Pornografie wirft viele Fragen auf, aber die zwei einfachsten sind gleichzeitig die zwei wichtigsten: Warum sollten wir der Versuchung widerstehen? Und wie?
Viele guten Vorsätze, sich von Pornografie fernzuhalten, scheitern schon an der ersten Frage. Die Wie-Frage lässt sich einfacher lösen – da kommt man schneller auf Möglichkeiten wie Internetfilter oder einen Freund, der willens ist, uns unangenehme Fragen zu stellen. Es ist das Warum, worüber wir stolpern. Wir brauchen überzeugende biblische Gründe, damit wir nicht umfallen, wenn die schwierigen Fragen und Rechtfertigungsgründe zum Angriff blasen.
Und das werden sie auf jeden Fall:
- Warum sich überhaupt Gedanken darüber machen? Es schadet doch niemand.
- Würde meine Frau sich öfter auf Sex einlassen und auch mal was Neues ausprobieren wollen, dann bräuchte ich das nicht.
- Hätte ich eine Frau, dann bräuchte ich das nicht.
- Alle Männer gucken Pornos. So sind wir geschaffen. Wie kann Gott mir dieses Verlangen geben und dann erwarten, dass ich dagegen ankämpfe?
- Nur noch ein einziges Mal, dann ist Schluss.
Pornografie-Konsum hat böse Folgen. Jedem ist klar, dass er Beziehungen untergräbt und niemals befriedigt. Aber böse Folgen reichen nicht aus, uns davon abzuhalten. Wenn wir den Kampf aufnehmen wollen, müssen wir uns mit einleuchtenden Gründen wappnen und diese Gründe zu einem Skript zusammensetzen, das die folgenden Elemente enthält:
Das Skript richtig verstehen
So wie alle Geschöpfe sind auch Menschen für ein Leben innerhalb gewisser Grenzen gemacht. Wenn die Schöpfung solche Grenzen überschreitet – z.B., wenn ein Hurrikan bewirkt, dass das Meer auf das Land übergreift – hat das schlimme Folgen. Mit uns ist das nicht anders. Das ist ein Grund dafür, dass Adam und Eva in der Schöpfungsgeschichte gesagt wurde, dass ein gewisser Baum verboten war. Warum war er verboten? Das ist nicht die Frage, auf die es ankommt. Entscheidend ist vielmehr: Gott prüft seine königlichen Kinder. Werden wir unserem Vater treu sein, wenn die Versuchungen auf uns zukommen und Treue plötzlich unbequem wird?
Wenn unsere Versuchungen besonders stark sind, wird kein Vernunftgrund genügen, damit wir die Grenzen einhalten. Zum Beispiel hat Gott Gründe, um Sexualität auf eine heterosexuelle Bundesbeziehung zu beschränken, aber diese Gründe werden uns nicht die Kraft geben, den Versuchungen zu widerstehen. Kraft erwächst nicht aus dem bloßen Wissen; sie kommt uns zu, wenn wir in der Erkenntnis Gottes wachsen und ihm mit vertrauensvollem Gehorsam antworten. Sie erwächst aus der Entdeckung, dass wir nur in der Gegenwart Gottes – und nicht durch das, was die Welt uns an fleischlichen Genüssen bietet – Fülle von Freude finden. Bei ihm finden wir Vergnügen, das uns für immer befriedigt (Psalm 16,11).
Es erweist sich, dass die Fähigkeit, zu gewissen Wünschen nein zu sagen, ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist. Tiere können nicht nein sagen – wir schon. Denk mal an das Buch der Sprüche. Da dreht sich alles um Weisheit, und Weisheit bedeutet: leben, wie Gott es gewollt hat. In den ersten neun Kapiteln werden die Hauptthemen des Buches zusammengefasst. In ihnen bemüht sich der väterliche Lehrer nach Kräften, die Schönheit der Selbstbeherrschung aufzuzeigen. Gleichzeitig macht er nachdrücklich klar, welche Gefahren ein Lebensstil mit sich bringt, der ganz den eigenen Begierden folgt.
Was ist nun das Hauptproblem? Wir schätzen die Furcht des Herrn nicht hoch genug ein (Spr 1,7). Bei Furcht geht es darum, was oder wer uns beherrscht. Weisheit fängt da an, wo der dreieinige Gott mehr Einfluss auf uns hat als die Objekte unserer Versuchung. Anders ausgedrückt: Ein Leben außerhalb der von Gott gesetzten Grenzen ist der Beweis, dass wir ihn nicht allzu gut kennen, dass wir nicht wissen, dass er gut ist, und dass alles, was er anordnet, zu unserem Besten ist. Halten wir ihn für einen Sterblichen, der nicht mitbekommt, was wir tun? Denken wir, dass die Finsternis uns vor ihm verbergen kann? Uns ist der Gott des Lebens geschenkt, aber wir laufen immer wieder von ihm weg, hinein in Unabhängigkeit und Elend. Und so verlieren wir unsere wahre Menschlichkeit.
In diese Geschichte kommt Jesus hinein. Jesus wurde in die Wüste geführt, um die Extreme körperlicher und satanischer Versuchungen zu durchleben (Mt 4,1-11). Auch wenn seine Versuchungen nicht sexueller Natur waren, so hatten sie doch mit intensivem physischem Verlangen zu tun, das Befriedigung forderte. Jesus ist in unseren Kampf eingetreten; in seinem Widerstand gegen Satan offenbarte er, was es heißt, ein wahrer Mensch zu sein. Er wurde zu dem vollkommenen Menschen, der jede Prüfung bestanden hat und so unser Vertreter vor dem Vater werden konnte. Mit diesem “Führungszeugnis” ging er ans Kreuz.
Das Evangelium entfaltet seine Wirkung in unserem Leben durch Glauben. Wir sagen zu unserem König: “Ich halte mich an dich. Meine eigene Bilanz ist absolut fürchterlich, aber deine ist perfekt.” Und dann bekommen wir mehr Gnade, als wir zu hoffen gewagt haben. Durch die Vereinigung mit Jesus bekommen wir Anteil an seinen Erfolgen, und sein Geist gibt uns die Kraft, ihm nachzufolgen.
Und dann werden wir wieder in Versuchungen hineingeführt, denn so werden die Kinder des Königs erzogen und zur Reife gebracht. Aber diesmal sind wir besser vorbereitet.
Nun setzen wir uns in Abhängigkeit von Jesus mit unseren Leidenschaften auseinander, und zwar mit dem entschiedenen Ziel, sie auf jeden Fall zu töten (Gal 5,24; Kol 3,5). Diesmal haben wir die entscheidende Waffe: unsere wachsende Erkenntnis der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Die Gnade erinnert uns daran, dass uns vergeben ist, so dass wir mit unserem Versagen zu ihm kommen können (2Petr 1.9).
Wir glauben eine Lüge, falls wir denken, dass wir schon zu weit gegangen sind. Da die Gnade keine Grenzen kennt, dürfen wir einfach damit beginnen, dass wir “Hilfe!” schreien. Gott freut sich über die, die sich in ihrer Verzweiflung an ihn wenden (Luk 15,6).
Wie kämpfen wir gegen die Versuchung?
Wenn dieses Skript der Gnade erst in unseren Herzen verankert ist, ergeben sich die praktischen Anwendungen wie von selbst.
- Wiederhole das Skript immer wieder
Die offensichtlichste Anwendung ist die, sich das Skript immer wieder in Erinnerung zu rufen: Christus ist aus Liebe gekommen, hat uns vergeben, uns erlöst und gibt uns Kraft. Paulus beginnt jeden seiner Briefe damit, wie sich alles durch Jesus verändert hat.
Du könntest es wie Paulus machen. Schreib dir dieses Skript des Evangeliums auf, lies es einem Freund vor, bitte andere, dir das Evangelium aus ihrer Perspektive zu erzählen, unterstreiche die vielen Arten, wie das Neue Testament es ausdrückt, und denk darüber nach, wie es auf deine spezifischen Schwierigkeiten anwendbar ist. Hört es sich wie ein gutes Skript an und handelt mehr von Jesus als von dir, bist du auf dem richtigen Weg.
- Prüfe deine Wege
Beobachte, wie du dich in Richtung Pornografie-Konsum bewegst. Mach dir bewusst, dass dein Dilemma in einer Art “freiwilligen Sklaverei” besteht – du bist zwar ein Opfer der Verlockung von Pornografie, aber dass du nachgibst, ist dein absichtlicher Anteil. Nimm dein Verhalten unter die Lupe (Spr 7). Was sind die Lügen, die du glaubst, und die dir die Sicht vernebeln? “Gott ist nicht wirklich gut”? “So gefährlich ist die Sünde nicht”? Prüfe, was in dir vorgeht. Bist du zornig? Gleichgültig? So gestresst, dass du meinst, du hättest Entspannung verdient? Was willst du wirklich? Wo ist der Punkt, an dem du die Entscheidung getroffen hast, der Pornografie nachzugehen?
Während wir dabei sind, uns in Pornografie zu verwickeln, denken wir nicht darüber nach, wie wir so weit gekommen sind. Wenn wir dann davon weggerannt sind und wissen, dass uns vergeben wurde, sollten wir noch einmal sorgfältig darüber nachdenken, wo wir den Punkt überschritten haben, an dem es gefährlich wurde.
- Komm ans Licht
Dieser Schritt ist der schwerste oder zumindest der demütigendste. Die Begierde nach Pornografie gedeiht in der Finsternis (Kol 1,13). Vor dem Herrn ist diese Finsternis natürlich nicht verborgen, und wenn wir es nicht selbst ans Licht bringen, wird er es tun (Hebr 4,13). Also bekennen wir es vor dem Herrn und vor anderen (Jak 5,16).
Vor anderen bekennen wir es aus mindestens zwei Gründen. Erstens, weil wir Hilfe brauchen und Gott uns andere Menschen gegeben hat, um für uns zu beten und uns beizustehen. Zweitens, weil wir den größtmöglichen Abstand zwischen uns und die Finsternis, die Lügen und Rechtfertigungen bringen wollen, und Transparenz ein Mittel dazu ist. Wir können argumentieren, dass unsere Sünde sich im Privaten abgespielt hat, dass es nur Gott und uns betrifft und nicht in die Öffentlichkeit gehört. Allerdings: Wenn es uns leichtfällt, sie vor Gott zu bekennen, wir uns aber weigern, sie vor Menschen zu bekennen, dann ist die Echtheit unseres Bekenntnisses suspekt. Offenheit kann uns davor schützen, durch neue Rechtfertigungen betrogen zu werden.
Innerhalb der von Gott gesetzten Grenzen finden sich Freiheit und Zufriedenheit; außerhalb ist Sklaverei, Elend und eine unstillbare Begierde nach immer mehr (Eph 4,19). Es ist nicht einfach, in diesen Grenzen zu bleiben, aber es ist ganz bestimmt gut.
Noch nie hat jemand bereut, zur Versuchung nein gesagt zu haben.
Anmerkung des Herausgebers: Dies ist ein Auszug aus der ESV Men’s Devotional Bible (Crossway, 2015). Übersetzung von Ruth Metzger.
Ed Welch ist Seelsorger und Fakultätsmitglied der Christian Counseling and Educational Foundation (CCEF). Er erwarb einen Doktortitel in Beratung (Neuropsychologie) an der University of Utah und einen Master of Divinity am Biblical Theological Seminary. Ed ist seit mehr als 30 Jahren als Seelsorger tätig und hat ausführlich über die Themen Depression, Angst und Sucht geschrieben.