Gott macht mir schreckliche Angst  

Ed Welch:

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Gott ist souverän. Er handelt so wie er will. Das tröstet manche Menschen – und jagt anderen einen fürchterlichen Schrecken ein.

Wenn du ein Kind oder deinen Ehepartner verloren hast, besonders wenn das plötzlich und unerwartet geschah, dann klingt für dich die Aussage „Gott macht mir schreckliche Angst“ vielleicht bekannt. Wenn du je irgendeine Berührung mit dem Tod hattest, dann klingt das für dich vielleicht auch bekannt. Du bist verletzlich. Bilder, die Gott als Beschützer zeigen, haben nun keine Bedeutung. Stattdessen kann dich in jedem Moment das schlimmstmögliche Ereignis treffen, und du kannst nichts tun, um es aufzuhalten. Es scheint vielleicht, du hättest schon das Schlimmste erduldet, und dass es bei dir nichts Wertvolles mehr zu holen gibt. Aber du weißt, dass es andere schlimmste Dinge gibt, die du dir nicht einmal vorstellen kannst. Gott macht dir schreckliche Angst.

Gott macht dir nicht nur schreckliche Angst. Du glaubst weiterhin, dass er dich liebt und im Geist bei dir ist. Du glaubst immer noch, dass dich nichts von ihm trennen kann. Aber es gibt da dieses neue Gefühl in deinem Herzen: Gott macht dir schreckliche Angst. Und das Gefühl ist gekommen, um zu bleiben. Unterdessen scheinen die Menschen um dich herum irgendwie keine schreckliche Angst vor Gott zu haben. Und falls doch, dann sagt es zumindest keiner.

An Freunde von Betroffenen: Lasst uns anerkennen, dass wir für die Trauernden unterdurchschnittliche Tröster sind. Wir sind vielleicht aufmerksam in der ersten Woche, nachdem jemand, den wir gut kennen, ein Kind verloren hat. Aber dann nehmen wir an, dass danach jeder ganz normal weitermacht. Wir gehen also heute auf sie zu und sagen: „Mein Herz ist immer noch gebrochen, weil du dein Kind verloren hast.“ Männer, von denen ich einer bin, sind bei dieser Art von Fürsorge besonders unfähig. Sowohl darin, sie anderen zu geben, als auch sie von anderen anzunehmen.

Sagt etwas. Sagt etwas.

An euch, die ihr großen Verlust erlebt habt: Manche Worte sind schwerer anzunehmen als andere. „Es tut immer noch weh“ ist einfacher zu sagen als „Ich bin am Ende“, was wiederum leichter über die Lippen geht als „Gott macht mir schreckliche Angst“. Die erste Aussage scheint akzeptabler, gläubiger zu sein als die letzte. Aber andere, die als gerecht bezeichnet wurden, haben es schon vor dir gesagt.

Bestürzt bin ich darum vor seinem Angesicht; erwäge ich es, so bebe ich vor ihm. Gott hat mein Herz verzagt gemacht, und der Allmächtige hat mich in Bestürzung versetzt. (Hi 23,15-16)

Rede in Solidarität mit Hiob. Sage dem Herrn diese Worte. Und wenn du einen Ehepartner oder sonst jemanden hast, der den Kummer genauso tragen musste wie du, dann sprecht gemeinsam darüber. Je größer das Leid, desto mehr neigen wir dazu, uns nach innen zurückzuziehen und uns zu isolieren. Sprich mit dem kleinen Glauben, den du noch hast, zum Herrn und zu diesem anderen Menschen. Herzen können in der Einsamkeit verhärten, und Ehen können nach einem großen Verlust zerbrechen. Wehre dich gegen diese Trennung von Gott und anderen.

„Warum sich drum kümmern?“ Hier habe ich wiederum besonders Männer im Blick. „Was soll es bringen, wenn man redet?“ So sagen sie oft. „Es verändert nichts. Tatsächlich bringt es nur den Schmerz hervor und macht das Leben schlimmer.“

Diese Fragen sind schwer zu beantworten. Das liegt zum Teil daran, dass es keine wirklichen Fragen sind. Diese Fragen zeigen eher, wie sehr derjenige in seinem Leben darauf bedacht ist, sich selbst zu schützen, keine Schwäche zu dulden und unabhängig zu denken. Die Psalmen zeigen uns etwas anderes, und du wirst Dinge empfinden, die du auf diesem Weg nicht wirst empfinden wollen. Aber es ist der beste Weg.

In all dem willst du nicht, dass das Grauen das beherrschende oder das letzte Wort ist. Stattdessen ist uns in Jesus Christus die Fülle des dreieinigen Gottes gezeigt worden. „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9). Wende dich ihm weiterhin zu, ganz egal ob dieser Prozess schwerfällig, umständlich, kurz oder ein bisschen unterkühlt ist. Deine Seele ist schon nahe an der Belastungsgrenze. Derjenige, der jetzt in deinem Herzen Furcht hochsteigen lässt, ist der Einzige, der deine Ängste beschwichtigen und eine Seele wieder flicken kann, die in Stücke zerrissen ist.


Ein Artikel von Ed Welch, God Scares Me to Death, v. 02.09.2021 https://www.ccef.org/god-scares-me-to-death/

Übersetzt von Viktor Zander, korrigiert von Anne Hartmann

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