und dann zitiert er eine Verheißung oder ein Psalmwort des AT und fragt meint ihr solche mit “Texten des Neuen Testaments”, was die Eltern erneut bestätigen?

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