Wie kann ich anderer Meinung sein als mein Mann und mich dennoch unterordnen?

Ein Artikel von John Piper vom 13.07.2020 der unter dem Titel: „how can i disagree with my husband and still submit?” erschienen ist. Übersetzt von Ruth Metzger, mit freundlicher Genehmigung von Desiring God (.pdf-download).

Audio-Transkript

Heute geht es um eine Frage zum Thema Ehe, die eine Zuhörerin namens Mary gestellt hat. „Hallo, Pastor John! Ich weiß, dass von der Ehefrau Unterordnung gefordert ist, und ich habe mich in letzter Zeit sehr bemüht, meine Zunge zu zügeln und mich mit meinem Mann selbst dann einverstanden zu zeigen, wenn ich die Dinge anders sehe. Kürzlich hat er ein neues Auto gekauft. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass das keine weise Entscheidung war. Ich habe einmal etwas dazu gesagt, aber es war auch offensichtlich, dass sein Entschluss schon feststand. Also habe ich mich seiner Entscheidung gefügt. Nun zeigt sich, dass mein Bauchgefühl richtig war. Der Kauf des Autos war nicht klug. Jetzt wissen wir das beide. Und nun fühle ich mich verantwortlich, weil ich mich damals nicht mehr bemüht habe, ihn zu überzeugen. Bin ich schuld, weil ich mich nicht nachdrücklicher geäußert habe? Ich würde gerne Ihre Meinung hören: Wie soll eine Frau mit ihren Bedenken umgehen, wenn sie sich unterordnen möchte?“

Bei einer Frage wie dieser ist es entscheidend, die unmittelbare Frage „Bin ich schuld, weil ich nicht nachdrücklicher meine Meinung vertreten habe, als mein Mann im Begriff stand, eine törichte Entscheidung zu treffen?“ in einen größeren Rahmen einzuordnen.  Ich komme nachher auf die Frage zurück.

Drei Gesichtspunkte zur Ergänzung der Rollen von Mann und Frau

Wir müssen einen Schritt zurücktreten und die Frage unter drei übergeordneten Gesichtspunkten stellen. Das ist mir immer wichtig, damit sich die Diskussion um die Lehre von den ergänzenden Rollen von Mann und Frau, vom Mann- und Frausein, Männlichkeit und Weiblichkeit, Sexualität, Beziehungen und Rollenverständnis in dem übergeordneten biblischen Rahmen bewegt.  Daraus ergibt sich dann eine Art von Gesinnung und Geisteshaltung, was immer wichtiger ist als eine Liste von Geboten und Verboten.

1. Männer und Frauen sind gleich töricht

Als erstes erinnern wir uns daran, dass alle Frauen und alle Männer, alle Ehemänner und Ehefrauen eine gefallene, sündige, selbstsüchtige, törichte Natur haben. Und wenn diese Dinge nicht durch den Geist getötet werden, sind Männer Narren und Frauen Narren (Römer  8,13).  Es ist eine zutreffende und hilfreiche Erkenntnis, dass Männer und Frauen gleich sündig, gleich verdorben und gleichermaßen anfällig für Selbstsucht und Torheit sind.

Nun gibt es allerdings spezifische Arten, wie sich die Sündhaftigkeit bei Männern zeigt. Ich meine, man sollte schon mal überlegen, warum 93% der Gefängnisinsassen in Amerika Männer sind. Lass dir das mal durch den Kopf gehen: 156.000 im Vergleich zu 11.000. Das liegt nicht an der größeren Sündhaftigkeit der Männer, sondern daran, dass es einen spezifisch männlichen Ausdruck dieser Sündhaftigkeit gibt, worüber man wirklich mal intensiv nachdenken sollte. Und weibliche Sündhaftigkeit hat wieder andere Ausdrucksformen.

Aber Selbstsucht und Torheit sind unabhängig vom Geschlecht, und das bedeutet, dass die Frage dieser Frau durchaus nichts Ungewöhnliches ist. Ich wage zu behaupten, dass es sich um ein alltägliches Problem handelt, das von Zeit zu Zeit in jeder Ehe vorkommt: Ein Ehemann, der wie ein Tor die Weisheit seiner Frau nicht sucht, begrüßt oder anerkennt, oder eine Ehefrau, die den weisen Rat ihres Mannes zu dem, was sie tut, wie eine Törin in den Wind schlägt.

2. Die Schrift ruft jeden von uns zu Demut, Dienstbereitschaft und Unterordnung auf

Der zweite übergeordnete Gesichtspunkt zu dieser Frage ist die Breite und Tiefe der biblischen Lehre der Unterordnung.  In der Bibel sind gottesfürchtige Kinder ihren Eltern (Epheser 6,1; Kolosser 3,20), gottesfürchtige Staatsbürger der Regierung (Römer 13,1; Titus 3,1; 1.Petrus 2,13), gottesfürchtige Gemeindemitglieder ihren Führern (Hebräer 13,17), gottesfürchtige Sklaven ihren Herren (Epheser 6,5; Kolosser 2,22; 1.Petrus 2,18) und gottesfürchtige Frauen ihren Ehemännern untergeordnet (Epheser 5,22-24; Kolosser 3,18; 1.Petrus 3,1).

Und falls wir meinen, damit hätten wir alles abgedeckt – nach dem Motto. „Wir müssen jetzt nur alle diese Rollen definieren und wie jeder seinen Part tanzt“ – sagt Jesus: „Wer unter euch groß werden will, der sei euer Diener.“ (Matthäus 20,26)  Wer groß sein möchte, muss jedermanns Diener sein – das muss man jetzt diesem Unterordnungs-Cocktail noch hinzufügen.

Zusätzlich hat er gesagt: „Segnet, die euch fluchen, und betet für die, welche euch beleidigen! Dem, der dich auf die eine Backe schlägt, biete auch die andere dar; und dem, der dir den Mantel nimmt, verweigere auch das Hemd nicht.“ (Lukas 6,28-29)

Und Paulus sagte: „Tut nichts aus Selbstsucht oder nichtigem Ehrgeiz, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst” (Philipper 2,3–4). Mit anderen Worten: Demut, Dienstbereitschaft und Unterordnung sind keine Nebensache – ganz und gar keine Nebensache! – sondern sie sind im Neuen Testament ganz grundlegend und durchdringen alles. Sie sind die Gesinnung Christi, sagt Paulus in Philipper 2,5-8. Das Neue Testament legt meiner Meinung nach deshalb so viel Nachdruck darauf, weil Gott Christus verherrlicht sehen möchte durch Haltungen und Handlungen, die unserer Umgebung zeigen, dass wir es nicht nötig haben, rachsüchtig oder dominant zu sein oder unser Ich auf den Sockel zu heben. Das ist der tiefere Grund dahinter: Unsere Sicherheit, unsere Zufriedenheit, unsere Identität hängen daran, dass wir die bluterkauften Kinder Gottes sind, die das Universum ererben– und das bringt so viel Freiheit in alle unsere Beziehungen.

Und dieser übergeordnete Gesichtspunkt hat mindestens zweierlei Auswirkungen auf unsere spezifisch weibliche oder männliche Existenzform, auf unser Mannsein oder Frausein.

  1. Zum einen bleibt uns bewusst, dass Demut, Dienstbereitschaft und Unterordnung zum Ziel haben, immer und überall die universelle Herrschaft Jesu Christi über Sein ganzes Volk zur Schau zu stellen. Wie wir uns in unseren Beziehungen verhalten, wird zum Hinweis darauf, wie herrlich und über alles zufriedenstellend Er ist, und wie sehr wir von Ihm abhängig sind. Das ist der tiefere Sinn all unserer Beziehungen.
  2. Zum anderen dürfen wir unter diesem Aspekt nicht vergessen, dass diese allgemeine Dienstbereitschaft und Demut und Unterordnung aller Christen die Gott-gegebenen schöpfungsmäßigen Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht aushebelt. Wir müssen uns bemühen, die spezifischen Wege zu unterscheiden, durch das Hauptsein und die Leitung des Mannes seine Demut und Dienstgesinnung zeigen und wie sie in der Reaktion der Frau auf diese Leitung zum Ausdruck kommen: demütig, folgsam, dienstwillig.

3. Die Ehe soll Christus und die Gemeinde abbilden

Und jetzt wenden wir uns dem dritten Gesichtspunkt zu, den wir im Auge behalten müssen, nämlich dass die Ehe eine Art dramatisierte Darstellung der bundestreuen Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde ist. Das ist der Hauptzweck der Ehe, wie Gott sie geschaffen hat. Dabei bekommt der Ehemann seine Regieanweisung hauptsächlich von Christus und die Frau die ihre hauptsächlich durch die Gemeinde, wie Paulus es in Epheser 5 beschreibt.

Und dieses Gleichnis von Christus und der Gemeinde wird auch dann nicht bedeutungslos, wenn Ehemänner – ganz anders als Christus – sündig, selbstsüchtig, begrenzt und töricht sind. Christus ist nichts von alledem. So wie Männlichkeit und Weiblichkeit in ihrer natürlich-schöpfungsmäßigen Realität dafür relevant bleiben, auf welche Art und Weise Demut und Dienstbereitschaft jeweils zum Ausdruck kommen, so bleiben Christus und die Gemeinde als Vorlage für das „Schauspiel“ der Ehe auch dann relevant, wenn der Ehemann in so vielen entscheidenden Punkten nicht wie Christus ist.

Eine durch den Geist geformte Einstellung für die Ehe

Das waren jetzt die drei übergeordneten Gesichtspunkte, die wir im Blick behalten und bedenken müssen, wenn wir die spezielle Frage dieser Frau betrachten. Ihre Frage war ja: Bin ich schuld, dass ich mich nicht zu Wort gemeldet habe, als mein Ehemann im Begriff stand, eine in meinen Augen törichte Entscheidung zu treffen? Oder hätte ich mich zumindest nachdrücklicher äußern müssen?

Und meine Antwort in diesem besonderen Fall lautet: Ich weiß es nicht. Und eine kurze Erklärung dafür, warum ich es nicht weiß, wird ihr, glaube ich, helfen, die Frage für sich selbst biblisch zu beantworten. Der Grund ist, dass es nicht immer richtig oder immer falsch ist, wenn eine Frau ihre Weisheit mit ihrem Mann teilt, wenn er eine Entscheidung trifft. Es ist nicht immer richtig, und es ist nicht immer falsch.

Es ist deshalb nicht immer falsch, weil es sogar in der Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde so ist, dass wir, die Gemeinde, ihm unsere Wünsche, unser Verlangen und unsere Bedürfnisse kundtun. Im Gebet lassen wir erkennen, was wir für richtig halten. Das ist ja Gebet: Gott sagen, was wir von ihm wünschen. Christus, der Vollkommene, braucht nicht etwa unseren Rat – nein, danke! – er braucht unsere Gebete nicht, damit wir ihm erklären, wie er die Welt lenken soll, aber sie sind ihm willkommen. Wieviel mehr ist es dann für eine Ehefrau angemessen, ihre Anliegen vorzutragen, wenn es darum geht, was in der Ehe passiert! Und es gibt noch viele andere Gründe, warum es nicht immer falsch ist, wenn eine Frau im Entscheidungsprozess ihres Mannes ihre Bedenken und ihre Weisheit einfließen lässt.

Aber ich kann auch nicht sagen, dass es generell richtig ist, denn das hängt zum Teil auch von Zeitpunkt, Haltung, Tonfall und Wortwahl ab, und ob es eine Geschichte von chronischer Dummheit beim Ehemann oder chronischer Nörgelei bei der Ehefrau gibt. Es gibt einfach viel zu viele Faktoren, die ich nicht kenne, um mit Sicherheit zu sagen, ob es richtig war, dass sie nur einmal etwas gesagt hat, oder ob sie hätte nachdrücklicher sein sollen. Ich müsste so viel mehr wissen, um beurteilen zu können, ob sie genau das Richtige getan hat oder mehr hätte tun sollen.

Aber ganz allgemein würde ich sagen, dass in einer gesunden biblischen Ehe ein Mann gewöhnlich – das wäre das Normalste von der Welt – den Rat seiner Frau suchen und begrüßen würde. Und die Frau hätte die Reife und Weisheit und Gnade, ihm diese Weisheit zugutekommen zu lassen, ohne ihm dadurch den Respekt zu entziehen oder ihm zu kommunizieren, dass er als Leiter des Haushalts nichts taugt.

Ich hoffe, ich konnte durch all dies deutlich machen, dass biblisches Mann- und Frausein in der Ehe sich nicht in Listen erschöpft, was man sagen oder nicht sagen und tun oder nicht tun darf. Es geht um einen durch die Bibel geprägten und durch den Geist geformten Charakter und daraus erwachsende Verhaltensweisen. Beides sollte sowohl die spezifische Berufung des Mannes reflektieren, das Oberhaupt des Hauses zu sein, als auch die spezifische Berufung der Frau, diese Berufung ihres Mannes willig zu unterstützen, indem sie ihm mit ihren einzigartigen, unverzichtbaren weiblichen Gaben zur Seite steht.

 

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