Keine Hoffnung für eine gute Ehe?

“Es stimmt, dass in den USA 45% aller Ehen geschieden werden, aber der Löwenanteil der Scheidungen betrifft Personen, die vor dem 18. Lebensjahr geheiratet haben, Schulabbrecher sowie Paare, die bereits vor der Heirat ein Kind hatten. Ein Experte drückt es so aus: “Wenn Sie also eine passable Schulbildung und ein anständiges Einkommen haben, aus einer intakten Familie stammen, religiös sind und nach dem 25. Lebensjahr und ohne vorher ein Kind zu bekommen heiraten, ist Ihr Scheidungsrisiko definitiv niedrig.”” (Aus: Tim und Cathy Keller: Ehe, der hier “Your Chances of Divorce May Be Much Lower Than You Think” von Wilcox, in The State of Our Unions, 2009, S. 80 zitiert)

Die oben geschilderte Beobachtungen, was Voraussetzungen sind, damit eine Ehe gelingt, entsprechen sehr wohl den Fakten: So waren sie teilweise oder vollständig vorhanden, als Ehen im Bekanntenkreis kaputt gingen, dennoch bin ich unglücklich darüber, wenn das Gelingen einer Ehe an der Berücksichtigung technisch-unpersönlicher Parameter ermittelt wird.

Wenn ich an unsere Ehe denke, dann haben wir knallhart, geradezu mit einem dreist-frechen Grinsen gegen einige der genannten Punkte verstoßen: Eigentlich stimmten in meinem Fall nur 2 der 6 genannten Punkte: Ich war religiös und wir hatten noch kein Kind. Von einem anständigen Einkommen waren wir weit weg, da ich erst nach der Hochzeit anfing zu studieren und grasgrün hinter den Ohren war ich sowieso.

Nach nun einem Dutzend Ehejahren blicken wir auf eine äußerst gesegnete und erfüllende Ehe zurück: Aus diesem Grund denke ich, dass solche Parameter, wie wahr sie auch im Allgemeinen sind, dennoch im Persönlichen schädlich sein können. Einerseits kann jeder dieser Parameter vorhanden sein und die Ehe doch unglücklich werden. Andererseits kann jeder Punkt fehlen und die Ehe doch glücklich werden.

Eine kühle Wahrscheinlichkeitsprognose zu einer Scheidung, wem soll sie helfen? Als wäre das Leben ein Glückspiel, in dem die richtigen Hebel betätigt werden müssen.

Was aber tun, wenn man doch merkt, dass man “kein idealer Gatte” ist? Ich setze auf jeden Fall meine Hoffnung ganz auf die Gnade. Dass die Statistik klar gegen uns sprach, vermochte nichts zu sagen, wenn Gott für uns ist. Denn wenn Gott für uns ist, wer mag wieder uns sein? Elvira und ich schwärmten so sehr von Röm. 8,31, dass wir diesen Vers auf unsere Einladungskarte druckten. Gott ist für uns und beruft uns zu seinen Kindern, erwählt uns zu seinem köstlichen Heiligtum, weil er uns in Christus vor Ewigkeit geliebt hat. Und das sicherlich unabhängig davon, ob ich die Checkliste eines Ehe-Experten in ausreichender Weise bestehe. Können wir jetzt Lorbeeren für uns beanspruchen? Wohl kaum, denn dann wäre Gnade nicht Gnade. Dass es bisher so gut funktioniert, liegt noch viel mehr an der Gunst Gottes als ich es wahrnehmen oder beschreiben kann. Es läuft eben nicht deswegen gut, weil “wir alles richtig gemacht haben”, sondern weil “Gott treu ist, der sich selbst nicht verleugnen kann”. So haben wir ihn geradezu täglich kennengelernt und im besten Fall müssen wir beschämt zugeben, dass wir Gottes Wohlgunst uns gegenüber nie in ausreichender Weise gepriesen haben.

Wie gesagt, ich muss hier Gnade gegen eine (weitestgehend) wahre Statistik verteidigen und die Punkte, in denen ich für ein reifes Eheleben die tiefreichendsten Veränderungen benötigt habe, decken sich mit den genannten Problemfeldern. Dass ich nicht aus einer intakten Familie stamme, war z.B. wirklich ein beachtlicher problematischer Klotz, an dem ich immer noch arbeiten muss. Und doch ist das nicht die ganze Wahrheit, in dem Sinne, dass die tiefste Wahrheit darin besteht, die Person, die selbst Wahrheit ist, welcher ist Jesus Christus, kennenzulernen.

Auf diese Weise ist Wahrheit also nötig: Ich habe zu oft gesehen, dass viele Außenstehenden sehr wohl das Versagungspotential unserer jungen Ehe wahrnahmen (ich sah es am Funkeln in den Augen), aber selten auf die Probleme hinwiesen. Im besten Fall blieben wage Andeutungen. Ein Beispiel ist z.B. das sehr jung heiraten: Ich würde z.B. definitiv zustimmen, dass es mit einigen Problemen und Gefahren verbunden ist, zu früh zu heiraten, aber was nützt es, diese Gefahren zu kennen, aber an ein junges Pärchen nicht offen zu kommunizieren? Ich glaube, dass bereits eine offene Kommunikation, z.B. in Ehevorbereitungskursen solche Gefahren benennen kann und man mit einem (vermeintlich zu) jungen Ehepaar an Strategien arbeiten kann, wie, um wieder Keller zu zitieren, die Ehe zu einem gelungenen “Versuch zweier fehlerhafter Menschen werden kann, in einer herzlosen Welt ein Stück Geborgenheit zu schaffen.”. Wenn ich an die zwei Ehevorbereitungsgespräche denke, denen wir als junges verlobtes Paar ausgeliefert waren, dann tragen sie das Label “Ritt durch die Höhle” mit angebrachtem Stolz. Es soll mir aber nicht darum gehen, vergangenen Schrott bühnenreif neu zu polieren, sondern darum, wie ich meinen Mitnächsten auch in herausfordernden Rahmenbedingungen einer Ehe (oder Ehegründung) unterstützen kann, und zumindest darum, wie ich in gar nicht mehr so vielen Jahren, meinen Kindern in Fragen um die Ehe eine echte Hilfe sein kann.

Und hier sehe ich, dass in der Balance von Gnade und Wahrheit der Liebe Gottes eine optimistische Perspektive für jede Art von Ehe zu finden ist. Ob nun zu jung, alt, verfahren, “nicht mehr zu retten”, komisch, grenzwertig, deutsch, what ever…

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