Bibellesen, Christliche Ethik

Von Jesus lernen, Nein zu sagen

Lesezeit: 10 Minuten

Matthäus 21,17 “Und er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus nach Betanien und blieb dort über Nacht.”

Ein kurzer Artikel darüber, wie wir von Jesus lernen können, Nein zu sagen. Jesus lebte diese Tugend vor, was auch vieles über die Wurzeln darüber aussagt: Angefangen von der Kenntnis seiner selbst, über die Einschätzung des Nächsten bis hin zur Erkenntnis Gottes.

Jesus sagte Nein zu seinen Mitmenschen…

a)…wenn er ihren Unglauben sah

Markus 8,11-12 “Und die Pharisäer kamen heraus und fingen an, mit ihm zu streiten, versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Und er seufzte in seinem Geist und sprach: Was fordert doch dieses Geschlecht ein Zeichen? Wahrlich, ich sage euch: Es wird diesem Geschlecht kein Zeichen gegeben werden!”

Ein typisches Verhalten von Jesus ist, dass er Anfragen des Unglaubens geradezu schroff ablehnt. Die oben gezeigte Stelle zeigt vielleicht das prägnanteste Beispiel in Jesu Verhalten gegenüber der Bitte um Zeichen von ungläubigen Pharisäern. Doch auch Herodes wurde keiner einzigen Antwort gewürdigt, obwohl er doch “hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen.” (Luk. 23,8).

Diese Anfragen begegneten Jesus häufig in seinem Dienst: Wer das von Liebe getränkte Johannesevangelium liest wird sicherlich schon oft verwundert gewesen sein, warum er den Juden so schroff antwortet. Als sie alle kommen, ihn zum Brotkönig zu sehen, sieht er da nicht etwa Funken einer gottgefälligen Messiaserwartung, sondern erwidert: “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von dem Brot gegessen habt und satt geworden seid. “ (Joh. 6,26)

Mit diesen schroffen Absagen bekommt es selbst Petrus zu tun, als er versucht Jesus vor einem sicheren Tod in Jerusalem zu bewahren. Auch hier lag Unglaube vor, da Christus darauf hinwies, dass dieser Gang nach Jerusalem Gottes Wille ist. Was Petrus einfach nicht glauben will/kann. Hier widerfährt Petrus nur etwas, was kurz zuvor Johannes der Täufer erlebt hat: Dabei stellen sie alle fest: Ein Nein von Jesus ist auch eine Antwort, und zwar (in diesem Fall) die bessere.

Beachtet, dass er dieses Nein sogar an seine eigene leibliche Mutter und an seine Geschwister richtete, ja sie sogar draußen alleine stehen ließ, weil sie ihn nur deswegen rufen ließen, um ihn vom Dienst abzuhalten.

Auch wenn wir nicht die Gabe von Jesus besitzen, in dieser Klarheit Glaube und Unglaube zu unterscheiden, können wir lernen, nicht immer alles jedem zu sagen, nicht mit allem herauszurücken was wir hören, und Anfragen an uns auch mal zu hinterfragen. Sprüche 29,11 “Ein Narr schüttet seinen Geist ganz aus; aber ein Weiser hält an sich.”  Immer wieder gilt es ein entschiedenes Nein dem entgegenzuhalten, der uns nur aufhalten möchte. Das kann bei einfachsten Tätigkeiten, wie dem Traktate Verteilen anfangen. Jedes Mal, wenn ich das in der Stadt machte, war schon bald der ein oder andere Sonderling in meiner Nähe, der stundenlang über seine Anliegen reden konnte, doch auf die hinterlassene Visitenkarte für ein Gespräch “zur passenden Zeit” nie reagiert hat.

b)…Wenn er um echte Gemeinschaft mit ihnen bemüht war

Lukas 10,40-41 “Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe.”

Da hat Marta sich den ganzen Tag abgerackert für ein gutes Mahl für Jesus und sein Team (was in der Antike noch viel mehr Arbeit bedeutet hat als heute, vom Wasserholen bis hin zum Vögel schlachten, Fische ausnehmen, Feuer machen, Sauerteig ansetzen usw.) und hat bloß eine kleine Bitte an Jesus, dass er doch auch mal ihrer Schwester was sage. Und dieser Jesus, dem kein Weg zu lang war, um ihren Bruder aufzuwecken, kommt dieser Bitte einfach nicht nach!

Jesus sagte nein, weil “nur eins not ist” (Luk. 10,42): Die Gemeinschaft mit ihm. Auch Maria in die Küche zu schicken, hätte keine Herzensveränderung bewirkt. Deswegen scheut sich Jesus nicht davor, Marta zunächst Nein zu sagen, weil er ein viel besseres Ja zu bieten hat.

In ähnlicher Weise wird der Wunsch von Philippus (der doch so fromm klingt!), dass Jesus “ihnen den Vater zeige” (Joh. 14,8) abgelehnt. Manchmal ist es so, dass Jesus mit einem Nein den Glauben zur vollen Reife bringen möchte, z.B. als er den Wunsch der Kanaanäerin nach der Heilung ihrer Tochter, in aller Deutlichkeit mehrfach ablehnt.

Ein vorschnelles Ja, kann vor allem bedeuten, jemanden möglichst zügig “abzuvespern”. Ich erwische mich immer wieder dabei, im Umgang mit den Kindern. Eine schnelle Lösung, z.B. eine “großzügige Erlaubnis” zum Medienkonsum schaffen zwar schnell die gewollten Freiräume (meinerseits), ziehen aber weder auf meine Beziehung zu den Kindern, noch auf eine gute Entwicklung von ihnen ab. Ein Nein kann also häufig in Wirklichkeit eine tiefere und wahrere Besorgnis zeigen.

c) … weil er seine eigenen Grenzen kennt

Matthäus 15,24 “Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.”

Nachdem die zweite Meile gegangen ist, der Nächste so stark geliebt ist wie man selbst, man ihm gedient und die Füße gewaschen hat, und Jesus sich voller Jammer um das Volk, dass “keinen Hirten hatte” verausgabt hat, so dass er und seine Jünger “nicht Zeit genug zum Essen” hatten (Mk. 6,31), so war doch immer wieder Zeit “Nein” zu sagen. Dann wurden die Geheilten heimgeschickt (Mk. 8,26;38-39) und das Volk gehen gelassen (Mt. 14,22), und dann ging er “um für sich zu sein und zu beten.” (Mt. 14,23). Manchen Abend war er dort allein mit dem Vater.

Auch wenn der Befehl Jesu, “ihn nicht überall ruchbar zu machen” (z.B. Mt. 9,31 und Mk. 2,1) auch andere Gründe hat, als dringend benötigte Freiräume, spielen diese sicherlich auch einen Grund. Es ging darum die frohe Botschaft im ganzen Israel zu verbreiten und Hindernisse zu vermeiden. Publicity bedeutete nicht GLEICH MEHR Jesus.

In manchen Fällen war Jesus auch um seine Jünger bemüht und forderte sie zur Abgeschiedenheit und Ruhe auf: “ruht ein wenig” (Mk. 6,31).

Fazit: Zu viele Ja´s auf Anfragen unserer Nächsten zeugen nicht immer nur von unserer Großherzigkeit, sondern häufig auch von unserer Selbstüberschätzung. Sich selbst zu überschätzen lag Jesus jedoch fern, und kaum war er nach einem harten Diensttag auf einem schaukelnden Boot unterwegs, schlief er sofort ein!

Jesus sagt Nein zu sich selbst…

Lukas 22,42 “und sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!”

Jesu Ruf in die Nachfolge ist durchzogen vom Appel zur Selbstverleugnung (explizit wären Mt. 10,33; 1,24; Mk. 8,34; Lk. 9,23; zu nennen, nebst weiteren metaphorischen Reden dazu und der thematischen Analyse des Themas in Gleichnissen). Doch das was er von seinen Jüngern forderte, lebte er selber aus. Und welches Nein sollte schwerer sein, als das Nein zu sich selbst!

In besonderer Weise finden wir dieses Nein zu sich selbst bei Jesus, …

a) wenn es um seine Jünger geht

Johannes 13,5 “Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und zu trocknen mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.”

Dabei war doch keiner da, der seine Füße gewaschen hätte! Das ausgerechnet Jesus mit diesem Dienst anfängt! Während seine Füße dreckig blieben, wurden hier 24 Füße mit 120 Zehen eins nach dem anderen sauber gewaschen und rein getrocknet.

Hier wird deutlich dass ein Nein zu sich selbst auf die Ehre des Nächsten abzieht. In einer anderen Fußwaschungsszene wird das genauso deutlich (Lukas 7,36-50). Würde Jesus seine Ehre als “Prophet” vor dem Pharisäer suchen, müsste er die Frau ablehnen. Aber er sucht die Ehre einer elenden Sünderin und lobt den Glauben dieser Frau so sehr, dass man überall wo das Evangelium gepredigt wird, von ihrer Tat spricht und sprechen wird.

Ich denke hier ist die Herausforderung, dass wir die Ehre bei Gott lieber haben, als die Ehre bei den Menschen (Joh. 12,43)

b) wenn es um den Willen des Vaters geht

Jesus kannte die Versuchung, Gott zu versuchen. Flüsterte Satan nicht genau das ein? “Mache doch aus den Steinen Brot! – Kann das Gottes Wille sein, dass du hier sitzt und Tag ein Tag aus, vor dich hin hungerst?” – “Stürz dich von der Zinne des Tempels, oder hast du etwa kein Gottvertrauen? Glaubst du nicht, dass Gottes Engel dich sicher tragen?”. Interessant ist Jesu Antwort auf diese Zweite Versuchung: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.” Damit macht Jesus deutlich, dass er seinen Willen immer am Willen Gottes ausrichtet und nicht mit seinem Eigenwillen den Gutwillen Gottes herausfordert!

Mir ist erst vor kurzem  aufgefallen, dass Jesus sein “Zeugnis”, dass er der Gesandte Gottes ist, vor allem darauf stütz, dass er den Willen des Vaters tut: Johannes 5,36-37 “Ich aber habe ein größeres Zeugnis als das des Johannes; denn die Werke, die mir der Vater gegeben hat, damit ich sie vollende, eben diese Werke, die ich tue, zeugen von mir, dass mich der Vater gesandt hat. Und der Vater, der mich gesandt hat, hat von mir Zeugnis gegeben. Ihr habt niemals seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen”

Der Vater zeugt mehrfach von seinem Wohlgefallen an seinem Sohn (Luk. 3,22 u.a), das sich auch  den bedingungslosen Gehorsam von Jesus einschließt, und gerade dieses Zeugnis ist ein Grundstein seiner Bestätigung als Messias.

Jeder Mut- oder Eigenwille hätte diese ewige Beziehung für immer zerstört! Doch die Liebe Jesu hielt diese Prüfungen aus, selbst dann, als Gott ihn mit einer nicht zu ertragenden Zerstörung am Kreuz konfrontierte, die im Kern eine andere Botschaft trägt, als die, die viele Heilige erleben: Während Gott seinen Heiligen zusichert, dass sie reichlich für ihre Treue belohnt werden, sagte Gott zu seinem Sohn: Diene mir und kümmere dich um mein Volk und um deine Jünger und ich will dich am Kreuz zerstören und zerreiben!

Jedes weise Nein nimmt also in der Beziehung zu Gott seinen Anfang. Wer lernt seinen Willen unter den Willen des Vaters zu unterordnen, der wird auch lernen, an seinen Nächsten ein Nein zu richten, das von echter Fürsorge geprägt ist.

 

 

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