Warum floh Jona nach Tarsis?

Warum flieht Jona vor Gott? (Jn. 1,3): “Aber Jona machte sich auf(…) und wollte vor dem Herrn fliehen” lesen wir. Sein Ziel ist nichts anderes als das “Ende der Welt”. Wenn man von Tarsis als der westlichsten phönizischen Besiedlung am Mittelmeer ausgeht, kommt nach Tarsis “nichts mehr”. nur der endlos weite atlantische Ozean. Endgültiger kann eine Fluchtabsicht kaum sein.

Doch warum flieht Jona? Antwort: Er ist ungehorsam! Aber damit verlagern wir die Frage nur auf eine andere Ebene. Denn nun baut sich die nächste Frage auf: Warum ist Jona ungehorsam? Interessanterweise gibt Jona die Antwort auf diese Frage selbst: “Ach, Herr, das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen.” (Jona 4,2)

Jona flieht vor Gott, weil Gott für ihn zu gnädig ist Den vier-Mal-gnädigen Gott kann er nicht ertragen und flieht lieber an den Rand der Erde. Bevor wir auf Jona nun Steine der Verurteilung werfen (wie z.B.: “Er lebt im Alten Testament”, “Er versteht Gnade nicht”, “Er ist gesetzlich”, “er denkt nur an Israel”), lasst uns bedenken, wie faszinierend tief sein Verständnis von Gottes Gnade war.

Jonas tiefes Verständnis der Gnade Gottes

Zwei Besonderheiten fallen mir auf:

  • Jona erkennt die Gnade Gottes, obwohl sein Auftrag ausschließlich darin bestand, das Gericht zu predigen! Gottes Auftrag ist eindeutig: “Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.” (Jona 1,2) Jonas Predigtauftrag war nicht eine Botschaft der Rettung, sondern des Gerichts: “Noch 40 Tage, dann wird Ninive zerstört”. Es ist eine Androhung, vergleichbar mit der, vor der einst Sodom und Gomorrha standen.  Dennoch versteht Jona, wohin das hinauslaufen kann(?)/wird(!). Jona versteht, dass wenn Gott vom Gericht predigt, er Rettungsabsichten besitzt. Es ist gut, wenn Ninive von Gottes Gericht hört, denn diese Botschaft könnte sie zur Umkehr bringen! Damit ist Jona überragend evangelisch! Denn jeder der schon darüber gegrübelt hat, wie Gottes Gerechtigkeit und Gnade, wie seine Liebe und sein Zorn, wie Rettung und Gericht zusammenhängen, weiß, wie schwierig es ist, beides ausgewogen in Waage zu sehen. Für Jona ist die Lösung dieses gordischen Knotens aber kein wesentliches Problem. Er erkennt die Gnade Gottes im Gericht.
  • Jona kennt den Gott der Gnade. Als Jona Gott den Grund für seine Flucht nennt, bezieht er sich auf einen zentralen Vers der Selbstoffenbarung Gottes. Genau mit diesen Worten offenbarte sich Gott Mose, als dieser so nah an Gott kam, wie je zuvor (2.Mo 34,6). Dass Gott “gnädig,barmherzig, langmütig und von großer Güte ist” besingen die Psalmen wiederholt (Ps. 78,38;86,5.15 und Ps. 103,8) und in dieser Aussage sehen Propheten die Rettung durch Buße und Umkehr (Joel 2,13). Man kann sich vorstellen, wie oft Jona über diese zentrale Selbstoffenbarung Gottes nachgedacht hat. Gottes Gnade geht somit sogar soweit, dass Jona etwas verkündigen soll, dass sich nicht erfüllen soll! Wie kann das sein? Wie kann sich ein prophetisches Wort nicht erfüllen? Dann, wenn auf verheißenes Gericht Umkehr folgt. Aus Jonas Perspektive könnte man Gnade auch so definieren: Gottes Treue zu seinen Propheten bleibt auch bestehen, wenn das prophetisch angekündigte Gericht ausbleibt.

Lieber sterben als predigen oder das Zeichen des Jona

Jona ist wohl ein Vorbild für jeden Prediger. Da bewirkt eine einzige Predigt eine gigantische Erweckung, und das bläst ihn kein Bisschen auf! Ist es nun blanke Verachtung gegen die Niniviten, die ihn so gleichgültig gegenüber das Schicksal Ninives machen? Eine Art wilder jüdischer Hass? Diese Deutung wäre weit verfehlt. Besser: Jona liebt sein Volk, für dass es kaum eine größere Bedrohung geben kann, als das assyrische Reich. Um sein Volk zu retten, würde er nicht nur an den Rand der Welt ziehen, nein, er wäre auch bereit, für sein Volk zu sterben. Dass er den Schiffern nicht vorschlägt nach Patmos “umzukehren”, sondern ihn “lieber ins Meer zu werfen” spricht eine klare Sprache. Um irgendwie sein Volk zu retten, würde er lieber sterben. Dass sich das Meer sofort beruhigt, kaum das Jona die Wasseroberfläche berührt, bewirkt bei den Seeleuten eine Erweckung. Jona “stirbt” um sein Volk zu retten, und rettet doch die Heiden.  Jonas Todessprung in die Fluten des Mittelmeers erinnert uns somit genauso an den verheißenen Messias, wie sein Aufenthalt im Walmagen: Jesus kam in sein Eigentum, doch die Seinen Namen ihn nicht auf und die Verwerfung durch Israel wurde zur Rettung für die Heiden.

Gnade ist Gnade ist Gnade ist…

Im Walmagen angekommen finden wir eine interessante Aussage von Jona, die viele Christen für einen der wichtigsten Verse der Bibel halten: “Die Rettung kommt vom Herrn”(Jn. 2,10). Auf englisch so wunderbar mit “salvation belongs to the Lord” wiedergegeben. Diese Erfahrung, hat Jona verändert. Er geht nun nach Ninive. Aber sie hat ihn nicht so verändert, dass er keine Lektionen mehr in Gnade nötig hätte. In Kapitel 4 finden wir unsere Ausgangsaussage. Jona ist zerknirscht, dass das Gericht ausbleibt. Aber er hat ja auch nichts anderes erwartet. Doch Gott geht mit Jona noch einmal im Gespräch, wobei die endgültige Weiterentwicklung Jonas, aber auch Israels, aber auch Ninives und aller die mit dem Evangelium konfrontiert werden, offen bleibt…

Jonas spektakuläres Gottesabenteuer lässt uns somit mit der Frage zurück: Wie stehst du vor dem vier-Mal-gnädigen Gott? Welche Folgen hat es, dass du weißt, dass Gott “gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und sich des Übels gereuen lässt.”?

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