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Vom Zweifel zur Glaubensgewissheit

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Einleitung

Regelmäßig begegne ich Vorträgen über das, was man als Heilsgewissheit bezeichnet, dass eher dazu geeignet ist, Heilsgewissheit zu zerstören. Entsprechend verspüren viele Christen Frustration, wenn sich das Thema „Heilsgewissheit“ ankündigt. Zu häufig wurde Heilsgewissheit als „Null-Toleranz“ gegenüber Zweifeln dargestellt. Viele verzweifeln in der Jagd nach absoluter Heilsgewissheit und fragen sich, ob es Heilsgewissheit gibt. In der Vorbereitung ist mir immer mehr aufgegangen, wie sich bei der Frage nach der Heilsgewissheit viele Linien des Evangeliums in einem sehr persönlichen und herausfordernden Erleben treffen. Dadurch entwickelt das Thema eine weite Dynamik und tiefen Inhalt, von dem wir natürlich nur die Grundzüge untersuchen können.

In einer Welt, die für Christen immer herausfordernder wird und sich herausfordernde Prüfungen uns nahen, stellt sich die Frage so dringend, wie in vielen anderen Generationen der Christenheit: Worauf kann mein Glaube sicher ruhen? Wie kann ich im Glauben zur Reife wachsen, wie kann ich in den Angriffen des Zweifels bestehen. Die Fragen in diesem Themenfeld können theologischer, wie praktischer Art sein: Ist echte Heilsgewissheit möglich? Beschränkt sie sich auf das „Jetzt“? Wie kann ich jemanden helfen, der von Zweifeln umgeben ist?

Das Thema einer sicheren Glaubensgewissheit beschäftigt Christen aller Generationen, wie eine Auswahl an Zitaten zeigen mag:

“Ich beschäftige mich gegenwärtig verstärkt mit dem Ausharren. Dies liegt vielleicht daran, dass ich mich zurzeit in den Mittfünfzigern befinde. Was auch immer der Grund ist, darum kreisen meine Gedanken. Zur Ehre Christi möchte ich mein Leben zu einem guten Abschluss bringen und in Frieden sterben können. Allerdings habe ich zu viele Menschen gesehen, die aufgegeben haben und gefallen oder gescheitert sind, um irgendetwas für selbstverständlich zu halten. »Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle« (1. Korinther 10,12). Aber ich glaube nicht, dass dies der Hauptgrund ist, weshalb ich so oft über das Ausharren nachdenke. Ich glaube, es ist eine Kombination aus allgemeiner Sorge und biblischer Dringlichkeit. Die Welt beunruhigt uns. Sie ist nicht sicher und scheint brüchig und instabil…” (John Piper in „Beharrlich in Geduld, S.17)

„Weißt du nicht vor allen Dingen, wie es bei Gott um dich steht und was er für ein Urteil über dich spricht, so gibt es keinen Grund, auf dem dein Heil ruhen könnte und deshalb auch kein Fundament, auf dem du die Frömmigkeit gegen Gott aufrichten könntest (Johannes Calvin, Institutio. III,11,1)

„Für Christen wird die Antwort auf beide Fragen: „Wie kann ich sicher sein, dass Gott da ist, und dass Gott gut ist?“ nur in Jesus Christus zufriedenstellend beantwortet. Jeder „Beweis“ von Gottes Existenz und jedes Argument für seine Güte, das wohin anders führt ist entweder unvollständig oder falsch. Wie überzeugend sie als Argumente scheinen mögen, auf lange Sicht werden sie weder intellektuell überzeugen noch emotionell sättigen, was – sich nirgendwo besser zeigt als im Leiden“ (Os Guinness, God in the Dark, S. 132)

Was lehrt die Bibel über Heilsgewissheit

Heilsgewissheit ist möglich: in AT und NT

Die Gewissheit darüber, dass Gott für den Gläubigen ist, ist eine Weise, wie die Bibel häufig über die Beziehung von Gott zu seinem auserwählten Volk ist. Das findet sich sowohl im Alten wie im Neuen Testament: Vergleichen wir z.B. das Bekenntnis von Hiob: „“Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben.” (Hiob 19,25) oder die Formulierung von Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte…“

Gott spricht das Heil seinem Volk zu, wie wir es z.B. bei Josua finden: „Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.” (Josua 1,5)

Im Neuen Testament ist es für Paulus wichtig zu wissen, dass Christus ihn persönlich liebt, beachtet diesen Vers: “Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.” (Gal 2,20).

Die Gewissheit des Glaubens gibt ihm Halt in Anfechtungen und Verfolgungen. Als er über seine Leiden schreibt, blickt er auch auf die Gewissheit Christi: “Aus diesem Grund leide ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er bewahren kann, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.” (2. Tim. 1.12)

Diese Gewissheit haben diese Menschen auf gewöhnliche Weise bekommen (d.h. sie hatten nicht einfach deswegen Heilsgewissheit, weil sie besondere Menschen waren oder besondere Aufgaben oder Berufungen besaßen), was deutlich macht, dass sie dem ganzen Volk Gottes offensteht: Der Gewissheit, dass den Kindern Gottes, die Sünden vergeben sind, ist sogar ein ganzer Brief gewidmet. So nennt Johannes im ersten Johannesbriefunter anderem diese Motivation (mit weiteren ähnlichen) für seinen Brief: “Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.” (1. Johannes 2,12)

Die Bibel spricht davon, dass es möglich ist in der Gewissheit des Glaubens zu wachsen, worüber z.B. Petrus schreibt: “Darum, Brüder und Schwestern, bemüht euch umso eifriger, eure Berufung und Erwählung festzumachen. Denn wenn ihr dies tut, werdet ihr niemals straucheln,” (2. Petrus 1,10, LU)

Aus vielen Gründen kann man die Gewissheit verlieren, was nicht nur Folge von Sünde oder mangelnder Hingabe sein muss, was Jes. 50,10 deutlich macht: “Wer ist unter euch, der den Herrn fürchtet, der auf die Stimme seines Knechts hört? Wer im Finstern wandelt und wem kein Licht scheint, der hoffe auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott!Damit wird deutlich, dass auch ein Kind Gottes im Dunkeln (also in Unsicherheit) wandeln kann.

Die Glaubensgewissheit im Leben eines Christen ist von Zweifeln angefochten

Jeder kennt die vielen Stellen in den Psalmen, aber auch in den Propheten, oder auch im Leben Hiobs, in denen sich die Gerechten Gottes vom Zweifel, ja sogar von der Verzweiflung zur Gewissheit „durchkämpfen“. Da das Gebete, Lieder und Texte von Gläubigen sind, wissen wir also, dass der Glaube der Kinder Gottes häufig bis ins Innerste erschüttert wird:

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er mir hilft mit seinem Angesicht.” (Psalm 42,6, LU)

Ich sprach wohl in meinem Zagen: Ich bin von deinen Augen verstoßen. Doch du hörtest die Stimme meines Flehens, als ich zu dir schrie. Liebet den Herrn, alle seine Heiligen! Die Gläubigen behütet der Herr und vergilt reichlich dem, der Hochmut übt. Seid getrost und unverzagt alle, die ihr des Herrn harret!” (Psalm 31,23–25, LU)

Echter Glaube ist nicht fehlerfrei

Das wird in der Schrift häufig sichtbar: Obwohl Rebekka auf das Wort Gottes zu einer List greift, zeigt doch ihr Verhalten insgesamt, dass sie sowohl Gott vertraut wie seinem Wort und seinen Verheißungen glaubt. So handelt auch Isaak: Er glaubt an die Segensverheißungen seines Familienstammes, auch wenn er den törichten Versuch unternimmt, Esau anstelle Jakobs zu segnen.

In dieser Weise ist sogar das Verhalten von Sara zu deuten, als sie über die Verheißung Isaaks lachen muss. Ihren Unglauben oder ihren Zweifel, ist sie ja bereit zu Gott zu bringen.

Mögliche Spannungen, die sich ergeben können:

Das Thema der Heilsgewissheit ist aus unterschiedlichen Gründen einer Spannung ausgesetzt:

  1. So kann uns unsere Selbsteinschätzung trügen: Während wir uns in Sicherheit wähnen, während wir keine echte Errettung besitzen und andererseits kann jemand von furchtbaren Zweifeln geplagt sein, und doch Gottes Kind sein
  2. Einerseits ist unsere Errettung in Gottes Hand sichergestellt, doch kann es sein, dass ich selbst beim Wissen darum, keinen Trost spüre.
  3. Einerseits kann man mit der Heilsgewissheit das Jetzt auf Kosten der Zukunft betonen, andererseits den Blick auf die Zukunft so stark ausrichten, dass die gegenwärtige Heilsgewissheit für mich ohne Belang wird
  4. Manchmal ergibt sich aber auch eine Sackgasse, wenn es bei der Heilsgewissheit darum geht, zu glauben, dass man glaubt. Denn man kann nicht unabhängig vom Glauben über Glauben sprechen.

Wie die Heilsgewissheit in unterschiedlichen Bekenntnissen geschildert wird

Im Folgenden wollen wir drei mögliche Bekenntnis-Formulierungen zur Heilsgewissheit untersuchen:

Katechismus der katholischen Kirche Westminster Bekenntnis Bekenntnis der Mennoniten-Brüder-Gemeinde
„Die Kinder unserer Mutter, der heiligen Kirche, erhoffen die Gnade der Beharrlichkeit bis zum Ende und die Belohnung durch Gott, ihren Vater, für die guten Werke, die sie dank seiner Gnade in Gemeinschaft mit Jesus vollbracht haben“

 

Dieser(=rettende) Glaube weist verschiedene Grade auf. Er ist schwach oder stark, kann oft und auf ganz verschiedene Art und Weise angefochten und geschwächt werden, behält jedoch den Sieg und wächst in vielen bis zur Erlangung einer vollen Gewissheit durch Christus (14.3)

Diese unfehlbare Gewissheit gehört nicht so zum Wesen des Glaubens, dass ein wahrhaft Gläubiger nicht auch lange zu warten und mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben könnte, bevor er Anteil an ihr gewinnt (18.3)

 

…Durch die Kraft des Heiligen Geistes werden sie in Gottes Familie hineingeboren und erhalten die Gewissheit ihrer Errettung…

 

 

Fazit: Eine weise Definition der Heilsgewissheit berücksichtigt die Spannung zwischen dem „Schon jetzt“ und dem „noch nicht“, wie es die Bibel an vielen Stellen in Balance hält: So ist der Gläubige eine Neue Kreatur in Christus und muss doch gegen das Fleisch kämpfen. Er ist von Gottes Geist neu geboren und tut doch das „Böse, dass er nicht tun will“.

Wie Calvin diese Spannung in seine Definition vom „Glauben“ eingebaut hat, wollen wir im nächsten Kapitel untersuchen

Johannes Calvin über den Glauben als Gewissheit der Rechtfertigung vor Gott

Calvin definiert Glauben so:

„Jetzt sind wir soweit, dass wir eine richtige Beschreibung vom Wesen des Glaubens geben können; wir müssen sagen: Er ist die feste und gewisse Erkenntnis des göttlichen Wohlwollens gegen uns, die sich auf die Wahrheit, der in Christus uns dargebotenen Gnadenverheißung stützt und durch den Heiligen Geist unserem Verstand geoffenbart und in unserem Herzen versiegelt wird“ (Institutio, III,2,7)

Das heißt Calvin definiert den Glauben als eine Gewissheit: Man kann den Glauben an sich nicht als Etwas mit Zweifeln oder mit etwas Ungewissem definieren. Im weiteren Verlauf seiner Betrachtung verknüpft er den Glauben mit einer sicheren Erkenntnis:

„Jetzt stellen wir also fest, dass die Erkenntnis des Glaubens in der Gewissheit, nicht aber eigentlich im Begreifen besteht…

Wir nennen ferner die Erkenntnis des Glaubens „fest und gewiss“ um damit die Beständigkeit der Überzeugung kräftiger zum Ausdruck zu bringen. Denn der Glaube begnügt sich nicht mit einer ungewissen, schwankenden Meinung (…), sondern er erfordert eine volle und feste Gewissheit, wie man sie über festgestellte und erprobte Dinge zu haben pflegt…

Wahrhaft gläubig ist nur ein Mensch, der mit fester Gewissheit überzeugt ist, dass Gott sein gnädiger und wohlgesinnter Vater ist, und der von seiner Güte alles erwartet, nur ein Mensch, der auf die Verheißungen des göttlichen Wohlwollens gegen ihn vertraut und deshalb die Seligkeit, frei vom Zweifel, kühnlich erwartet“ (Institutio, III.2.14,15,16)

Calvin nimmt den Einwand vorab selbst hinweg, der beim Lesen solcher Zeilen entsteht: Die Art, wie Christen ihren Glauben erfahren ist ja ganz anders und nicht immer von voller Gewissheit umgeben:

„Was die Gläubigen erfahren, das ist etwas ganz anderes; oft widerfährt es ihnen, dass sie beim Überdenken der göttlichen Gnade gegen sie von Unruhe angefochten werden, ja, mitunter werden sie von fürchterlichstem Schrecken erschüttert, gewaltig ist die Wucht der Anfechtungen, die ihr Inneres zu verwirren trachten – und das alles scheint sich mit der Gewissheit des Glaubens nicht wohl zu reimen! Wenn wir also wollen, dass die Lehre, wie wir sie oben entwickelten, Bestand haben soll, so müssen wir diesen Knoten auflösen.

Wenn wir lehren, dass der Glaube gewiss und sicher sein soll, so verstehen wir darunter ganz gewiss nicht eine Gewissheit, die kein Zweifel mehr berührte, keine Sicherheit, die keine Sorge und Angst mehr bedrängte; nein wir sagen, dass die Gläubigen immerfort im Kampfe liegen gegen ihren eigenen Mangel an Vertrauen“ (Institutio, III.2,17)

Wie kann der Glaube, der eine gewisse Zuversicht, im Leben eines Christen von Zweifeln angefochten werden? Calvin sieht die Erklärung im Kampf zwischen Geist und Fleisch:

„…, weil unser Herz nach seinem natürlichen Trieb zum Unglauben geneigt ist. Dann kommen die Anfechtungen hinzu und fallen uns, unendlich an Zahl, vielgestaltig in ihrer Art, immer wieder mit großem Ungestüm an. Vor allem wird unser Gewissen selber von der auf ihm liegenden Last der Sünden niedergedrückt, und bald klagt und seufzt es bei sich selbst, bald beschuldigt es sich (…). Wenn uns nun Widerwärtigkeit den Zorn Gottes anzeigt, wenn unser Gewissen Beweis und Ursache dieses Zorns bei sich selber findet, so nimmt der Unglaube daraus immer Geschosse und Sturmwerkezuge, um unseren Glauben zu Boden zu werfen“ (Institutio, III, 2,20)

„Die Wurzel des Glaubens wird nie aus einem frommen Herzen ausgerissen, sondern sie bleibt ganz in der Tiefe doch fest hängen, wie sehr sie auch abgeschlagen zu sein und sich hin und her zu neigen scheint; das Licht des Glaubens wird nie dermaßen verdunkelt oder ausgelöscht, dass es nicht wenigstens unter der Asche noch glimmte.“ (Institutio,III,2,21)

Fazit und Definition

Zusammenfassend lässt sich die Position Calvins zur Glaubensgewissheit mit drei Punkten darstellen:

  1. Es gibt Gewissheit des Glaubens, weil sie auf Christus gegründet ist.
  2. Diese Gewissheit Christi steht im Bewusstsein des Gläubigen unter Spannung und ist oft angefochten
  3. Der Unterschied zwischen der Definition und der Erfahrung des Glaubens wird durch den Kampf von Fleisch und Geist, in dem der Gläubige steckt, erklärt. Es ist Teil der Spannung: „Bereits jetzt, aber noch nicht“

Insgesamt ist es wichtig, den Kampf gegen Zweifel als einen guten Kampf des Glaubens zu sehen, wie Calvin es in einer bekannten Aussage zusammenbringt: „Wer aber über allem Streit mit der eigenen Schwachheit in seinen Ängsten zum Glauben die Zuflucht nimmt, der hat den Sieg schon zum guten Teil erfochten“ (Johannes Calvin, Institutio. III,2,17).  Diese Haltung schützt davor Zweifel mit Unglauben gleichzusetzen und so zu beschämt zu sein, darüber zu sprechen und auch davor den Zweifel zu glorifizieren.

Die vielen Gesichter des Zweifels

Ein Stückweit das Gegenteil von Gewissheit ist der Zweifel. Entsprechend wollen wir uns das Thema der Heilsgewissheit aus dieser Perspektive nähern:

Ein Christ kann aus vielen Gründen mit Zweifeln konfrontiert werden: Das Problem des Zweifelns kann viele Ursachen haben: Angefangen von mangelnder Kenntnis der Schrift bis über fehlender Hingabe an Christus und fehlender Heiligung.

Entscheidend ist es aber, Zweifel von Unglauben und vom Glauben zu unterscheiden. In manchen modernen Darstellungen des Zweifels, wird dieser so geschildert, als wäre er eine beneidenswerte Tugend. Doch die Bibel zelebriert den Glauben, aber nicht den Zweifel. Dennoch gilt es, Zweifel von Unglauben zu unterscheiden. Zweifel ist nicht Unglaube.

Hilfreich kann hier eine gute Definition des Begriffes „Zweifel“ sein. Die „zwei“ ist hier entscheidend: es geht darum, zweierlei Meinung zu sein: Einerseits zu glauben und andererseits nicht zu glauben. (Diese „Zweiheit“ findet sich z.B. auch im englischen Begriff „Doubt“, wo das „double…“ mitschwingt. An genau dieses Bild denkt Jakobus auch in Jak. 1,6, als er einen Zweifler folgendermaßen beschreibt: „denn wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und aufgepeitscht wird“ (Jak. 1,6). Das Bild ist recht geeignet: So wie die Meereswoge hin und her geschaukelt wird, so schaukelt der Zweifler zwischen Glauben und Unglauben hin und her.

Zweifel kann man hier mit der Angst vergleichen. Angst ist nicht das Gegenteil von Mut; das Gegenteil von Mut ist Feigheit. Aber die Angst schwankt zwischen diesen zwei Polen her. So ist auch der Zweifel nicht das Gegenteil vom Glauben, sondern ein Schwanken zwischen Glauben und Unglauben.

Satans Lieblingskampffeld ist es, unsere Gotteskindschaft in Frage zu stellen.

Die persönliche Liebe Gottes zu seinen Kindern in Frage zu stellen, ist eine zentrale Kampfstrategie Satans. Selbst vor Jesus, dem eingeborenen Sohn Gottes hält er damit nicht zurück und tritt an ihn mit der Versuchung heran: „Bist du Gottes Sohn, so…“ Unsere Kindheit und Geborgenheit in Frage zu stellen, wird Satan also immer wieder versuchen. Im Kern ist es seine Urversuchungs- Taktik Satans, die er bereits im Paradies sehr erfolgreich bei Adam und Eva versucht hat: „Sollte Gott gesagt haben…“ zielt darauf ab, Misstrauen gegenüber Gott zu streuen. Anders formuliert: „Gott gibt euch Etwas, das gut ist, nicht…Er hat keine guten Absichten mit euch…Ihr solltet die Sache selbst in die Hand nehmen (und werden, wie Gott) …“

Entsprechend ist es „ganz natürlich“, dass unser Vertrauen gegenüber Gott in vielen Situationen angefochten wird.

Wie Jesus auf viele Formen des Zweifels reagierte

Jesus reagierte nicht auf Unglauben, wie man an seiner Abweisung von vielen Anfragen der Pharisäer sieht. Aber er ging sehr behutsam mit Zweifeln um, und war darum besorgt, dass seine Kinder im Glauben wachsen. Betrachten wir dafür einige Beispiele.

In Mk. 1,40-45 kommt ein Aussätziger mit diesem Wunsch zu Jesus: „Herr, willst du, so kannst du mich reinigen“. Dieser Aussätzige zweifelt nicht am Können von Jesus, wohl aber am Wollen. Entsprechend unterstreicht Jesus sein Wohlwollen mehrfach. Sowohl emotionell, den Markus, der sonst wenig emotionelle Details schildert hält fest, dass „es Ihn jammerte“ (V. 41). So heißt es auch explizit, dass er „Ihn reinigen will“ („Ich wills tun, sei rein!“- V. 41) und schließlich schildert das Evangelium auch die bewusste Berührung Jesu, die seinen Willen unterstreicht (Ebenfalls V. 41 „und rührte ihn an“).

Dass der Glaube des Aussätzigen schwach und doch echt war, wird dadurch sichtbar, dass er trotz seiner Zweifel zu Jesus kommt.

Ebenfalls in Markus finden wir ein weiteres Beispiel eines Zweifels, aber einer anderen Art… Mk. 9,22-29 schildert uns, wie ein Vater eines besessenen Jungen zu Jesus mit diesen Worten tritt: „Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“ (V. 22). Sein Problem war also genau umgekehrt, wie bei dem Aussätzigen aus Mk. 1. Er zweifelte weniger am Wollen Jesu (immerhin ist er ja bereits zu den Jüngern gegangen), als am Können Jesu (immerhin haben ja auch die Jünger bisher bei seinem Problem versagt). Entsprechend reagiert hier Jesus ganz anders, und sein Vermögen und Können lässt er so nicht in Frage stellen. Als das eigentliche Problem aber erkannt ist, und der Vater verzweifelt ausruft, „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben (V.24)“, dann wendet sich Jesus nicht etwa ab, sondern bestätigt mit seiner Hilfe diesen schwachen Glauben.

Das der Glaube dieses Vaters echt war, wird deutlich, dass er, als er mit seinen Zweifeln konfrontiert war, diese zu Jesus brachte.

Betrachten wir als drittes in Kürze, wie Jesus auf den Zweifel des Thomas reagiert (Joh. 20,24-30). Als der „ungläubige“ (besser = zweifelnde) Thomas vor Jesus stellt, reagiert Jesus ganz liebevoll: “Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (Johannes 20,27). Ganz frei formuliert: Jesus nimmt seinen Unglauben ernst, und auch wenn eine Konfrontation stattfindet, so ist sie mit einer echten und tieferen Begegnung mit Jesus verbunden.

Beachtet zuletzt diesen Vers, als Jesus nach der Auferstehung den Jüngern begegnet, dort heißt es: “Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen?” (Lukas 24,41). Mir ist es bisher noch nicht aufgefallen, dass es sogar Freude über die Begegnung mit Jesus ein Grund sein kann für fehlenden Glauben.

Diese vier unterschiedlichen Beispiele zeigen, dass es kein allgemeines General-Rezept für den Umgang mit Zweifeln gibt. Das gibt uns vor allem die jüngerschaftliche Mahnung auf Zweifel, fehlende Glaubensgewissheit u.ä. behutsam zu reagieren.

Die Vielfalt des Zweifels im Alltag

Wenn wir diese unterschiedlichen Pathologien schon in der Bibel finden, dann natürlich auch im Alltag: Da ist ein eifriger frisch bekehrter Bruder, der für Evangelisation brennt, für den nun alles neu ist. Hinter dieser sehr aufdringlich wirkenden Gewissheit versteckt sich aber oft ein geradezu verzweifeltes Suchen nach Halt und Ruhe. Zu einem anderen Zeitpunkt kann man einer alten Schwester begegnen, die schon jahrzehntelang nach Heilsgewissheit sucht. So sehr, dass sie in der Gefahr steht, diese Sicherheit noch stärker zu lieben als Gott. Als gebe es etwas Besseres, was wir finden können, als Gott. Und als gebe es etwas Schlimmeres, was wir verlieren können, als Gott.  Da ist jemand anderes, dem einfach noch nie jemand gesagt hat, dass Gott ihn in Jesus liebt. Er ist gefangen in Gesetzlichkeit und hat das Gefühl, dass Gott auf ihn mit erbarmungslosen Regeln draufhämmert. Ein Vortrag über Heilsgewissheit hilft hier wenig, wohl aber eine Neuentdeckung davon, was es heißt, dass Gott wahrhaft barmherzig ist. Noch ein anderer besitzt keine Heilsgewissheit, weil ein Mangel an Vertrauen gegenüber Gott vorhanden ist, weil sich schon so viele Beziehung nur vordergründig als vertrauensvoll erwiesen haben.

Alle Beispiele bestätigen, wie behutsam mit Zweifeln, mangelnder Gewissheit u.Ä. umgegangen werden muss.

Gnadenmittel, um im Glauben zu wachsen

Da wir nicht unabhängig von der Gemeinschaft mit Gott und der Vereinigung mit Christus im Glauben wachsen können, sind die Gnadenmittel, die uns gegeben sind, im Glauben zu wachsen schnell erfasst. Paulus fasst sie im Epheserbrief zusammen: Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. (Eph. 5,19-20):

Paulus nennt hier die Gemeinschaft der Heiligen („Ermuntert einander“), die in Liedern, dem Wort Gottes (die „Psalmen“ werden gezielt genannt“) und zum Gebet („sagt dank Gott“) münden.

Hinzu kommt die Teilhabe an den Gnadenmitteln der Taufe und des Abendmahls. So erklärt uns z.B. der Heidelberger Katechismus, die Zusicherung des Heils in der Taufe so: Heidelberger Katechismus, Frage 69: „Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und versichert, dass das eine Opfer am Kreuz dir zugutekommt?“ Antwort: „Folgendermaßen: Christus hat dieses äußerliche Wasserbad eingesetzt und dabei verheißen, dass ich ebenso sicher mit seinem Blut und Geist von der Unreinheit meiner Seele, das heißt von allen meinen Sünden, gewaschen worden bin, wie ich äußerlich mit dem Wasser, das die Unsauberkeit des Leibes wegzunehmen pflegt, gewaschen wurde [1]

Warum diese stärkende Wirkung der Taufe möglich ist, möchte ich ausführlicher im Kapitel „Wie Abrahams Glaube gestärkt wurde: Eine Studie zu 1. Mo. 15“ besprechen.

Vom Sprechen zur eigenen Seele

Eine interessante Methode auf eigene Unsicherheit zu reagieren, schildert Martin Lloyd Jones, der über den Umgang mit Verzweiflung erklärt. Er schreibt (Werk unbekannt):

Das erste, was wir lernen müssen, ist das, was der Psalmist lernte: Wir müssen lernen, an uns zu arbeiten. Der Psalmist gab sich nicht damit zufrieden, nur am Boden zu liegen und sich selbst zu bedauern. Er tut etwas dagegen: Er arbeitet an sich selbst. Aber er tut noch etwas, das noch viel wichtiger ist: Er spricht mit sich selbst. Dieser Mann sagt sich: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“ er spricht mit sich selbst, er spricht sich selbst an. „Aber“, so sagt vielleicht jemand, „ist das nicht gerade das, was wir nicht tun sollten, da unser größtes Problem doch darin besteht, dass wir uns zu viel mit uns selbst beschäftigen? Dies steht doch gewiss im Widerspruch zu dem, was Sie vorhin sagten. Sie warnten uns vor krankhafter Selbstbetrachtung, und nun sagen Sie uns, dass wir mit uns selbst reden sollen!“ – Wie können wir beides miteinander in Einklang bringen? Folgendermaßen: Ich behaupte, dass wir mit uns selbst reden sollen, anstatt es unserem Selbst zu erlauben, mit uns zu sprechen! Sind Sie sich darüber im Klaren, was das heißt? Meiner Meinung nach ist das größte Problem bei der ganzen Angelegenheit der geistlichen Depression im gewissen Sinne dies, dass wir unser Selbst zu uns reden lassen, anstatt dass wir zu uns selbst reden. Versuche ich nun bewusst, paradox zu sein? Absolut nicht. Sondern hier liegt gerade des Pudels Kern. Haben Sie sich klargemacht, dass der Kummer in Ihrem Leben zum größten Teil der Tatsache zuzuschreiben ist, dass Sie auf Ihr Selbst hören, anstatt dass Sie zu Ihrem Selbst reden? Betrachten Sie einmal die Gedanken, die Ihnen so beim Aufwachen kommen. Sie haben sie nicht in Gang gesetzt, aber sie beginnen, zu Ihnen zu sprechen, sie bringen die Probleme von gestern wieder zurück usw. Jemand spricht. Jemand spricht. Wer spricht zu Ihnen? Ihr Selbst spricht zu Ihnen. Die Methode des Psalmisten war dies: Anstatt dieses Selbst zu sich reden zu lassen, begann er mit dem Selbst zu sprechen. „Was betrübst du dich meine Seele?“ so fragt er…“

Von der gegenseitigen Zusicherung des Heils

Mir ist eine Sache aufgefallen: Wir sprechen häufig über den Glauben, statt über das Ziel des Glaubens. Doch Glauben verhält sich hier ja, wie Demut: Wenn ich anfange, meine Demut wahrzunehmen, bin ich bereits stolz. So blickt auch der Glaube nicht auf sich, sondern auf Christus. Ein Glaube „ohne Objekt“ ist unmöglich. Deswegen ist Glaube „um des Glaubens willen“ nicht möglich. Dennoch gehen wir gerade auf diese Weise mit Menschen in Not um. Zwei Beispiele, um das zu illustrieren:

  1. Furcht: Wenn jemand in Furcht zu uns tritt, dann sind z.B. Analysen der Furcht, oder ein Schelten über mögliche Ursachen einfach wenig hilfreich. Besser sind Mitleiden und eine echte Ermutigung. So sprach Christus zu seinen Jüngern: „Fürchtet euch nicht!“. Er nahm ihnen ihre Angst nicht übel, er schalt sie nicht, er gab ihnen auch keine tiefgreifende Analyse der Ursprünge der Angst. Kurz: Es ging nicht um eine „Nabelschau“, sondern um ein Schauen auf Christus.
  2. Zweifel: In ähnlicher Weise ist es sehr häufig beim Zweifel: Ein Schelten des Zweifels wird nur zu einer Analyse „des eigenen Glaubens“ führen, nicht den Blick auf das Glaubensobjekt richten. Deswegen kann die Bibel auch so viele Beispiel von „Glaubenstaten“ nennen, ohne, explizit den Glauben zu erwähnen. Da es nicht um den Glauben, sondern um Gott geht. So ist auch bei einem, mutlosen Zweifel nicht eine „Nabelschau“ angebracht, sondern ein Blick auf Christus. So auf jeden Fall geht Christus mit dem ernsten Zweifel von Thomas um.

Das bringt mich zu einer Gnadengabe, die ich als „bedingungslos vom Evangelium sprechen“ bezeichnen möchte: Damit meine ich, dass das Neue Testament voller Beispiele davon ist, wie die Gemeinden sofort in Christus getröstet werdet. Beachtet z.B. diesen Briefanfang: “Brüder und Schwestern, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid;” (1. Thessalonicher 1,4, LU) – Wann haben wir so etwas zu unserem Nächsten gesagt: „Du bist von Gott geliebt“ oder „Du bist erwählt“. Ich fürchte ein Stückweit liegt es daran, dass wir verlernt haben, uns gegenseitig das Heil zu zusprechen, dass so wenig Heilsgewissheit und so viel Zweifel vorhanden sind. Das der obige Briefanfang bei weitem nicht eine seltene und schwer zu verstehende Ausnahme ist, wird deutlich, wenn man auf den ersten Petrusbrief schaut: “Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch,” (1. Petrus 1,3–4, LU). Wann haben wir das unserer Schwester, unserem Bruder gesagt, dass ein wunderbares Erbe auf ihn wartet? Vor allem dann, wenn er in Prüfungen steht, wäre das angebracht. Dieser Heilszuspruch durchzieht viele Briefe und stellt manchmal gar thematische Schwerpunkte dar, wie z.B. schon oben erwähnt, der erste Johannesbrief.

In der Vorbereitung bin ich z.B. über diese bedingungslose Verheißung gestoßen in Jes. 43,1-5 gestoßen, die ich ungekürzt wiedergeben möchte: “Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, und wenn du durch Ströme gehst, sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du ins Feuer gehst, wirst du nicht brennen, und die Flamme wird dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt. Weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich liebhabe, gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,” (Jesaja 43,1–5)

Damit möchte ich unterstreichen, dass heutzutage wohl kaum etwas nötiger ist, als der gegenseitige Heilszuspruch und dass wir das nicht von heute auf morgen hinkriegen, sondern „trainieren“ müssen.

Man könnte sich nun die Frage stellen, warum schon ein Heilszuspruch eine stärkende oder heilende Wirkung zeigt. Die Lösung liegt darin, dass das Wort Gottes von und an sich selbst, kräftig und mächtig ist. Viele Verse sprechen davon (z.B. Ps. 107,20; 119,25; 119,50;147;15; Heb. 4,12), aber es wird schon in der Bedeutung deutlich, dass Gottes Wort kreatürliche Macht besitzt: Schließlich sprach Gott und es wurde. Im Neuen Bund sieht Paulus hier auch die Macht des Wortes Neues Leben zu schaffen und zu festigen, beachtet einmal 2. Kor. 4,6: “Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.”. Hier wird die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in Christus aus dem Wort mit der Wirkung von Gottes Wort in der Schöpfung verglichen, als Gott sprach, es werde Licht und es wurde Licht.

Wie Abrahams Glaube gestärkt wurde: Eine Studie zu 1. Mo. 15

In diesem Kapitel möchte ich in besonderer Weise schildern, wie mir die Analyse des Bundesschlusses Gottes mit Abraham in 1. Mo. 15 geholfen hat, besser zu verstehen, dass mein Heil bei Gott sicher ist. Natürlich können wir das an dieser Stelle nur in aller Kürze, fast schon stichwortartig besprechen. Tim Keller hat zu diesem Kapitel eine ausgezeichnete Predigt gehalten, die hier aufgerufen werden kann: shorturl.at/fyJM5:

  • Die große Verheißung: Und siehe, der Herr sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.” (Genesis 15,4, LU) Gott wiederholt die Verheißung zu Abraham. Er sichert seinen Nachkommen ein großes Erbe zu.
  • Die Anfrage nach einer Rückversicherung! “Abram aber sprach: Herr Herr, woran soll ich merken, dass ich’s besitzen werde?” (Genesis 15,8, LU). Beachtet hier das wichtige Element: Es geht Abraham nicht darum, dass er Gottes Wort anzweifelt, sondern es geht ihm darum, dass „Ichs besitzen werde“. Er zweifelt also weniger daran, dass Gott es geben kann, sondern vielmehr daran, dass er seinen „Anteil“ erfüllen kann.
  • Der Bundesschluß Und er sprach zu ihm: Bringe mir eine dreijährige Kuh, eine dreijährige Ziege, einen dreijährigen Widder, eine Turteltaube und eine andere Taube. Und er brachte ihm dies alles und zerteilte es in der Mitte und legte je einen Teil dem andern gegenüber; aber die Vögel zerteilte er nicht.” (Genesis 15,9–10, LU) Entsprechend sagt Gott zu Abraham: Gut, lass uns Sicherheit durch einen Bundesschluss treffen. Gott muss ihm nur eine Liste nennen, und Abraham weiß sofort, was er tun muss. Weil was hier stattfindet, eine übliche Vorgehensweise der Antike war: Ein Bund wurde geschlossen, indem ein untergeordneter Vasall seinem Bundesherrn die Bundestreue schwor, in dem er durch eine Menge von Tierkadavern ging. Damit schwor er auch, dass ihn der Bundesfluch treffen soll, wenn er den Bund bricht. Damit schwor man, dass man im Falle eines Bundesbruches so sterben soll, wie das Kadaver, durch das man ging.
  • Die Unfähigkeit: Als nun die Sonne unterging, fiel ein tiefer Schlaf auf Abram, und siehe, Schrecken und große Finsternis überfiel ihn.” (Genesis 15,12, LU) – Wir würden also erwarten, dass Abraham durch die Kadaver gehen soll, doch bis Gott erscheint, merkt Abraham sein Unvermögen seine Bundesverantwortung zu erfüllen in allzu klarer Tiefe. Und Schrecken, Finsternis, Schläfrigkeit überfällt ihn. – Aber wie soll er dann den Bund mit Gott schließen?
  • Die Zusage im Bundesfluch: Als nun die Sonne untergegangen und es finster geworden war, siehe, da war ein rauchender Ofen, und eine brennende Fackel fuhr zwischen den Stücken hin. An dem Tage schloss der Herr einen Bund mit Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dies Land von dem Strom Ägyptens an bis an den großen Strom, den Euphrat:” (Genesis 15,17–18, LU) – Was Abraham nicht zu Stande bringt das vollbringt Gott. Gott schließt einen Bund mit Abraham, als er unfähig ist, diesen mit Gott zu schließen. Doch was wird dann aus dem Bundesfluch! Was passiert mit dem Bund, wenn ein Bundesgenosse versagt (und da Gott nicht versagt, geht es hier um das Versagen Abrahams und seiner Nachkommen)? Nun, der Bundesfluch wird von Gott auf sich genommen! Gott verspricht zu sterben, wenn Abraham (und seine Nachkommen) den Bund brechen sollen. Die Geschichte Israels, aber auch die persönliche Geschichte eines jeden Christen ist voll von solchem Bundesbrüchen! Der Gläubige sieht aber in Christus, das Lamm, dass den Fluch des Bundesbruches auf sich nahm.
  • Diese Zusage wird allen Gläubigen zuteil: Christus aber hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns – denn es steht geschrieben: »Verflucht ist jeder, der am Holz hängt« –, auf dass der Segen Abrahams zu den Heiden komme durch Christus Jesus und wir den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben.” (Galater 3,13–14, LU) Beachtet hier in besonderer Weise, wer die Nachkommen Abrahams sind! Durch Christus wird uns dieses bedingungslose Versprechen der Treue Gottes zuteil!

Ein Express -Fazit

  • Heilsgewissheit: Statt der zwei Extremen „Keine Heilsgewissheit“ oder „Immer Heilsgewissheit“ ist es biblischer: Wachstum im Glauben zu sehen, und die Realität eines Glaubenskampfes
  • Manchmal ist es auch besser die Frage umzuformulieren: Meint Gott es gut mit mir? Kann ich Gott vertrauen?
  • Zweifel Ist nicht gleich Unglaube. Jesus ist besorgt um Zweifler und stärkt Ihren Glauben
  • Eine Bekehrung ist erst der Anfang eines Lebens im Glauben
  • Die Ursache unserer Errettung ist nicht unsere Bekehrung, sondern die Rechtfertigung aus Gnaden allein und durch den Glauben allein aufgrund des Werkes Christi
  • Es gibt ohne Heiligung keine Heilsgewissheit. Fehlt uns Heilsgewissheit, dann dürfen wir weiter im Gehorsam wachsen.
  • Von Heilsgewissheit zu sprechen macht nur Sinn, wenn sie das Ausharren bis zum Schluss einschließt
  • Als Gemeinde /als Christen dürfen wir uns gegenseitig (und uns selbst) das Heil in Christus zusprechen
  • Wir wachsen durch den Gebrauch der Gnadenmittel in der Gewissheit, dass Gott uns liebt.

Literaturhinweise

Im Folgenden möchte ich einige Werke vorstellen, die ich in der Vorbereitung ganz oder teilweise gelesen habe. Dabei möchte ich einfach zugängliche Werke ebenso erwähnen, wie eher herausfordernde:

  • Ein Lexikoneintrag zum Thema „Heilsgewissheit“ findet sich hier: shorturl.at/bkrzM
  • Eine grundlegende Schrift, die die evangelische Heilsgewissheit in ihren Zentrum stellt, ist der Heidelberger Katechismus. Das wird schon in der Leitfrage des Katechismus nach dem „Trost im Leben und im Sterben“ deutlich. Der Katechismus findet sich im Web.: shorturl.at/otIOV. Da bereits 1563 entstanden, ist eine gewisse Einarbeitung in diese Schrift nötig. Für begleitende Ressourcen möchte ich auf meinen Blog verweisen: shorturl.at/egipM
  • Wer eine kompakte Definition sucht, die die hier im Text unterschiedlichen Perspektiven gebündelt sieht, findet auch im Westminster Bekenntnis (Kap. 18) eine kompakte Definition von „der Gewissheit der Gnade und des Heils“. Das Bekenntnis findet sich kostenfrei im Web: at/hEOP0. Das Kapitel 18 habe ich unten als Anhang eingefügt.
  • Sinclair Ferguson: „Ganz sicher? – Was es heißt ein Kind Gottes zu sein“. 2004, 3L-Verlag: ein sehr einfach zugängliches Werk, dass vor allem den relationalen Aspekt einer Kind Gottes Beziehung betrachtet. Sicherlich ein gutes Ausgangswerk, um sich mit dem Thema der Heilsgewissheit zu befassen.: shorturl.at/uBLZ9
  • Os Guinness blickt auf die andere Seite der Medaille auf den Zweifel mit dem Buch: „Das Problem des Zweifels“. Auf Deutsch nur noch schwer erhältlich, dafür aber kostenfrei im Web zu finden: shorturl.at/jltJL. Das Buch hat seit seiner Erstauflage auf Englisch noch viele weitere Neuveröffentlichungen erlebt und ist gegenwärtig unter dem Titel „God in the Dark“ verfügbar.: shorturl.at/cnDLS
  • Ich persönlich habe von Calvins Ausführungen in seiner Institutio, Buch III, Kapitel 1-14 profitiert, wer nicht so viel lesen möchte, sollte zumindest Kapitel 2 lesen. Zu kaufen bei Amazon:at/vCEM3
  • Die Vielschichtigkeit des Zweifels an der Errettung wird wohl nirgendwo so umfassend, mitnehmend und geradezu zermürbend zusammengefasst wie in der Autobiographie von John Bunyan: „Überreiche Gnade“:at/qAEN9
  • Literatur, die nur englischsprachig verfügbar ist: In der Vorbereitung habe ich auch von „Heaven on Earth“ von Thomas Brooks profitiert oder auch von „The Assurance of Faith“ von Louis Berkhof. Überhaupt haben vor allem Puritaner viel über Heilsgewissheit geschrieben, eine kleine Übersicht an Werken findet sich unter diesem Link: shorturl.at/syI38. Was Thomas Watson über die Heilsgewissheit geschrieben hat, habe ich in diesem Artikel zusammengefasst: shorturl.at/exEJ2
  • Die Kirchenväter haben recht wenig über Glaubensgewissheit geschrieben, eine besondere Ausnahme ist Augustinus, er hat diesem Thema ein ganzes Buch gewidmet „De Dono Perseverantiae“, auf Deutsch in etwa: „Die Gabe der Beharrlichkeit“. Das Buch ist, soweit ich weiß nicht ins Deutsche übersetzt worden, kann hier aber auf Englisch kostenfrei aufgerufen werden: shorturl.at/jotH6

Anhang: „Gewissheit der Gnade und des Heils“ im  Westminster Bekenntnis

Das Kapitel zur Heilsgewissheit ist identisch im Westminster-Bekenntnis (1646), wie auch in der Savoy-Erklärung (1658) im Baptistischen Bekenntnis (1677). Das Bekenntnis führt hier sauber, einerseits die Möglichkeit, wie auch die Vorteile der Heilsgewissheit vor, ohne von einer absoluten Notwendigkeit der Heilsgewissheit zu sehen. Gleichzeitig hält es die Balance zwischen dem „schon jetzt“ und dem „noch nicht“. Zwischen dem Kampf des Geistes und der Realität der Teilhabe „an Christus“.

Kapitel 18: Von der Gewissheit der Gnade und des Heils

18.1. Heilsgewissheit ist möglich:

Obwohl Heuchler und andere nicht wiedergeborene Menschen sich selbst mit falschen Hoffnungen und fleischlicher Vermessenheit betrügen können, als ob sie unter Gottes Gnade und im Stand der Errettung lebten[2], – eine Hoffnung, die zuschanden werden wird[3] -, können doch diejenigen, die wahrhaft an den Herrn Jesus glauben und ihn aufrichtig lieben, indem sie sich bemühen, in allem guten Gewissen vor ihm zu leben, in diesem Leben gewiss versichert sein, dass sie im Stand der Gnade sind[4] , und können sich in der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit Gottes freuen, eine Hoffnung, die sie niemals beschämen wird[5]

18.2 Der Grund der Heilsgewissheit

Diese Gewissheit ist nicht eine Überzeugung von nur mutmaßlichem und wahrscheinlichem Charakter, die sich auf eine trügerische Hoffnung gründet[6] , sondern eine unfehlbare Gewissheit des Glaubens, die sich gründet auf die göttliche Wahrheit der Verheißungen des Heils[7] , auf den inneren Erweis der Gnadengaben, auf die sich jene Verheißungen erstrecken[8], auf das Zeugnis des Geistes der Adoption* , der unserem Geist Zeugnis gibt, dass wir Kinder Gottes sind[9] .

Dieser Geist ist das Unterpfand unseres Erbes, durch den wir auf den Tag der Erlösung versiegelt werden[10]

18.3: Heilsgewissheit ist nicht heilsnotwendig

Diese unfehlbare Gewissheit gehört nicht so zum Wesen des Glaubens, dass ein wahrhaft Gläubiger nicht auch lange zu warten und mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben könnte, bevor er Anteil an ihr gewinnt[11]. Er kann jedoch als einer, der durch den Geist die Kraft erhalten hat, die Dinge zu erkennen, die ihm umsonst von Gott geschenkt wurden, ohne eine außergewöhnliche Offenbarung beim rechten Gebrauch der gewöhnlichen Mittel zur Heilsgewissheit gelangen[12].

Darum hat jeder die Pflicht, allen Fleiß daranzusetzen, seine Berufung und Erwählung fest zu machen[13], damit dadurch sein Herz erfüllt wird mit Frieden und Freude im Heiligen Geist, mit Liebe und Dankbarkeit gegen Gott und mit Kraft und Freudigkeit in der gehorsamen Pflichterfüllung, was alles wahre Früchte dieser Gewissheit sind[14]. So weit ist nämlich die Gewissheit davon entfernt, den Menschen eine Neigung zur Zügellosigkeit zu verschaffen.[15]

18.4: Heilsgewissheit kann erschüttert werden

Die Gewissheit des Heils kann in den wahrhaft Gläubigen auf verschiedene Weise erschüttert, geschwächt oder unterbrochen werden, nämlich dadurch, dass sie nachlässig sind, diese zu bewahren, dadurch, dass sie in irgendeine besondere Sünde fallen, die das Gewissen verwundet und den Geist betrübt, dadurch, dass sie plötzlich oder heftig versucht werden, und dadurch, dass Gott das Licht seines Angesichts verbirgt und zulässt, dass sogar die, die ihn fürchten, in Finsternis wandeln und kein Licht haben[16] .

Sie verlieren jedoch niemals ganz den Samen Gottes, das Leben des Glaubens, die Liebe zu Christus und den Geschwistern, die Aufrichtigkeit des Herzens und das Bewusstsein der Pflicht. Durch alle diese Dinge kann die Gewissheit des Heils durch die Wirksamkeit des Geistes zur rechten Zeit wieder neu belebt werden[17]und durch sie werden die Betreffenden zwischenzeitlich vor der völligen Verzweiflung bewahrt.[18]


[1] Vergleiche Mt 28,19–20; Apg 2,38; Mt 3,11; Mk 16,16; Röm 6,3–4; Mk 1,4; Lk 3,3).

[2] Hi. 8,13-14, Mi 3,11; 5. Mo 29,19; Joh. 8,41

[3] Mt. 7,22-23

[4] 1 Joh 2,3; 1 Joh. 3,14+18+19+21+24; 1. Joh 5,13

[5] Röm 5.2+5

[6] Heb. 6,11+19

[7] Heb. 6,17-18

[8] 2 Pet. 1,4-5+10-11; Joh. 2,3; 1. Joh 3,14; 2. Kor. 1,12;

[9] Röm. 8,15-16

[10] Eph. 1,13-14; Eph. 4,30; 2. Kor. 1,21-22

[11] 1.Joh. 5,13; Jes. 50,10; Mk. 9,24; Ps. 88; Ps. 77,1-12

[12] 1. Kor. 2,12; 1. Joh. 4,13; Heb. 6,11-12

[13] 2. Pet. 1,10

[14] Röm. 5,1+2+5; Röm. 14,17; Röm. 15,13; Eph. 1,3-4; Ps. 4,6-7; Ps. 119,32

[15] 1. Joh. 2,1-2; Röm. 6,1-2; Tit. 2,11-12+4; 2. Kor. 7,1; Röm. 8,1+12; 1. Joh. 3,2-3; Ps. 130,4; 1. Joh. 1,6-7

[16] Hld. 5,2+3+6; Ps. 51,10+14+16; Eph. 4,30-31; Ps. 77,1-10; Mt. 26,69-72; Ps. 31,23; Ps. 88; Jes. 50,10

[17] 1. Joh. 3,9; Lk. 22,32; Hi. 13,15; Ps. 73,15; Ps. 51,10+14; Jes. 50,10

[18] Mi. 7,7-9; Jer. 32,40; Jes. 54,7-10; Ps. 22,2; Ps. 88

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