Grenzziehung im Dienst?

Ed Welch

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Persönliche Grenzen im Dienst: Wann ist es angebracht, „nein“ zu sagen?

Wie kannst du auflegen, wenn die Person am anderen Ende der Leitung pausenlos spricht und du noch Arbeit hast, die auf Erledigung drängt? Kennst du das, dass du dich selbst “ja” sagen hörst und dich im selben Moment schon über dich ärgerst?

Was sind weise Grenzziehungen? Das ist die Frage, die mir als Dozent bei CCEF in der einen oder anderen Form am häufigsten gestellt wird. Unsere Schüler nehmen Kurse in Seelsorge, weil sie Menschen lieben und ihren Bedürfnissen besser dienen möchten. Die meisten von ihnen stecken allerdings schon bis zum Hals im Dienst. Während eines Kurses vertiefen sich einige dieser Beziehungen, und es kommen noch ein paar dazu. Und sie fragen sich: Wie lange kann sich dieser Trend zu noch mehr und noch tieferen Gesprächen fortsetzen?

Einige von den Fragen, die man sich stellen sollte, kennst du schon: Bin ich wirklich so wichtig? Habe ich Angst, Leute zu enttäuschen? Habe ich meine Prioritäten für den Gebrauch meiner Zeit definiert? Ist mir bewusst, dass immer, wenn ich zu jemand “ja” sage, das ein “Nein” zu einem anderen bedeutet? Habe ich etwas dadurch gelernt, dass meine “Jas” sich in der Vergangenheit als kostspielig erwiesen haben?

Diese Fragen sind wichtig und weisen uns in eine gute Richtung. Aber Neinsagen ist, wie alles, was Weisheit erfordert, kompliziert. Eine dieser Komplikationen beruht auf der Vorstellung von opferbereiter Liebe – Christus hat sich selbst für uns geopfert, und wir sollten willig sein, uns für andere zu opfern. Die Goldene Regel gehört zur Liebe und ist immer im Standby, um unser Nein in ein Ja zu verwandeln. Welche Behandlung würdest du dir selber wünschen? Sobald wir unsere Richtlinien definiert haben, finden sich daher Gründe für Ausnahmen. Wenn ich einmal die Regel aufgestellt habe, dass ich 7 Stunden Schlaf bekommen muss – würde ich die nicht brechen für Menschen, die ich liebe?

Liebe ist manchmal unbequem und hat ihren Preis. Das ist uns schon klar. Zum Problem wird es, wenn die Kosten für uns oder andere durch die Decke gehen. Dann kommen wir um ein paar Entscheidungen nicht herum.

Also suchst du Rat bei anderen. Ich erinnere mich an drei weise Ratschläge, die ich von Freunden bekommen habe:

  • Strebe eine Vereinfachung deines Lebensstils an. Wenn alles sich wie ein einziges Chaos anfühlt, schau, was du aussortieren kannst (z.B. soziale Medien).
  • Wenn jemand um deine Zeit bittet, sag nicht sofort ja, außer wenn es ganz eindeutig ist. Du kannst z.B. sagen: “Lass mich erst Rücksprache halten mit …” oder “Lass mich erst in meinen Kalender schauen, ob nichts anderes anliegt.” Das sollten natürlich am besten keine Lügen sein.
  • Wenn du ein paar Tage keine Zeit zum Gebet gehabt hast, sag nein.

Guter Rat, dem ich sozusagen gelegentlich folge.

Nein zu sagen ist herausfordernder, als man auf den ersten Blick denkt, also müssen wir uns noch ein bisschen intensiver mit dieser Frage von menschlichen Grenzen und Weisheit befassen.

  • Wieviel Zeit verbringe ich mit Entertainment und sozialen Medien? Je mehr Zeit du damit verbringst, desto gestresster wirst du dich in deiner übrigen Zeit fühlen.
  • Wenn ich weniger Gespräche zu führen hätte – was würde ich mit der freigewordenen Zeit machen? Was man bei dieser Frage aber bedenken muss: Man kann zwar seine Zeit immer noch effizienter nutzen. Aber Effizienz ist nicht per se ein erstrebenswertes Ziel. Willst du deine Mahlzeiten wirklich um zehn Minuten kürzen oder das Schritttempo deines Lebens von einem Spaziergang zu einem Dauerlauf hochpuschen?
  • Wie kann ich weise denken über das Schritttempo meines Lebens – in Bezug auf einen Tag, eine Woche, ein Jahr? Ist es gut für mich, in meinem Tag oder meiner Woche gemächlichere Abschnitte zu haben? Ist es weise, Zeit zu haben, die nicht mit Kontakten angefüllt ist? Was bestimmt zum gegenwärtigen Zeitpunkt meine Grenzen – kleine Kinder, alte Eltern, Gesundheit – die es erfordern, öfter nein zu sagen? Unser Leben braucht einen Rhythmus, in dem Tätigkeit und Ruhe sich abwechseln.
  • Befinde ich mich vielleicht in einem Lebensabschnitt, in dem ich lernen muss, sowohl selbst um Hilfe zu bitten als auch nein zu sagen?
  • Wie unterscheide ich Unbequemlichkeiten, Menschen, die mich in den Wahnsinn treiben, Menschen, die reden ohne Ende, und unkluge Entscheidungen? Jede dieser Situationen erfordert eine andere Reaktion.

 

Ist das vielleicht die eigentliche Frage: Wie kann ich kürzere Gespräche führen, wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Gespräche zielführend sind? Die meisten Menschen sind mit einem “guten” Gespräch zufrieden. Solche Gespräche sind eine Freude und belasten kaum. Schwieriger ist es, wenn Menschen in ihren Klagen und ihrem Ärger festzustecken scheinen, oder reden und reden, ohne dass das zu irgendetwas führt, oder wenn du das Gefühl hast, dass sie dich nur als Bestätigung und nicht als Freund wollen. Wie kann man ein abgeirrtes Gespräch wieder zurückführen? Wie kann man jemand unterbrechen, der mitten in einem sehr langen Satz ist? Wie kann man ein Gespräch beenden? All diese Fragen sind wichtig, aber wir müssen sie uns für ein andermal aufheben.

Ich kann dir versichern: Grenzziehung und Lebensrhythmus wird immer ein wichtiges Thema für dich bleiben, und du wirst kaum je das Gefühl bekommen, dass du die perfekte Lösung gefunden hast. Rat kann hilfreich sein, aber nicht immer ist das, was für deine Freunde funktioniert, auch für dich das Richtige. Die richtigen Fragen sind hilfreich und können dich anregen, zu beten und weiterhin aus der Schrift und von anderen zu lernen.

 

[1] Da dies ein so häufiges Problem ist, kannst du fast überall Hilfreiches dazu finden. Ein Ort ist die Website der Biblical Counseling Coalition und dort die Blogposts von Anna Mondal, Love, Limits und Mending Fences (Teil 1 und 2). David Murray’s Buch Reset: Living a Grace-Paced Life in a Burnout Culture ist ebenfalls zu empfehlen.

This translation is copyrighted © 2020 by the Christian Counseling & Educational Foundation (CCEF). The original article entitled “Ministry, Personal Limits and Saying No” (https://www.ccef.org/ministry-personal-limits-and-saying-no/Copyright) © 2021, was written by Ed Welch and is available at the ccef.org website. All content is protected by copyright and may not be reproduced in any manner without written permission from CCEF. For more information on classes, materials, speaking events, distance education, and other services, please visit www.ccef.org.

Translated in full with permission from the Christian Counseling & Educational Foundation (CCEF) by Ruth Metzger for glaubend.de in Koenigsfeld, Germany. Sole responsibility of the translation rests with the translator and with glaubend.de.

Dieser Artikel ist urheberrechtlich geschützt durch die Christian Counseling & Educational Foundation (CCEF) © 2020. Der Original Artikel lautet “Ministry, Personal Limits and Saying No” (https://www.ccef.org/ministry-personal-limits-and-saying-no/Copyright Copyright © 2021 und wurde von Ed Welch am 13.04.2021 auf der ccef.org Homepage veröffentlicht. Jeglicher Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf in keiner Weise ohne schriftliche Erlaubnis von CCEF verwendet werden. Für weitere Informationen über Materialien, Veranstaltungen, Lehrinhalte und Vorlesungen besuchen Sie bitte www.ccef.org

Vollständig übersetzt mit Erlaubnis der Christian Counseling & Educational Fundation (CCEF) von Ruth Metzger für glaubend.de in Königsfeld, Deutschland. Die völlige Verantwortung für die Übersetzung liegt beim bei glaubend.de.

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